Eine Mitte-links-Allianz wollte zusätzliche Ausgaben für die Armee und die Ukraine an der Schuldenbremse vorbeifinanzieren. Sie ist im Ständerat klar gescheitert. Die Probleme bleiben ungelöst.
Was ein Befreiungsschlag sein sollte, gerät zum Schlag ins Wasser. Der spektakuläre 15-Milliarden-Plan, den Ständerätinnen der Mitte-Partei und der SP Ende April aus dem Hut gezaubert hatten, ist am Montagabend gescheitert. Der Vorschlag sah einen neuen Fonds vor, über den der Bund in den nächsten Jahren 10 Milliarden Franken für die Armee sowie 5 Milliarden für die Unterstützung der Ukraine aufbringen sollte. Diese Ausgaben sollten als ausserordentlicher Aufwand deklariert und somit an der Schuldenbremse vorbeigeschleust werden.
Der Ständerat hat diesen Plan mit 28 zu 15 Stimmen bei 2 Enthaltungen abgelehnt. Dagegen stimmten die Vertreter von FDP und SVP, SP und Grüne unterstützten den Vorstoss, die Mitte war gespalten (9 Nein- gegen 6 Ja-Stimmen). Damit ist die Idee vom Tisch, weil im Nationalrat entgegen früheren Plänen kein gleichlautender Vorstoss eingereicht worden ist.
Eine anspruchsvolle Rolle sah das parlamentarische Drehbuch für die Verteidigungsministerin Viola Amherd vor. Sie musste sich in der Debatte im Namen des Bundesrats gegen den Vorstoss aussprechen, obwohl sie das Anliegen laut Eingeweihten unterstützt. Sie hielt sich ausgesprochen kurz. «Gemäss Bundesrat», sagte Amherd, seien die Voraussetzungen für eine ausserordentliche Finanzierung nicht erfüllt. Sie betonte, man suche weiterhin nach Lösungen, denn die Sicherheitslage habe sich in den letzten Monaten noch einmal nachhaltig verschlechtert. Es sei essenziell, dass die Armee die notwendigen Investitionen tätigen könne.
Andrea Gmür und die Erbsenzähler
Die Urheberinnen des Vorstosses kämpften leidenschaftlich bis angriffig für ihre Idee. Vor allem Marianne Binder und Andrea Gmür von der Mitte sowie Franziska Roth von der SP versuchten, die Skeptiker zu überzeugen. Insbesondere argumentierten sie, mit dem Krieg in der Ukraine befinde sich auch die Schweiz in einer aussergewöhnlichen Situation. Weil dieser Konflikt nicht steuerbar sei, sei es gesetzlich gerechtfertigt, die Schuldenbremse zu lösen und die Milliarden ausserordentlich zu finanzieren.
Europa befinde sich im Krieg, sagte Binder. Ihre Kollegin Gmür prophezeite, wenn die Ukraine falle, werde als Nächstes Polen oder ein baltisches Land an der Reihe sein. Relativ heftig griff sie die bürgerlichen Ständeräte an, die den Vorstoss wegen finanzpolitischer Bedenken ablehnten: Ihnen unterstellte Gmür, sie würden die Buchhaltung höher gewichten als den Schutz der Bevölkerung. «Wann wird Erbsenzählen nicht mehr wichtiger sein als die Sicherheit von Land und Leuten?»
Das kam nicht gut an. Die Mitte-Ständeräte Beat Rieder und Benedikt Würth widersprachen ihren Parteikolleginnen und wehrten sich dagegen, die Armee und die Schuldenbremse gegeneinander auszuspielen. Man müsse Kompromisse finden, sagte Würth. Aber es müssten Kompromisse auf dem Boden der Verfassung sein.
Josef Dittli und der Dammbruch
Die meisten bürgerlichen Gegner des Vorstosses betonten, auch sie seien für eine stärkere Erhöhung des Armeebudgets. Diese müsse aber rechtlich korrekt finanziert werden: über Einsparungen in anderen Aufgabenbereichen des Bundes und notfalls über höhere Einnahmen. Der FDP-Ständerat Josef Dittli kündigte an, er werde dafür sorgen, dass das Parlament in der Budgetdebatte über konkrete Anträge entscheiden könne.
Hingegen warnte er davor, dass die Umgehung der Schuldenbremse einen Dammbruch bewirke: Wenn man damit anfange, würden bald alle Wünsche und Begehrlichkeiten ausserordentlich abgewickelt, die über den ordentlichen Haushalt nicht finanziert werden könnten. Der FDP-Ständerat Benjamin Mühlemann warf den Wortführerinnen des Mitte-links-Lagers vor, sie wollten mit einer Neuverschuldung den Weg des geringsten Widerstands gehen.
Der Vorstoss war nicht nur wegen des Zugriffs auf die Schuldenbremse umstritten, sondern auch wegen der Einheit der Materie. Er verknüpft mit der Landesverteidigung und der Hilfe für die Ukraine zwei Themen. Die Befürworter sahen darin kein Problem, weil aus ihrer Sicht beide Anliegen der Sicherheit dienten. Die Gegner liessen das nicht gelten. Bei einem Referendum seien alle Stimmberechtigten in einer Zwangslage, die das eine Anliegen unterstützten, das andere aber ablehnten.
20 oder 30 Milliarden?
Mit dem Entscheid des Ständerats ist zwar der 15-Milliarden-Deal erledigt, der Streit um das Armeebudget geht aber nahtlos weiter. Der gegenwärtige Finanzplan des Bundes sieht vor, die jährlichen Ausgaben für die Landesverteidigung von heute 5,7 auf 10,5 Milliarden Franken im Jahr 2035 zu erhöhen. Kumuliert erhält die Armee damit 20 Milliarden Franken mehr als vor dem Krieg in der Ukraine geplant. Dieses Wachstum ist zwar markant, aus Sicht von SVP, FDP und einem Teil der Mitte-Partei aber ungenügend. Sie verlangen eine raschere und stärkere Erhöhung um 30 Milliarden.