Die Verantwortlichen des Kinderspitals müssen nun beweisen, dass sie die Finanzen in den Griff bekommen. Sonst erhalten heikle Verstaatlichungsideen noch mehr Auftrieb.
Keine zehn Monate ist es her, dass der Kanton Zürich dem Kinderspital zu Hilfe eilen musste. Dem Spital drohte damals der Kollaps. Um diesen zu verhindern, sprach der Regierungsrat ein Darlehen von 100 Millionen Franken für den Neubau sowie eine Subvention von 35 Millionen Franken, um das Betriebsdefizit zu decken.
Inzwischen scheint sich die Lage nicht verbessert zu haben, das Spital musste seine ohnehin schon schlechten Prognosen für das laufende Jahr nochmals um 5 Millionen Franken nach unten korrigieren. Und so muss der Kanton nochmals einspringen. Wie die Gesundheitsdirektion am Donnerstag bekanntgegeben hat, spricht er weitere 25 Millionen Franken.
Worin liegen die Probleme des Kinderspitals? Da ist zum einen der Neubau der Stararchitekten Herzog & de Meuron, den das Spital im vergangenen November bezogen hat. Dieser ist deutlich teurer geworden als geplant. Nach den ursprünglichen Schätzungen hätte dieser 550 bis 600 Millionen Franken kosten sollen. Doch am Ende waren es 761 Millionen.
Die Kostensteigerung ist nur zum Teil selbstverschuldet, sie hatte stark auch mit unbeeinflussbaren Faktoren wie der Teuerung und Bauverzögerungen wegen des Ukraine-Kriegs zu tun. Der Fehler der Spitalführung bestand aber darin, dass sie von Anfang an ans finanzielle Limit ging und viel zu wenig Reserven einberechnete. Zu diesem Schluss kommt nun auch ein Untersuchungsbericht, den der Kanton in Auftrag gegeben hat. Statt eine realistische Risikoabschätzung zu machen, hat die Spitalführung die Zahlen den eigenen grossen Plänen angepasst – und gab sich am Ende überrascht, als die optimistische Kalkulation nicht aufging. Hätte sie die Risiken frühzeitig erkannt, hätte sie beim Bau sparen können.
Die Kostenüberschreitung hatte zur Folge, dass die private Stiftung, die das Kinderspital führt, ihr ganzes Vermögen verbrennen musste. Und daraus resultierte ein zweites Problem: Es sind keine Reserven mehr da, um Betriebsdefizite zu decken.
Viele Spitäler haben derzeit Mühe, nur schon eine ausgeglichene Rechnung zu erzielen. In der als unterfinanziert geltenden Kindermedizin ist dies eine besondere Herausforderung. Das Kinderspital hat denn 2023 auch ein Defizit von knapp 30 Millionen Franken geschrieben, die Zahlen für das vergangene Jahr liegen noch nicht vor. Aber der Businessplan des Kinderspitals geht davon aus, dass der Betrieb erst im Jahr 2029 wieder schwarze Zahlen schreiben wird.
Defizite zu schreiben, während die Kasse leer ist, ist eine toxische Kombination. Ohne staatliche Rettung wäre es für das Kinderspital nicht mehr weitergegangen.
Dass der Kanton in dieser Situation Überlebenshilfe geleistet hat, ist korrekt. Das Kinderspital ist das grösste seiner Art in der Schweiz und ein vitaler Bestandteil der Gesundheitsversorgung. Mit anderen Worten: systemrelevant.
Das allerdings bringt den Kanton in eine missliche Lage. Wie soll verhindert werden, dass die Spitalverantwortlichen bald wieder die hohle Hand machen, wenn sie sich verkalkuliert haben oder der Betrieb nicht so gut läuft wie gewünscht? Schliesslich wissen sie um die Systemrelevanz.
Die Gesundheitsdirektion versucht es nun mit finanziellen Vorgaben und einer verstärkten Kontrolle des Kinderspitals. Zwei Aufpasser der Behörden sollen dafür sorgen, dass das Spital das Kantonsdarlehen zurückzahlt und seinen Businessplan einhält. Dass der Kanton den Druck erhöht, ist gut. Wo der Staat mit so vielen Mitteln drinsteckt, muss er auch genau hinschauen. Das hat man in der Vergangenheit zu wenig getan, sonst hätte man die Probleme früher erkennen und eingreifen können.
Für das Kinderspital steht viel auf dem Spiel. Wirtschaftsprüfer von KPMG bezeichnen den Businessplan als «ambitioniert», was wohl ein Euphemismus ist für: schwer zu erreichen. Aber wenn das Spital versagt, drohen ernste Konsequenzen: von weiteren Eingriffen des Kantons bis hin zu einer Verstaatlichung. Entsprechende Forderungen wurden im Parlament von linker Seite schon erhoben und könnten Auftrieb bekommen.
Wer aber denkt, dass die finanziellen Risiken bei einer staatlichen Führung kleiner wären, muss nur einen Blick in die Stadt Zürich werfen. Deren Stadtspitäler an den Standorten Triemli und Waid haben in den letzten Jahren am zuverlässigsten rote Zahlen geliefert.