Der FC Zürich zeigt beim 1:2 gegen den Stadtrivalen GC erneut eine schlechte zweite Halbzeit und bestätigt den Abwärtstrend.
Als die Schiedsrichterin Esther Staubli das 284. Zürcher Derby abpfiff, wandte sich der GC-Trainer Bruno Berner gegen die Haupttribüne und jubelte, als wäre er noch immer ein GC-Spieler wie vor 25 Jahren – leidenschaftlich, emotional, erleichtert. Beim Siegtreffer in der Nachspielzeit hatte er das Klub-Logo geküsst. «Mir ist einfach das Herz aufgegangen», sagte Berner nach dem Spiel zufrieden, «ich weiss, was ein Derbysieg bedeutet.»
Berners Jubel dürfte auch in den Logen im Letzigrund angekommen sein, wo John Thorrington das Spiel verfolgt hat. Der General Manager des Los Angeles FC (LAFC) ist am Sonntag aus Kalifornien nach Zürich geflogen, um das Team im zweiten Spiel live zu besichtigen, seit die Grasshoppers dem LAFC gehören. Am Ende eines Matches, der in der Verlängerung durch den Treffer des eingewechselten Pascal Schürpf für GC entschieden worden ist, dürfte Thorrington zufrieden gewesen sein mit der Darbietung der Grasshoppers.
Ein Spiel, zwei Halbzeiten
In der Halbzeitpause hatte es noch ganz anders ausgesehen. GC musste sich beim Torhüter Justin Hammel bedanken, dass die Gastgeber dank dem prächtigen Treffer von Bledian Krasniqi nur 0:1 zurücklagen – GC rannte ständig dem Ball hinterher, hatte keinen Zugriff auf das Spiel und wirkte so harmlos wie ein Juniorenteam, das gegen Erwachsene spielt. Gerade einmal 23,5 Jahre betrug der Altersdurchschnitt der GC-Startaufstellung (FCZ: 27 Jahre). Der verletzte Tsiy Ndenge, bester GC-Spieler und -Torschütze im Herbst, fehlte im Mittelfeld an allen Ecken und Enden, der Angriff war inexistent. Kurz: Der FCZ konnte nach Belieben schalten und walten.
So war es der FCZ, der nach der Pause den Gegner ins Spiel kommen liess, indem die Mannschaft des gesperrten Trainers Bo Henriksen wie schon vor einer Woche gegen den FC Basel einfach den Betrieb einstellte. Auch dem FCZ fehlte mit dem Stürmer Jonathan Okita der beste Skorer, aber auch für Henriksens Stellvertreter Murat Ural war es unerklärlich, wie seine Mannschaft das Heft aus der Hand gab. Ural sprach von «fehlenden Grundtugenden wie Kampf- und Laufbereitschaft», aber man müsse das krasse Nachlassen «zuerst analysieren».
Vielleicht hilft dem FCZ die Bilanz der letzten fünf Spiele, um zu erkennen, dass es abwärtsgeht: Zwei von fünfzehn möglichen Punkten hat er noch gewonnen. Vielleicht kommt die FCZ-Führung um Sportchef Milos Malenovic und Präsident Ancillo Canepa auf die Idee, dass vielleicht ein Zusammenhang besteht mit der nach wie vor offenen Frage, wie es mit dem Cheftrainer Henriksen weitergehen soll. Klar ist nur: Geht es so weiter, rückt der 7. Tabellenplatz immer näher.
GC: Verstärkung aus der Bundesliga?
Zu denken geben müsste der FCZ-Führung nach dem Derby, dass die Mannschaft neben nachlassender Energie auch mit der taktischen Massnahme Berners nicht umzugehen wusste, auf 4-4-2 umzustellen in der Pause. Das FCZ-Flügelspiel blieb harmlos, ausser in einer Situation, in der Daniel Afriye im Offside an Hammel scheiterte, war nichts mehr zu sehen vom FCZ.
Den Ausgleich für GC erzielte der eingewechselte Dorian Babunski, im Zentrum völlige alleingelassen, nachdem sich der sonst so sichere Nikola Katic von Francis Momoh hatte übertölpeln lassen. Vor allem aber war es der ebenfalls eingewechselte Siegtorschütze Pascal Schürpf, der mit geradlinigem Spiel zeigte, dass ein 34-Jähriger der GC-Jugend viel bringen kann – Routine und Erfahrung, die einen Aussetzer von einem jungen FCZ-Verteidiger wie Bledian Krasniqi auch ganz am Ende eines Spiels auszunützen weiss. Offenbar soll demnächst noch mehr Erfahrung den Grasshoppers weiterhelfen. Deutsche Medien berichten von einer möglichen Ausleihe des 32-jährigen Stürmers Sebastian Polter von Schalke 04. Polter spielte unter anderem bei Union Berlin, Bochum, Mainz und den Queens Park Rangers.
Dem FCZ bietet sich am Mittwoch vor der gesperrten Südkurve Lausanne Gelegenheit zur Korrektur, am Sonntag ist auswärts Yverdon der Gegner. GC will den Schwung aus dem Derbysieg nach Lugano mitnehmen, danach gastiert der FC Winterthur im Letzigrund.