Der junge Kantonsrat will die Amtsdauer von Regierungsräten beschränken. Sesselkleber gebe es in allen Parteien, betont er.
Als der heutige Finanzvorsteher Ernst Stocker in den Zürcher Regierungsrat gewählt wurde, war Rafael Mörgeli noch nicht volljährig. Heute – fünfzehn Jahre später – sitzt Mörgeli für die SP im Kantonsrat und sagt langen Amtsdauern wie jenen von Stocker den Kampf an.
Am Montag hat der 32-jährige Kantonsschullehrer und Historiker aus Stäfa einen Vorstoss eingereicht, der noch zu reden geben wird. Er verlangt eine Amtszeitbeschränkung für Regierungsräte.
Herr Mörgeli, Zürcher Regierungsräte sollen laut Ihrer parlamentarischen Initiative nach zwölf Jahren nicht mehr zur Wiederwahl antreten dürfen. Wieso?
Es geht mir um grundsätzliche Fragen: Wie wollen wir unseren Staat organisieren, wie halten wir es mit der Gewaltenteilung? Die Exekutive hat heute eine sehr starke Stellung. Dass die Mitglieder unbegrenzt lange im Amt bleiben dürfen, kann zu einer Machtkonzentration führen, die ungesund ist für die Demokratie.
In der Kantonsregierung amtet Ernst Stocker (SVP) seit fünfzehn Jahren, Mario Fehr (parteilos) seit vierzehn. Sorgen die Herren für eine ungebührliche Machtkonzentration?
So würde ich es nicht sagen. Mein Vorstoss zielt nicht auf den gegenwärtigen Regierungsrat oder einzelne Personen ab. Die Bisherigen wären nicht betroffen von einer Änderung. Sie können sich noch fünfzig Jahre lang wiederwählen lassen, wenn sie das für richtig halten. Mir geht es um eine Regelung für die Zukunft. Mit einer gesetzlich verankerten Amtszeitbeschränkung sorgen wir dafür, dass es regelmässig neue Impulse, frische Ideen im Gremium gibt.
Und die fehlen im heutigen Rat?
Nochmals: Mir geht es nicht um Tages- oder Parteipolitik. Sesselkleber gibt es in allen Parteien.
Gerade auch in Ihrer Partei, der SP. In der Stadt Zürich beispielsweise regiert die Stadtpräsidentin Corine Mauch seit sechzehn Jahren, ihr Stadtratskollege André Odermatt seit fünfzehn.
Mein Vorstoss richtet sich explizit nicht an die Gemeindeexekutiven, sondern nur an den Regierungsrat. In vielen kleinen und mittelgrossen Gemeinden gibt es zu wenig Personal, das sich für politische Ämter zur Verfügung stellt. Eine Amtszeitbeschränkung ergibt dort keinen Sinn.
In der grossen Stadt Zürich ist die Lage aber anders.
Ja, aber wir wollten den Vorstoss nicht überladen. Wenn die Stadt eine Amtszeitbeschränkung wollte, müsste sie den Prozess selber anstossen.
Wie sind Sie auf eine Grenze bei zwölf Jahren gekommen?
Ich habe dazu einen Vergleich mit den anderen Kantonen gemacht, die Amtszeitbeschränkungen kennen. Mit unserem Vorschlag kann jemand nach zwölf Jahren immer noch die laufende Legislatur beenden. Er ist damit etwas strenger als die Regelung in Appenzell Ausserrhoden, wo drei Wiederwahlen möglich sind, und etwas grosszügiger als jene von Graubünden und dem Jura, wo spätestens nach zwei Wiederwahlen Schluss ist. Wenn dort jemand in einer Ersatzwahl während einer laufenden Legislatur ins Gremium kommt, kann er unter Umständen bloss neun Jahre regieren.
Wissen die Amtsinhaber nicht selbst am besten, wann der richtige Zeitpunkt für einen Rücktritt gekommen ist?
In einer Demokratie sollte Macht endlich sein. Mit einer Amtszeitbeschränkung ist Kandidatinnen und Kandidaten von Anfang an klar, dass sie sich nicht um eine Lebensstelle bewerben. Es gibt eine Zeit vor und eine nach dem Amt. Wir wollen keine Politiker, die sich krampfhaft an ihren Posten klammern.
Letztlich kann jeder Regierungsrat abgewählt werden. Genügt das nicht?
In einer idealen Welt schon. Aber in der Schweiz ist der Bisherigenbonus ein riesiger Vorteil. Es kommt äusserst selten vor, dass ein amtierender Regierungsrat die Wiederwahl nicht schafft. Wenn er will, ist er praktisch auf Lebzeiten im Amt.
Ein Nachteil von Amtszeitbeschränkungen ist die Erfahrung, die verlorengeht. Der Politikwissenschafter Thomas Widmer sagte gegenüber der NZZ: «Häufige Amtswechsel schwächen die Stabilität in einem Gremium und produzieren Reibungsverluste.» Ihre Meinung?
Dass es Reibungsverluste gibt, ist nicht abzustreiten. Aber Wechsel gibt es auch im heutigen System. Im politischen Betrieb muss jeder ersetzbar sein. Unsere Verwaltungen sind professionell aufgestellt und können Übergangsphasen mit neuen Köpfen an der Spitze gut meistern.
Entsprechend stärker wird aber die Stellung der Verwaltung . . .
Zwölf Jahre sind immer noch eine sehr lange Zeit, in der sich vieles umsetzen lässt. Eine Beschränkung könnte in diesem Sinn sogar positive Impulse liefern. Sie zwingt die Gewählten, das, was sie im Wahlkampf versprochen haben, rasch anzupacken und nicht auf die lange Bank zu schieben.
Mit Ihrem Vorstoss würden Sie das aktive und das passive Wahlrecht beschränken. Gewisse Personen könnten nach zwölf Jahren nicht mehr gewählt werden. Ist das rechtlich nicht stossend?
Das Wahlrecht ist heute schon nicht absolut. Kinder und Jugendliche können nicht gewählt werden, Ausländerinnen und Ausländer auch nicht. Wichtig ist, dass die Einschränkungen demokratisch legitimiert sind. Die Amtszeitbeschränkung, wie wir sie vorschlagen, käme zwingend vors Volk, weil wir die Zürcher Verfassung ändern würden.
Sie haben Ihre parlamentarische Initiative nun im Kantonsrat eingereicht. Wie schätzen Sie deren Chancen ein?
Offiziell stehen nur die SP und die AL dahinter. Aber ich habe bereits viele positive Rückmeldungen aus anderen Parteien erhalten. Es geht bei diesem Thema nicht um links oder rechts. Wenn der Kantonsrat bereit ist, die Frage grundsätzlich und fernab der Tagespolitik zu diskutieren, sehe ich die Chancen intakt.
Und falls Sie im Parlament nicht weiterkommen, lancieren Sie eine Volksinitiative?
So weit habe ich mir noch keine Gedanken gemacht. Wichtig ist mir in einem ersten Schritt, dass wir über das Thema diskutieren. Die Demokratie ist im Wandel. Es ist nicht einfach alles gut, weil es so ist, wie es schon immer war.