Die Taktik des Mitte-links-Lagers geht nicht auf: In der Finanzkommission des Nationalrats ist der Vorstoss zur Umgehung der Schuldenbremse in letzter Minute zurückgezogen worden.
Darf man, darf man nicht? Im Bundeshaus kursiert die umstrittene Idee, 15 Milliarden Franken für die Schweizer Armee und für die Ukraine an der Schuldenbremse vorbeizuschleusen. Politisch mag das angesichts der schlechten Finanzlage bequem sein, rechtlich aber ist die Umgehung der Schuldenbremse nicht erlaubt: Das sagt die Finanzverwaltung, das sagt das Bundesamt für Justiz, und das sagt auch der Bundesrat.
Die Sicherheitskommission des Ständerats zeigte sich davon jedoch unbeeindruckt. Ende April hat sie den Armee-Ukraine-Deal, den manche als Kuhhandel bezeichnen, mit einem Vorstoss offiziell lanciert. Er sieht vor, dass die Gelder für die beiden unterschiedlichen Zwecke entgegen dem Prinzip der Einheit der Materie in ein und derselben Vorlage miteinander verknüpft werden. Das Vehikel wäre ein gemeinsamer Fonds, der 10 Milliarden an die Armee auszahlt und 5 Milliarden für die Unterstützung der Ukraine.
Hinter diesem Plan steht eine Mitte-links-Mehrheit, SVP und FDP sind dagegen. Der Ausgang im Parlament ist offen.
Mitte-Ständeräte sind skeptisch
Am Dienstag hätte der nächste Vorentscheid fallen sollen. Doch dazu kam es nicht. In der Finanzkommission des Nationalrats lag zwar schon seit Ende März ein Vorstoss auf dem Tisch, der dasselbe Ziel verfolgt. Dass der Vorschlag parallel in beiden Parlamentskammern lanciert wird, sollte ein starkes Zeichen sein und das Tempo erhöhen. So war es im Drehbuch von Mitte-links vorgesehen. Dann aber ist der Vorstoss am Dienstag nach längerer Diskussion im Verlauf der Sitzung zurückgezogen worden. Dies hat die Kommissionspräsidentin Sarah Wyss (SP) im Nachgang vor den Medien bekanntgegeben.
Damit ist nun allein der Ständerat am Zug. Zurzeit ist vorgesehen, dass er Anfang Juni über die Armeebotschaft 2024 entscheidet und unmittelbar danach über den Vorstoss für den 15-Milliarden-Deal. Aus heutiger Sicht erscheint es nicht realistisch, dass der Vorschlag eine Mehrheit finden wird.
Mehrere Ständeräte der Mitte-Partei sind bereits öffentlich auf Distanz gegangen, weil sie nicht bereit sind, die Vorgaben der Schuldenbremse zu ritzen. Mit Widerstand ist auch von armeekritischen Kreisen im linken Lager zu rechnen. Nach dem Rückzug in der Finanzkommission ist nun zumindest die Ausgangslage sehr klar: Falls der Vorstoss im Ständerat scheitert, ist das Thema vom Tisch.
Wie bei Corona
Der Deal sieht vor, dass die 15 Milliarden Franken als ausserordentliche Ausgaben verbucht werden. Mit diesem Kniff lässt sich die Schuldenbremse aushebeln: Das Parlament kann die Gelder budgetieren, ohne sie mit Einsparungen in anderen Bereichen oder mit höheren Einnahmen kompensieren zu müssen. Dieses Vorgehen ist aber nur in aussergewöhnlichen Notlagen erlaubt, wenn der Bund schnell reagieren muss wie etwa in der Coronakrise.
Im Fall der Armee und der Ukraine aber kann der Bund trotz Schuldenbremse im ordentlichen Verfahren entscheiden, wann er wie viel Geld er dafür einsetzt. Deshalb ist laut den Juristen des Bundes klar, dass die Ausnahmeklausel nicht zum Zug kommen darf. Die neuen Schulden, die bei einem solchen Vorgehen entstünden, müssten mittelfristig wieder abgebaut werden – wie das gehen soll, ist jedoch schleierhaft. Der Bund bekundet bereits Mühe damit, die Corona-Schulden abzubauen.
Hilfe für Ukraine kompensieren oder nicht?
Allerdings bleiben die Probleme bei einem Nein zum Armee-Ukraine-Fonds ungelöst. Im Fall der Armee dreht sich der Streit um die Frage, wie rasch und stark ihre Budgets bis 2030 erhöht werden sollen. Der zurzeit gültige Finanzplan von Bundesrat und Parlament sieht vor, das jährliche Budget für die Landesverteidigung von heute 5,7 auf 7,8 Milliarden Franken 2030 zu erhöhen.
Aus der Sicht von SVP, FDP und einem Teil der Mitte – sowie der Armee selbst – genügt dies nicht. Sie verlangen per 2030 eine Erhöhung auf etwa 9,5 Milliarden. Die Differenz zwischen den beiden Varianten entspricht kumuliert über die Jahre bis 2030 just den 10 Milliarden Franken, die nun Teil des Mitte-links-Deals sind. Pro Jahr ergibt dies eine Summe von 1,7 Milliarden pro Jahr.
Bei der Hilfe für die Ukraine geht es um deutlich weniger Geld. Zurzeit stehen Hilfszahlungen von 5 Milliarden bis 2036 zur Debatte – das wären rund 415 Millionen pro Jahr. Umstritten ist jedoch nicht nur die Höhe des Beitrags, sondern fast noch mehr dessen Finanzierung. Der Bundesrat will zumindest einen Teil der Unterstützung für das kriegsversehrte Land innerhalb des übrigen Budgets für Entwicklungszusammenarbeit kompensieren, was zulasten von Projekten in anderen Ländern und Weltregionen ginge. Die Linke und ein Teil der Mitte lehnen dies ab.