Der Elektroautohersteller Tesla hat weniger Autos verkauft. Die Aktie verlor deutlich an Wert, wenn auch nur vorübergehend. Experten sehen dies dennoch als Warnung für andere US-Technologieaktien.
«Gebraucht gekauft – kein Dollar an Musk.» – «Anti Elon Tesla Club.» – «Ich kaufte dieses Auto, bevor Elon verrückt wurde.» So lauten Sprüche auf Aufklebern, die viele Tesla-Fahrer in den USA auf ihrem Auto anbringen, um sich von Elon Musk abzugrenzen.
Ihnen stösst sauer auf, dass der Tesla-Gründer den zukünftigen US-Präsidenten Donald Trump im Wahlkampf stark unterstützt hat und nun dessen Abteilung für Bürokratieabbau leiten soll.
Inwieweit Musks politische Überzeugungen potenzielle Kunden vom Kauf eines Tesla abgeschreckt haben, lässt sich natürlich nicht beziffern. Fest steht aber, dass der E-Auto-Bauer 2024 zum ersten Mal seit mehr als einem Jahrzehnt rückläufige Verkaufszahlen gemeldet hat. Tesla verkaufte im vergangenen Jahr 1,79 Millionen Autos und damit etwas weniger als im Jahr davor. Die Tesla-Aktie verlor am Donnerstag mehr als 6 Prozent an Wert.
An dieser Stelle soll allerdings nicht unerwähnt bleiben, dass der Titel am Freitag auf Sicht von einem Jahr trotzdem mit 66 Prozent im Plus lag. Vor allem nach der Wahl von Donald Trump zum US-Präsidenten hatte die Tesla-Aktie massiv zugelegt – Anleger hoffen, dass sich die Nähe von Musk zu Trump in barer Münze auszahlt. «Dass Musk bei Trump quasi auf dem Beifahrersitz hockt, hat die Tesla-Aktie enorm nach oben getrieben», sagt Matthias Geissbühler, Anlagechef von Raiffeisen Schweiz.
Tesla als Technologieaktie eingestuft
Die jüngsten Kursverluste der Tesla-Aktie zeigen aber auch, wie hoch die Erwartungen der Anleger an den Elektroautohersteller sind. Angesichts der stolzen Bewertung der Titel braucht es nicht viel für eine deutliche Korrektur. Seit ihrem Höchststand am 17. Dezember vergangenen Jahres bei 479.86 Dollar hat die Tesla-Aktie deutlich nachgegeben. Am Freitagabend stand sie bei 395 Dollar.
Geissbühler weist indessen darauf hin, dass Tesla immer noch auf einen Börsenwert von gut 1,2 Billionen Dollar kommt. Dies sei enorm hoch, vor allem, wenn man ihn mit denjenigen von anderen Autobauern vergleiche. Laut dem Raiffeisen-Schweiz-Anlageexperten kommen die drei deutschen Hersteller Mercedes-Benz, VW und BMW zusammen auf einen deutlich niedrigeren Börsenwert von 150 Milliarden Euro. Dabei verkauften sie zusammen mehr als sieben Mal so viele Autos wie der amerikanische Wettbewerber.
Mit dem Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV), einer an den Finanzmärkten oft verwendeten Kennzahl, wird der Börsenkurs einer Aktie ins Verhältnis zum Gewinn je Aktie gesetzt. Das KGV von Tesla liegt laut Bloomberg derzeit immer noch bei 163. «Das ist extrem hoch und lässt sich nur damit erklären, dass viele Anleger in Tesla nicht eine Autoaktie, sondern einen Technologietitel sehen», sagt Geissbühler.
Apple, Amazon, Microsoft, Nvidia und Co.: hoch bewerteter Klub
Nicht umsonst zählt Tesla an den Finanzmärkten zu den «Magnificent Seven» – einer Gruppe von sieben Technologieaktien, welche die Börsen in den vergangenen Jahren massiv bewegt haben. Der Gruppe gehören ausserdem Apple, Amazon, Microsoft, das Facebook-Mutterunternehmen Meta Platforms, Nvidia sowie die Google-Mutter Alphabet an.
