Mitten im Kampf um den Aufstieg in die Bundesliga entlässt der Klub einen bisher erfolgreichen Coach. Wird überzogener Ehrgeiz dem Verein zum Verhängnis? Es wäre nicht das erste Mal.
In Kaiserslautern gehen manche Dinge schnell voran. Wer die Stadt mit dem Zug erreicht, ist zu Fuss in rund zehn Minuten auf dem Betzenberg, vor dem legendären Fritz-Walter-Stadion. Von dort aus lässt sich ein atemberaubender Blick über die Stadt und die Pfalz geniessen. Und schnell entfalten die heimischen Fussballfans an Spieltagen auch ihre Choreografie, die jedes Mal anders aussieht.
Vor ein paar Wochen war der Traditionsklub aus Kaiserslautern für einige Tage wieder in den Schlagzeilen, weltweit sogar. Weil die Anhänger im Verdacht standen, sie feierten eine schwarze Messe auf den Rängen. Zu einem gigantischen Pentagramm stellten die Fans einen lateinischen Satz, dessen Übersetzung lautet: «Erhöre uns, Luzifer, und erhebe dich aus dem Abgrund, nimm unsere Seelen an.» Und dann erhob er sich, der Leibhaftige, als riesiges Transparent, getragen von Hunderten Anhängern.
Der Klub entlässt überraschend den Trainer
Eine perfekte Vorlage für Missverständnisse, hervorgerufen durch eine ziemlich verquere Weise, an die Tradition des Klubs anzuknüpfen: «Rote Teufel» werden die Lauterer seit Generationen genannt. Und doch hat die Choreografie im Rückblick etwas für sich: In den letzten Tagen konnte man tatsächlich den Eindruck gewinnen, die Pfälzer seien mal wieder von bösen Geistern besessen.
Am Dienstag entliess der Klub den Trainer Markus Anfang. Mit ihm hatte das Team jüngst vier Spiele nacheinander verloren und war vom dritten Rang auf den siebenten zurückgefallen. Zwar ist der Aufstieg nicht nur theoretisch, sondern auch praktisch immer noch möglich, doch das spielte offenbar keine Rolle bei der Entscheidung der Klubverantwortlichen. Wer Anfang in den Wochen zuvor erlebte, der sah einen besonnenen Trainer: Nach der Niederlage gegen den 1. FC Nürnberg in der Woche vor Ostern nahm er sich viel Zeit, um mit den anwesenden Journalisten die Erwartungen in der Pfalz an den Klub zu diskutieren.
An den Aufstieg, gab Anfang zu bedenken, habe zu Beginn der Saison niemand geglaubt, den meisten sei es nur darum gegangen, eine anständige Saison zu absolvieren. Tatsächlich hatte der Kölner die Erwartungen weit übertroffen. Aber die mögliche Rückkehr in die erste Bundesliga schien manche zu ehrgeizig werden zu lassen – allen voran den Investor Axel Kemmler, der sich von der sportlichen Leitung um den Manager Thomas Hengen mehr Mut zum Risiko wünschte: «Das Ziel ist die Bundesliga, ob dieses Jahr oder in ein, zwei Jahren», sagte Kemmler der Zeitung «Rheinpfalz». «Aber eigentlich musst du dir jetzt ganz klar das Ziel setzen, in dieser Saison unter die ersten drei zu kommen.»
Hengen, der Geschäftsführer der Lauterer, arbeitet seit 2020 für den Klub, der nur der FCK genannt wird. Man kann nicht sagen, dass er keinen Erfolg hatte, denn als der ehemalige Lauterer den Job übernahm, war der Verein in einem erbärmlichen Zustand, er spielte vor Saisons in der dritten Liga, selbst ein Absturz in die vierte war möglich. Eine Insolvenz in Eigenverantwortung war nötig, um Lautern wieder handlungsfähig zu machen.
