Die Galerien des Metropolitan Museum of Art in New York bekommen mehr Luft, Licht und Raum. Ein Viertel wird bis 2030 umgebaut. Mit der jetzigen Eröffnung des Flügels für Kunst aus Afrika, Ozeanien und den alten Amerika ist eine wichtige Etappe geschafft.
Nirgends verirrt man sich schöner als im Metropolitan Museum of Art, dem flächenmässig grössten Kunstmuseum Amerikas – und dem drittgrössten der Welt. Jahrhunderte und Kontinente ziehen an einem vorbei. Pharaonischer Tempel, mittelalterliche Kapelle, chinesischer Hofgarten. Mumien, Marmorstatuen, Ritterrüstungen. Impressionisten, Expressionisten, Surrealisten. Tausende von Eindrücken.
Nun entwickelt sich das Museumslabyrinth am Central Park weiter, wird angeblich noch grösser, noch besser. Seit 2018 wird ein Viertel des Gebäudes erneuert, Flügel um Flügel. Es begann mit der europäischen Kunst, geht nun weiter mit Ozeanien, Afrika und dem präkolumbianischen Amerika, 2027 sollten die Galerien für altorientalische und zypriotische Kunst fertig renoviert sein.
Der Museumseingang wird ebenfalls umgestaltet, es wird mehr Terrassen geben, und zu guter Letzt soll ab 2030 die moderne und zeitgenössische Kunst 50 Prozent mehr Ausstellungsfläche erhalten – und zwar in Galerien mit Ausblicken auf den Park. Dieser vorerst letzte gänzlich neue Flügel wird von der Mexikanerin Frida Escobedo entworfen. Bezahlt wird das alles grösstenteils aus privaten Geldern von Stiftungen und Mäzenen.
Lippen-Piercings aus Gold
Dabei darf und will das Met, wie es in New York schlicht genannt wird, weder weiter in den Park noch in den Himmel dringen; vielmehr wird dank einer geschickten Umstrukturierung mehr Platz für Galerien geschaffen – Depots etwa werden ausgelagert. Es gehe nicht in erster Linie darum, «unglaublich stark weiterzuwachsen», betont der österreichische Direktor Max Hollein im persönlichen Gespräch.
Das Ziel sei vielmehr «die bestmögliche Präsentation» der Objekte: «Unser Verständnis der Sammlungen darf keine Zeitkapsel sein, es entwickelt sich weiter. Das Met investiert viel in die fortwährende Erneuerung der Galerien, nicht nur technisch, auch intellektuell bei der Präsentation.»
Wächterfigur Okak-Fang, Ende 19. Jh./frühes 20. Jh., Holz, Metall; Königliches Paar, Thron, Bamileke, vor 1900, Holz, Glasperlen, Stoff.
Die Frage, ob denn das insgesamt zwei Milliarden kostende Umbauprojekt wirklich nötig sei im ohnehin überwältigenden Kunsttempel, schlägt schnell in den Wind, wer jenen Flügel betritt, dessen Neueröffnung nun Ende Mai gefeiert wurde: den Michael C. Rockefeller Wing für Kunst aus Afrika, Ozeanien und den alten Amerika. Der thailändische Architekt Kulapat Yantrasast hat dafür hohe Räume entworfen, deren Decken an einen Schiffsrumpf erinnern.
Wo früher Jalousien die Räume verdunkeln mussten, um die Objekte vor UV-Strahlen zu schützen, darf dank neuen Technologien nun Tageslicht durch die Glasfassade hinein scheinen. Wo zuvor zahlreiche Stellwände waren, kann ein grosser Teil der Objekte in frei im Raum stehenden Glaskästen von allen Seiten angeschaut werden. So viel Licht und Luft lassen die Schönheit der Gegenstände neu zum Vorschein treten. Es sind zurzeit mehr als 1800 Objekte aus fünf Kontinenten und Hunderten von Kulturen, zahlreiche sind erst in den letzten Jahren neu hinzugekommen.
Es gibt einige Höhepunkte: die prachtvolle, sechzehn mal sieben Meter grosse Decke aus über 100 individuell bemalten Holztafeln, die hoch oben im zentralen Ausstellungsraum Ozeaniens gleichsam schwebt. Oder die bis zu sechs Meter hohen zeremoniellen Pfähle aus Papua-Neuguinea, die nun nicht mehr in einer geraden Linie, sondern in einem Halbkreis angeordnet sind.
Auch besonders lichtempfindliche Kunst konnte nun aus dem Lager geholt werden: Erstmals sind bis zu 2000 Jahre alte Textilien aus den Anden in einer eigens dafür konzipierten Galerie zu sehen. Und von Fröschen als Amulett bis zu Lippen-Piercings: Hunderte von Goldobjekten bilden im südamerikanischen Teil gemäss der Kuratorin Joanne Pillsbury «die beste umfassende Kollektion altamerikanischer Goldkunst in den USA».
