Steinhöfel hat Verfahren gegen Facebook und Youtube gewonnen. Sein Kernthema ist die Meinungsfreiheit im Internet. Im Gespräch erhebt er schwere Vorwürfe gegen Deutschlands Regierung und die Rechercheplattform Correctiv.
Herr Steinhöfel, früher hat man Sie als «Pitbull in Robe» bezeichnet. Ein Kompliment?
Ich finde das sehr schön formuliert.
Die Meinungsfreiheit ist Ihr Kernthema. War das schon immer so?
Ich wurde wütend über die Anmassungen, wie sie sich ab dem Jahr 2015, zeitlich parallel zur Flüchtlingskrise, in den sozialen Netzwerken abgespielt haben, also dass eindeutig zulässige Meinungsäusserungen massenhaft gelöscht wurden. Ich habe dann darüber nachgedacht, wie man dem Einhalt gebieten kann, auch, weil es in Juristenkreisen stets hiess, es gebe da keine Handhabe. Es hiess immer, Facebook und die anderen Plattformen hätten Hausrecht. Aber das ist dummes Zeug. Es war möglich, erfolgreich gegen die Plattformbetreiber vorzugehen, wenn sie die Meinungsfreiheit missachten und willkürlich löschen. Einer musste es nur tun.
Sie haben dafür bestimmt ein Beispiel.
Seit der Corona-Pandemie steht in den Geschäftsbedingungen von Youtube, verkürzt ausgedrückt, dass man sich zu Covid-19 nur so äussern darf, dass die Positionen nicht von denen der WHO oder des Paul-Ehrlich-Instituts abweichen. Der Staat hat also das letzte Wort darüber, was man hier sagen darf und was nicht. Das führt die Meinungsfreiheit ad absurdum. Es ist auch wissenschaftlich absurd, erst recht in einer Pandemie, wenn viele Fragen offen sind und sich der Staat wiederholt korrigiert hat und dann genau das vertrat, was vorher gelöscht oder verboten wurde.
Sie haben Youtube abgemahnt, weil dort der Kanal von #allesdichtmachen aus den Suchergebnissen entfernt wurde. Dabei handelte es sich um eine Aktion von Schauspielern, die auf die Folgen der Covid-Massnahmen hingewiesen haben. Haben Sie eine Ahnung, wer bei Youtube interveniert hatte?
Das ist unklar. Die deutsche Regierung könnte natürlich Interesse gehabt haben, gegen so eine Aktion von Prominenten vorzugehen. Damit will ich aber nicht behaupten, dass sie verantwortlich war. Nachdem ich eine Abmahnung verschickt hatte, war der Kanal schnell wieder in den Suchergebnissen zu finden.
Der Facebook-Gründer Mark Zuckerberg hat das Silicon Valley als «extrem linkslastigen Ort» bezeichnet. Wie stark ist der Zusammenhang zwischen dieser Beobachtung und den Dingen, die Sie beschreiben?
Bei den meisten Fällen von Löschungen, die mir auf den Tisch gekommen sind, ging es eher um bürgerlich-konservative Positionen und nur sehr selten um rot-grün-linksliberale.
«Um die Meinungsfreiheit in Deutschland steht es so schlecht wie schon lange nicht mehr», haben Sie der NZZ im Jahr 2018 gesagt. Wie hat sich die Situation seitdem verändert?
Sie hat sich deutlich verschlechtert, weil neben die Bevormundung durch die sozialen Netzwerke der gesellschaftliche und soziale Druck getreten ist, der freie, unbefangene Äusserungen mit häufig schwerwiegenden Konsequenzen ahndet. Besonders der deutsche Staat geht noch autoritärer gegen Kritiker vor als früher. Er schüttet zum Beispiel staatsaffine NGO mit Geld zu, die letztlich nichts anderes tun, als Meinungen, die nicht staatsaffin sind, zu delegitimieren oder in irgendeiner Weise unter Druck zu setzen. Dazu kommt der unvorstellbare Vorgang, dass die Bundesregierung gegen einen einzelnen Journalisten wegen eines Postings bei X vorgeht und ihm seine Meinung gerichtlich untersagen lassen wollte.
Sie waren in dieser Sache kürzlich vor dem Bundesverfassungsgericht erfolgreich. Können Sie kurz erklären, worum es dabei ging?
Der Journalist Julian Reichelt hatte einen Artikel kommentiert, der die Überschrift trug: «Bundesregierung zahlt Entwicklungshilfe an Afghanistan.» Er hat dann auf der Plattform X sinngemäss geschrieben, dass wir in einem Irrenhaus lebten, weil wir Entwicklungshilfe an die Taliban zahlten. Das Bundesentwicklungsministerium hat ihm darauf eine Abmahnung geschickt.
Wie ging es weiter?
Reichelt hat mich angerufen. Ich habe gedacht, das ist ja ein wunderbarer Fall, um die Bundesregierung blosszustellen. 53 Minuten später war unsere Klage beim Landgericht Hamburg eingereicht. Reichelts Aussage ist keine Tatsachenbehauptung, sondern eine Meinungsäusserung. Man muss dazu auch wissen, dass der Staat als Kläger, anders als wir Bürger, keine Grundrechte hat. Er hat keine Menschenwürde, keine Ehre, keine Meinungsfreiheit, weil er keine natürliche Person ist. Grundrechte sind Abwehrrechte des Bürgers gegen den Staat. Es ist also höchst ungewöhnlich, gerichtlich gegen einen Journalisten vorzugehen. Das hat auch das Verfassungsgericht so gesehen.
