Ein schweizerisch-israelischer Schauspieler sieht sich benachteiligt. Doch das scheint das Zürcher Theater nicht sonderlich zu beschäftigen.
Am Zürcher Theater Neumarkt lehnen sich die Verantwortlichen entspannt zurück. Diskriminierung, so ist es in einem Untersuchungsbericht festgehalten, gebe es am Theater nicht. Befragte Mitarbeitende rühmten das Haus als «Ort der gelebten Diversität und Partizipation», und die Leitung setze sich «bewusst und ausreichend mit dem Schutz der persönlichen Integrität» ihrer Angestellten auseinander.
Der Bericht steht in einem krassen Widerspruch zu den Aussagen des Schauspielers Yan Balistoy, der dem Neumarkt-Ensemble angehört. Er warf dem Theater im Dezember des letzten Jahres vor, benachteiligt zu werden, weil er Israeli sei.
Die Debatte findet nur auf der Bühne statt
Für das Theater, neben dem Schauspielhaus das wohl bekannteste in Zürich, scheint die Causa Balistoy mit den Ergebnissen der Untersuchung abgeschlossen zu sein. Aber das ist sie nicht. Ausgerechnet eine Spielstätte, die sich als Ort der Debatte und des offenen Dialoges preist, die Streit und Widersprüche zulassen will, scheut die Auseinandersetzung mit einem Konflikt. Die Debatte soll zwar auf der Bühne stattfinden, aber lieber nicht innerhalb der Institution selbst. Da läuft etwas grundfalsch.
Denn in der Untersuchung wurde die entscheidende Frage ausgeklammert: die Frage nämlich, ob der Schweiz-Israeli Balistoy aufgrund seiner Herkunft diskriminiert wurde.
Ebenfalls offen bleibt, ob er tatsächlich konsequent seit August 2021 getrennt von einer libanesischen Schauspielerin für Stücke eingesetzt wurde, die ebenfalls am Neumarkt engagiert ist. So schildert es Balistoy. Das Theater habe die Künstlerin schützen wollen, weil sie um ihre Sicherheit fürchten müsse, sollte sie gemeinsam mit einem Israeli auf der Bühne stehen. Hintergrund ist ein libanesisches Gesetz, das es Libanesen verbietet, mit Israeli zusammenzuarbeiten.
Es ist absurd, dass ausgerechnet diesen Vorwürfen nicht nachgegangen wurde – schliesslich wurde die Untersuchung dadurch überhaupt ausgelöst. Ebenso seltsam ist die Reaktion des Verwaltungsratspräsidenten des Theaters, Thomas Busin. Gegenüber der NZZ erklärte Busin, er wisse nicht, ob Balistoy und die libanesische Schauspielerin tatsächlich getrennt voneinander für Stücke besetzt worden seien. In künstlerische Belange mische er sich nicht ein, dies sei Sache der Direktion.
Auch mit Balistoys Vorwurf der Diskriminierung mag sich Busin lieber nicht befassen. Hier gehe es um eine arbeitsrechtliche Frage, der ein Gericht nachgehen müsse, sagt er. Einen Anlass, selbst aktiv zu werden, sieht er nicht.
Der Vorwurf trifft das Theater ins Mark
Mit dieser Haltung macht es sich Busin zu einfach. Es war schliesslich der Verwaltungsrat des Theaters, der die Untersuchung in Auftrag gegeben und Klarheit verlangt hat. Der Vorwurf der Diskriminierung geht weit über künstlerische Belange hinaus. Er trifft eine Institution, die sich Inklusion und Diversität auf die Fahne geschrieben hat, ins Mark.
Wenn es tatsächlich zutrifft, dass ein üppig subventioniertes Schweizer Theater sich an einem antisemitischen Gesetz aus dem Ausland orientiert – sei es mit guten oder schlechten Motiven –, ist das ein Skandal. Deshalb ist es einem Verwaltungsratspräsidenten durchaus zuzumuten, kritische Fragen zu stellen. Erst recht in einem Theater, das auf seine flachen Hierarchien stolz ist.
Auch der Stadt Zürich kann die Krise am Theater Neumarkt nicht egal sein. Schliesslich subventioniert sie das Theater jährlich mit 4,5 Millionen Franken und gewährt ihm dazu noch einen Mietzinserlass von 700 000 Franken. Die für die Kultur zuständige Stadtpräsidentin Corine Mauch steht hier in der Verantwortung. Als wichtigste Geldgeberin muss sie genau hinschauen, wenn Diskriminierungsvorwürfe im Raum stehen – und sich das Theater nur halbherzig damit auseinandersetzt.