Aufgrund der Phantasie über Anwendungsmöglichkeiten für künstliche Intelligenz (KI) legten etwa die Aktien des Chip-Herstellers Nvidia besonders stark zu. «Es ist davon auszugehen, dass Nvidia die Wachstumsraten der vergangenen Jahre nicht wird aufrechterhalten können», sagt Geissbühler. Die enorm hohen Margen von Nvidia dürften alleine schon deshalb zurückgehen, weil sie Konkurrenten anziehen und dadurch der Wettbewerb in dem Sektor härter werden dürfte.
Auch bei KI gebe es einen «gewissen Hype», sagt Geissbühler. Dieser könne auch weitergehen, aber möglicherweise liessen sich viele Pläne nicht so schnell in der Wirtschaft umsetzen wie geplant.
«Bewertungen sind so lange kein Problem, bis sie zum Problem werden», sagt Thomas Heller, Anlagechef der Frankfurter Bankgesellschaft Gruppe. Wenn die Unternehmen die hohen in sie gesetzten Erwartungen erfüllen, dürfte der Markt mitspielen. Wie das Beispiel Tesla aber zeige, könne es dann schnell nach unten gehen, wenn dies nicht der Fall sei.
Es gebe zwar Signale, die ihn an die Internetblase Ende der neunziger und Anfang der nuller Jahre erinnerten, sagt Geissbühler. Schliesslich setzten manche Bewertungen von Aktien Wachstumsraten voraus, die mathematisch kaum möglich seien. Allerdings sei die Situation heute doch eine andere, denn bei den hoch bewerteten Tech-Unternehmen von heute handle es sich um enorm profitable Konzerne. Im Dotcom-Boom vor 25 Jahren hatten indessen viele Firmen kaum Umsätze, geschweige denn Gewinne.
Laut Heller spricht das konjunkturelle Umfeld derweil weiterhin für Aktien, insbesondere in den USA. Auch die Aussichten auf eine lockerere Geldpolitik seien dafür ein Faktor.
Hohes Gewicht in Welt-Aktienindizes wie MSCI World
Kursrückgänge bei den amerikanischen Technologietiteln würden auch viele Privatanleger empfindlich treffen. Die Aktien haben in Indizes wie dem US-Standardwerte-Barometer S&P 500, aber auch in sogenannten Welt-Aktienindizes wie dem MSCI World ein enormes Gewicht.
«Lege nicht alle Eier in einen Korb» lautet eine der wichtigsten Regeln der Geldanlage – es ist also sehr wichtig, die Risiken beim Investieren zu streuen und nicht zu stark auf einen einzelnen Sektor zu setzen. «Es wäre aber auch ein Fehler, auf Tech-Aktien zu verzichten», sagt Heller.
Geissbühler weist darauf hin, dass man die hohe Gewichtung von Tech-Aktien im S&P 500 beispielsweise mit einem Exchange-Traded Fund (ETF), der die Titel in dem Index gleich gewichtet, umgehen kann. «So nimmt man die Konzentration auf die Magnificent Seven heraus und ist immer noch in den USA investiert.»
Nicht zuletzt wegen der Tech-Titel ist auch der amerikanische Aktienmarkt in sogenannten Welt-Indizes sehr stark gewichtet. Im MSCI World kamen die USA per Ende November vergangenen Jahres auf ein Gewicht von knapp 74 Prozent. Um diese Konzentration auf amerikanische Aktien abzuschwächen, bieten sich Anlageprodukte auf Aktien aus Europa oder anderen Regionen an. Investoren sollten sich indessen bewusst sein, dass es sich bei einer solchen Strategie um einen aktiven Anlageentscheid handelt – dass sie also versuchen, schlauer zu sein als der Markt. Die hohe Gewichtung von Aktien aus den USA in Welt-Aktienindizes liegt schliesslich daran, dass sich Anleger von ihnen besonders hohe Gewinnchancen versprechen.
Heller rät, bei solchen Diversifikationsentscheiden genau hinzuschauen. Schliesslich haben auch andere Indizes Konzentrationsrisiken – nicht zuletzt der Swiss-Market-Index (SMI), in dem die drei Titel Roche, Novartis und Nestlé zusammen auf ein sehr hohes Gewicht kommen.