Kaiserslautern ist ein Klub mit vielen Einzigartigkeiten
Was sich allerdings ebenfalls zeigte: Hengen tendiert dazu, Krisen über Entlassungen zu lösen, auch wenn die Phase der Verstimmung, nach der Entlassung Anfangs, noch sehr jung ist. Dabei könnte es durchaus sein, dass ein Aufstieg in diesem Jahr viel zu früh käme. Erstliga-tauglich wirkt Kaiserslautern zurzeit jedenfalls nicht.
Der Wille, die Gelegenheit zu ergreifen, ist aber verständlich. Schliesslich ist Kaiserslautern nicht irgendein Klub, sondern immerhin derjenige des legendären Fritz Walter, Captain der 1954er Weltmeistermannschaft. Kaiserslautern – gerade gross genug, um sich Grossstadt zu nennen, aber weit davon entfernt, eine Metropole zu sein – hat nichts mehr geprägt als das Image der «Roten Teufel», die jedem Gastteam eine garstige Zeit bereiteten.
Ein sonderbarer Klub im tiefsten Westen, ein Biotop mit lauter Einzigartigkeiten: Nirgendwo in der Bundesliga sind Fussball und Stadt so eng miteinander verschmolzen. Wer spätabends von der Stadt auf den Betzenberg blickt, der hat beinahe die Illusion, das Stadion schmiege sich an einen Hochhausblock. Die bunten Fensterfronten lassen es fast wie eine Kathedrale während der Abendmesse wirken.
Wundersame Dinge gingen hier, wo insgesamt vier deutsche Meisterschaften gewonnen wurden, immer wieder vor sich. 1996 stieg Kaiserslautern aus der Bundesliga ab, unter Otto Rehhagel gelang der sofortige Wiederaufstieg – und direkt danach der Gewinn der Meisterschaft.
Was für eine Schrittfolge innert drei Spielzeiten: Absteiger, Aufsteiger, Meister. Doch die Hausse verstellte damals den Blick für die Möglichkeiten. «Wir wollen dauerhaft mit dem FC Bayern auf Augenhöhe sein» – so formulierte der Vorstand Jürgen Friedrich das Ziel. Dabei liess er allerdings das schwache Potenzial der Stadt ausser acht, die in den letzten Jahren von einer sozialdemokratischen Hochburg zum Brückenkopf der AfD geworden ist. Geld? Zur Not eben auf Pump.
So bekam der Trainer Rehhagel nicht nur seinen Favoriten Ciriaco Sforza von Inter, sondern auch seinen Protégé Mario Basler. Dessen Handgeld betrug fünf Millionen Mark, angeblich ein Darlehen. Um Spielort für die Weltmeisterschaft 2006 zu werden, musste das Stadion ausgebaut werden – zu hohen Kosten.
Der FCK bleibt ein erratischer Klub
Unter Friedrich verschuldeten sich die Lauterer tüchtig. Immerhin kam der Weltmeister Youri Djorkaeff in die Pfalz, und obwohl er eine gute Saison spielte, bereuten sie das teure Engagement später bitter. Der Schweizer René Jäggi, ehemals beim FC Basel und ehemaliger Adidas-Chef, trat an, um Lautern zu sanieren. Um die Zahlungsunfähigkeit abzuwenden, veräusserte er das Stadion an die Stadt, die Lauterer wurden Mieter im eigenen Haus. Dass der Klub möglicherweise wieder absteigen würde, spielte in den Kalkulationen Jäggis offenbar keine Rolle.
Erratisch ist Lautern bis heute geblieben. Solidität, Vernunft, Geduld: Das sind Tugenden, die in Kaiserslautern schnell in Vergessenheit geraten. Am Mittwoch präsentierte der Klub den neuen Trainer: Torsten Lieberknecht, einen alten Bekannten. Es ist bereits der sechste Trainer innerhalb von zwei Spielzeiten, den der Manager Hengen engagiert.