Der Amtsantritt von Donald Trump ist auch in Davos Gesprächsthema Nummer eins. Laut einer globalen Umfrage geht allerdings die Mehrheit der CEO davon aus, dass die Wirtschaftsaussichten sich verbessern. Sind sie zu zuversichtlich?
Am 55. Jahrestreffen des Weltwirtschaftsforums (WEF) in Davos blicken die Teilnehmer gebannt in Richtung Washington – zur Amtseinführung von Donald Trump. Wird dieser mit seiner Rückkehr ins Weisse Haus die Weltwirtschaft erschüttern; womöglich gar mit Notstandsgesetzen? Kündigt sich das Ende der bekannten Nachkriegsordnung an? Noch selten war die Unsicherheit über das globale makroökonomische Umfeld so gross wie in diesem Jahr.
Firmenchefs rechnen mit Wachstumsimpulsen
Doch Pessimismus ist zumindest zu Beginn des Treffens nicht angesagt. Der WEF-Gründer Klaus Schwab scheint mit seinem unermüdlichen Aufruf zu «konstruktivem Optimismus» zumindest bei den Chefs grosser Konzerne auf offene Ohren zu stossen. Dies implizieren die Ergebnisse der am Montag veröffentlichten jährlichen CEO-Umfrage des Unternehmensberatung PwC.
Die grosse Mehrheit der befragten Wirtschaftsführer geht davon aus, dass sich die Wachstumsaussichten im kommenden Jahr verbessern oder zumindest gleich bleiben – deutlich mehr als noch im Vorjahr. «Das hat uns auch überrascht», sagt Gustav Baldinger, CEO von PwC Schweiz. «Wir sehen einen Rebound-Effekt, genau wie 2021 nach der Corona-Pandemie.»
Noch im Herbst 2022 gingen 73 Prozent der Unternehmensführer davon aus, dass das globale Wirtschaftswachstum in den nächsten 12 Monaten schlechter ausfallen würde. Nach der Wahl von Donald Trump in den USA im vergangenen Herbst erwarten nur noch 20 Prozent eine Verschlechterung des globalen Wirtschaftsgangs – trotz aller geopolitischen Unsicherheit.
«Die CEO haben den Eindruck, mit Themen wie Volatilität und Kriegen in den vergangenen Jahren gut umgegangen zu sein», glaubt Baldinger. «Man hat sich an die neue Normalität ein Stück weit gewöhnt. Hinzu kommt, dass die Trump-Administration grundsätzlich, auch in den USA, von vielen für die Wirtschaft als positiver Faktor betrachtet wird.» Besonders zuversichtlich beurteilen die globalen Aussichten die Firmenchefs in lateinamerikanischen Ländern; in Chile und Argentinien gehen je drei Viertel von einem Aufschwung aus.
Aber auch Europäer zeigen sich mit Blick auf die Weltwirtschaft optimistisch. 89 Prozent der Finnen und 72 Prozent der Deutschen erwarten ein stärkeres Wachstum der Weltwirtschaft, ebenso wie 68 Prozent der Spanier. Die Schweizer Firmenchefs repräsentieren den globalen Durchschnitt. In den USA hingegen rechnen nur 53 Prozent mit einer Verbesserung.
Etwas anders präsentiert sich das Bild, wenn es um die Aussichten im Heimmarkt geht. Hier zeigen sich grosse Unterschiede. In Indien erwarten 87 Prozent eine deutliche Stärkung des nationalen Wirtschaftswachstums, in Argentinien 79 Prozent. Auch 68 Prozent der Schweizer Unternehmensführer schätzen ihren Heimmarkt zuversichtlich ein. In den USA sind es 60 Prozent, in Italien nur 43. Das globale Schlusslicht bildet Deutschland mit 16 Prozent.
Kein Beschäftigungsverlust wegen KI
Global gesehen zeigen sich die Wirtschaftsführer auch optimistisch, was die Wachstumsaussichten ihrer eigenen Unternehmen angeht. 42 Prozent wollen ihre Mitarbeiterzahl dieses Jahr erhöhen und nur 17 Prozent gehen davon aus, diese reduzieren zu müssen.
Allerdings gehen gleichzeitig 42 Prozent der Konzernchefs davon aus, dass ihre Unternehmen in zehn Jahren nicht mehr überleben werden, wenn sie bis dahin ihr Geschäftsmodell nicht ändern. Fast zwei Fünftel geben deshalb an, dass sie in den vergangenen fünf Jahren in neue Wirtschaftssektoren vorgedrungen sind.
Ein zentrales Thema bleibt der zunehmende Einsatz von künstlicher Intelligenz (KI). Ein Drittel der befragten Firmen hat offenbar dank dem Einsatz von KI die Profitabilität ihres Konzerns bereits gesteigert. Knapp die Hälfte erwarten, dass ihre Investitionen in KI im laufenden Jahr zu höherer Profitabilität führen werden. 17 Prozent geben an, ihre Mitarbeiterzahl wegen KI im vergangenen Jahr erhöht zu haben, nur 13 Prozent berichten, dass sie deswegen Personal einsparten.
Bei der Implementierung von KI zählt die Schweiz laut der Befragung sogar zu den Spitzenreitern. «9 von 10 CEO haben angegeben, KI in ihrem Unternehmen einzusetzen,» erklärt Gustav Baldinger. «Im vergangenen Jahr waren es erst 18 Prozent. Die Wahrnehmung der Technologie hat sich sehr geändert.»
Unterschätzter Protektionismus?
Überraschenderweise sind es nach wie vor weder geopolitische Konflikte noch soziale Spannungen oder gar der Klimawandel, welche die Firmenchefs als zentrale Risiken für ihre Unternehmen identifizieren. Vielmehr fürchten sie sich vor makroökonomischer Volatilität und Inflation.
Gleichzeitig mehren sich die Zeichen, dass zunehmender Protektionismus in Form von Zöllen, Sanktionen aber auch Industriepolitik bereits zu einer kostspieligen Fragmentierung der Weltwirtschaft führen. Laut dem Transition Report der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBRD) ist der Anteil der Direktinvestitionen, die zwischen den Blöcken flossen, von einem Fünftel im Jahr 2003 auf im vergangenen Jahr unter 5 Prozent gesunken. Wobei die Blöcke anhand der Haltung gegenüber Russlands Überfall auf die Ukraine gemessen werden.
Dass dies die CEO globaler Konzerne nicht gross umzutreiben scheint, weckt bei der Chefökonomin der EBRD, Beate Javorzik, ungute Erinnerungen an den Brexit. Damals hätten die Firmenchefs öffentlich auch nicht vor dem Austritt Grossbritanniens aus der EU warnen wollen. Zu einem guten Teil wohl, weil sie nicht daran glaubten, dass dieser passieren und zu mehr Protektionismus führen werde. Nun bedauerten sie dies. Javorzik fürchtet, dass sich die Konzernchefs nun aus ähnlichen Gründen zu wenig um die Fragmentierung der Weltwirtschaft sorgen und dagegen aussprechen.