Mit einer frühen Führung und mit Henriksen-Fussball besiegt der FCZ den Leader. Die Young Boys können den Abwärtstrend nicht aufhalten, der Trainer Raphael Wicky wirkt ratlos.
Die Hände in den Taschen vergraben, stumm und ausdruckslos stehen Steve von Bergen und Christoph Spycher auf der Tribüne im Letzigrund. Der YB-Sportchef und der Direktor sehen, wie der FCZ-Präsident Ancillo Canepa von seinem Sportchef Milos Malenovic in grenzenloser Euphorie umarmt und geherzt wird. Der FCZ hat gerade 1:0 gewonnen, nach 11 Sekunden erzielte Ifeanyi Mathew das einzige Tor, YB konnte danach nicht mehr reagieren.
Nach dem Ausscheiden im Cup und der Heimniederlage gegen Servette kassierte die Mannschaft von Trainer Raphael Wicky die dritte Niederlage in Folge und ist nun vor dem Match gegen den FC Basel nur noch mit einem Punkt Vorsprung Tabellenleader. Aus dem Supertanker YB ist eine wacklige Barkasse geworden, die in unsicheren Gewässern schippert. Unsicher ist auch, wie es mit Wicky weitergehen soll. «In den nächsten Tagen oder Wochen werden wir Klarheit schaffen», sagte von Bergen vor dem Match.
Er könne sich die Verunsicherung auch nicht erklären, sagte Wicky, «aber sie ist nun mal da». Immerhin suchte er keine Ausreden, sondern sprach von einer schwierigen Phase, in der nur «Arbeiten und Zusammenstehen» weiterhelfen würden. «Ich weiss, das klingt nach Floskeln, aber ich kann im Moment nicht mehr sagen – es gilt weiterhin: Wir wollen Meister werden», sagt der YB-Coach.
Ganvoula und das YB-Pech
Der FC Zürich war auf einen Gegner getroffen, dem nach dem Rückstand nach wenigen Sekunden nichts einfiel, um der Abwärtsspirale zu entfliehen. Das lag auch am FC Zürich, der Kraft und Zuversicht schöpfte aus Mathews Treffer, der die Mitspieler wie ein Stromstoss durchfuhr: Der Mittelfeldspieler traf nach beherztem Vorpreschen, nachdem YB-Verteidiger Saidy Janko den ersten hohen Ball in die Mitte statt zur Seite geköpft hatte.
Der FCZ hatte in der Folge auch das Glück auf seiner Seite, als etwa der YB-Stürmer Silvere Ganvoula nur 70 Sekunden nach dem Rückstand lediglich den Pfosten traf. Aber der FCZ hatte mehr Herz und Kampfkraft als der Gegner. Auch in der Schlussphase, als YB den Ausgleich mit der Brechstange erzwingen wollte, blieb der FCZ stabil und sicher.
90. Sieg gegen den Leader! Damit übernehmen wir in der CSSL-Tabelle Platz 3️⃣.
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— FC Zürich (@fc_zuerich) March 3, 2024
Das lag vor allem daran, dass sich der FCZ in der Vorbereitung für den Match wieder einmal an früher erinnert hatte. Also an die Zeiten im Spätsommer und Herbst, als der Trainer noch Bo Henriksen hiess und ein Fussballmatch das Ziel hatte, zu gewinnen. Eigentlich ist das selbstverständlich, aber in den letzten Wochen hatte es im FCZ immer wieder geheissen, dass es nun um anderes gehe: Junge Spieler entwickeln, Dominanz an den Tag legen, hoch pressen. Solche Dinge.
Der FCZ erinnert sich an ein altes Matchblatt
Das funktionierte schlecht. Zu viele unerfahrene Spieler, zu viele System-Umstellungen und nachlassender Henriksen-Positivismus trugen die Mannschaft aus der Spur. Die Tore blieben aus, dann die Punkte, es folgte das Ausscheiden gegen Winterthur im Cup. Also liess der FCZ die jungen Spieler die jungen Spieler, die neue Philosophie die neue Philosophie sein und kramte ein altes Matchblatt aus dem Archiv: Das Matchblatt vom 25. November, 3:1 gegen YB.
Vor gut drei Monaten hatte der FCZ die Young Boys mit diesem Resultat besiegt und war Leader. «Vielleicht war es das beste Spiel, seit ich hier bin», sagte damals der FCZ-Coach Bo Henriksen. Ein frühes Tor von Jonathan Okita hatte dem FCZ in die Karten gespielt, danach wehrte sich die Mannschaft im bewährten 3-4-3-System mit abwartendem Konterfussball clever gegen die YB-Übermacht.
Es war ein Match zum Einrahmen für die Lehrstunde, wie das individuell schwächere das überlegene Team besiegen kann: Mit einem Plan, mit Unnachgiebigkeit, mit Zusammenhalt, angeführt von den erfahrenen Spielern. Daran orientierte sich der FCZ vor dem Match gegen YB.
Vor allem im zentralen Mittelfeld war das offensichtlich, wo der FCZ mit Mathew, dem besten Spieler auf dem Platz, und Cheik Conde fast jeden Zweikampf oder zweiten Ball gewann. Das verhinderte, dass YB sein Kombinationsspiel aufziehen konnte und immer wieder Eigenfehler beging, die es vom Team in den letzten Jahren nur selten in dieser Häufigkeit zu sehen gab. Calixte Ligue, Armstrong Oko-Flex oder Nevio Di Giusto fehlten in der Startaufstellung.
Auch die FCZ-Spielweise erinnerte an den erfolgreichen Henriksen-Fussball: Abwarten, lauern, schnell nach vorne spielen. Hätten Jonathan Okita und Antonio Marchesano den einen und anderen Konter mit etwas mehr Umsicht zu Ende gespielt, hätte der FCZ zwei oder drei Tore mehr schiessen und nicht bis zum Schlusspfiff auf die Erlösung hoffen müssen.