Kunst der Inka, Textil, 1400-1535; Schlange, Gold, 1325-1521, Mexiko.
Pädagogisch wertvoll
Ausdrucksstarke Figuren, die antik und zeitgemäss zugleich wirken, dazu so ewig menschlich im Ausdruck ihrer Freude und ihrer Ängste, bringen einem diese Kulturen besonders nahe. Gerade in Ozeanien wirken viele Werke nicht nur sehr modern, sie sind es auch: Ein Grossteil stammt aus den fünfziger Jahren. Michael Rockefeller, Spross der gleichnamigen Dynastie, hat sie 1961 auf seinen Reisen ins heutige Papua (Indonesien) erworben.
Im selben Jahr verschwand der erst 23-jährige Sammler beim Versuch, von einem gekenterten Boot an Land zu schwimmen – wahrscheinlich ist er ertrunken. Sein Vater, der ehemalige Vizepräsident Nelson Rockefeller, finanzierte den ursprünglichen Rockefeller-Flügel, um die Werke angemessen zu präsentieren. Das war bei der Ersteröffnung 1982 eine Sensation: Erstmals wurde nichtwestliche Kunst auf Augenhöhe mit europäischer und amerikanischer Kunst präsentiert.
Dass die ozeanischen Objekte im selben Flügel wie die afrikanischen und altamerikanischen Werke ausgestellt werden, ergibt aus heutiger Sicht noch weniger Sinn als damals. Ozeanien allein umfasst einen Drittel der Erdoberfläche – auch etwas, was einem diese Ausstellung bewusst macht. Insgesamt sind hier Hunderte von weit auseinanderliegenden Kulturen beisammen. Doch so wurde es nun einmal im damaligen Schenkungsvertrag vereinbart, wie Hollein erklärt. Der neue Flügel halte immerhin mit klugen Raumunterteilungen Ozeanien, Afrika und das alte Amerika auseinander.
Und es wird nicht mehr zusammenfassend von «primitiver Kunst» gesprochen. Zur verstärkten Individualität passen zudem die vielen neuen Informationen zu einzelnen Künstlern. «Wir versuchen, diesen Objekten ihre Autorschaft wieder klarer zurückzugeben», sagt Max Hollein.
Ozeanische Kunst: Trommel, Mitte 20. Jahrhundert, Holz, Eidechsenhaut, Bienenwachs, Plamenblätter, Farbe; Körpermaske, Mitte 20. Jahrhundert, Holz, Bambus, Palmenblätter und andere Materialien.
Bei aller Diversität, die nun aus Respekt für die verschiedenen Kulturen stärker betont wird, wünscht sich der Direktor zugleich, dass sein Museum «tiefe Verbindungen und Gemeinsamkeiten» schaffe. «Dieses Museum ist ein Ort, der die Kulturen der Welt erklärt und feiert, und ein Ort der Zusammenkunft.» In fast allen Ländern grassiere derzeit ein verstärkter Nationalismus, doch, wie Hollein betont, das Met definiere sich gerade nicht über Grenzen.
«Das Met steht ganz am anderen Ende dieses Spektrums: Wir sind ein Museum über die Welt, von der Welt, in der Welt. In diese Richtung wollen wir das Haus weiter vorantreiben.» Das zeige sich in der enormen Breite der Sammlung ebenso wie bei den Kuratorinnen und Kuratoren aus 60 Ländern sowie den Besuchern von fast überall her.
Mit den Umbauten wollen die Kuratoren die Wechselwirkungen zwischen den Kulturen und Epochen sichtbarer machen. Zwischen den Flügeln haben sie neue Übergangsbereiche geschaffen mit Objekten, welche die jeweiligen Kulturen verbinden: Auf dem Weg vom modernen zum Rockefeller-Flügel etwa sind afrikanische Masken der Ganha ausgestellt, die Künstler wie Picasso inspiriert haben. Videos und Fotografien helfen zusätzlich, die Gegenstände in gegenwärtigen Kontext zu setzen.
Sich im Met zu verirren, wird also bald noch schöner, ja pädagogisch wertvoll. Das sei sogar Teil der Idee des Museums, sagt Max Hollein: «Die Möglichkeit, von einem Interessengebiet plötzlich in etwas anderes zu kommen und da neue Erlebnisse zu haben, etwas zu lernen, etwas zu sehen, etwas zu erfahren, das ist wünschenswert.» Derweil sammelt das Met fleissig weiter: auf allen Gebieten, in allen Epochen. Über 1,5 Millionen Objekte besitzt es bereits. Doch solange es das bald 155-jährige Haus gibt, wird es nicht aufhören, zu wachsen und sich zu entwickeln.