Ein Einzelfall?
Nein, das Innenministerium hat den Journalisten Henryk M. Broder in einem Bericht über Muslimfeindlichkeit diskreditiert, kam damit aber vor Gericht ebenfalls nicht durch. Gegen das Aussenministerium von Annalena Baerbock haben wir auch mit Erfolg geklagt, weil man sich geweigert hatte, Presseanfragen zu beantworten. Die Kulturstaatsministerin Claudia Roth und die Entwicklungshilfeministerin Svenja Schulze stehen aus dem gleichen Grund vor Gericht. Roths Mitarbeiter drücken Anrufe einfach weg und ignorieren Presseanfragen.
Um ein kleines Foto für Ihr Buch machen zu dürfen, haben Sie auch in eigener Sache das Bundesverfassungsgericht angerufen. War das nicht ein bisschen übertrieben?
Dass Sie mir als Journalist eine solche Frage stellen, macht mich etwas nachdenklich. Ich war bei einem Prozess vor dem Oberlandesgericht Celle und wollte die Richter fotografieren, was mir so lange untersagt wurde, bis ich das Verfassungsgericht eingeschaltet habe.
Warum wollten Sie die Richter fotografieren?
Um ein höchst ungewöhnliches Verfahren mit den verantwortlichen Richtern auch bildlich zu dokumentieren, ich war dort nicht nur als Anwalt, sondern auch als Journalist und Autor.
Sie wollen damit wirklich sagen, dass Sie während des Prozesses Anwalt sind, kurz davor und gleich danach aber Journalist?
Eine völlige Selbstverständlichkeit. Es gibt auch andere Anwälte, die journalistisch über ihre Prozesse schreiben, Rolf Bossi, Gerhard Strate und Ferdinand von Schirach zum Beispiel.
Joachim Steinhöfel
Joachim Steinhöfel, 61, ist Anwalt für Wettbewerbs- und Medienrecht. Im Jahr 2018 erwirkte er als erster Anwalt überhaupt ein Verbot gegen Facebook, den Beitrag eines Nutzers zu löschen. Er steht hinter dem Fonds Meinungsfreiheit im Netz, der von Zensur und Sperrungen Betroffene unterstützt. Steinhöfel lebt in Hamburg und Kapstadt.
Sie haben sich auch mit der Rechercheplattform Correctiv angelegt.
Erst kürzlich haben wir wieder ein Verfahren vor dem Oberlandesgericht Karlsruhe gewonnen. Correctiv macht sogenannte Faktenchecks und arbeitet dabei teilweise mit Facebook zusammen. Solche Faktenchecks auf diesen sozialen Plattformen können enorme Auswirkungen haben: Reichweite wird reduziert, man verliert eventuell sein Profil und so weiter. Diese Faktenchecks sind aber oft rechtswidrig. Es werden keine Fakten, sondern Meinungen gecheckt. Meinungen können aber nicht falsch sein. Der Jura-Professor Alexander Peukert hat zu Recht gesagt, dass wir uns darüber Klarheit verschaffen müssen, wer in einer freiheitlichen Gesellschaft entscheidet, was wahr und was unwahr ist. Ich möchte nicht, dass das Correctiv ist.
Warum nicht?
Weil es eine tendenziöse Organisation ist, die oft mangelhaft arbeitet. Allein der Name Correctiv ist ja schon höchst amüsant. Correctiv hat mit Faktenchecks mehrfach gegen Wettbewerbsrecht verstossen. Das Oberlandesgericht Karlsruhe stellte wiederholt eine nicht mehr hinzunehmende Herabsetzung der journalistischen Leistung anderer Publikationen durch die Faktenchecks fest. Das ist kein Einzelfall und darf nicht noch mit dem Privileg der Gemeinnützigkeit oder durch Steuergelder gefördert werden.
Wie schätzen Sie die Ausrichtung von Correctiv ein?
Vieles, was dort publiziert wird, richtet sich gegen bürgerlich-konservative Positionen. Auf mich wirken die Mitarbeiter wie Erfüllungsgehilfen der Regierung. Correctiv erhält Millionenzuschüsse vom deutschen Staat, und man beisst natürlich nicht die Hand, die einen füttert.
Correctiv finanziert sich auch über Spenden. In dem Zusammenhang erheben Sie in Ihrem Buch schwere Vorwürfe. Sie schreiben, Correctiv habe eine gewerbliche Tochtergesellschaft, die Kredite von der gemeinnützigen GmbH Correctiv erhalte. Es gehe insgesamt um rund 200 000 Euro.
Ja, das ist alles höchst fragwürdig und offensichtlich satzungswidrig.
Welche Konsequenzen könnte das haben?
Die Frage ist, ob solche Dinge mit der Gemeinnützigkeit vereinbar sind, die Correctiv finanzielle Vorteile bringt.
Sie arbeiten sich auch an der Regierung Merkel ab. Sie schreiben, durch das von der Merkel-Regierung beschlossene Netzwerkdurchsetzungsgesetz seien damals in sozialen Netzwerken wie Facebook und X legale Äusserungen zensiert worden, und zwar in Tausenden Fällen. Können Sie das belegen?
Es geht um Millionen Fälle.
Im Buch steht Tausende.
Ja, das ist wohl zu bescheiden formuliert. Tausende habe ich fast schon in meinem Büro auf dem Tisch. Wenn man das hochrechnet, kommt man auf eine gigantische Zahl. Die rechtswidrigen Löschungen gab es millionenfach, davon gehe ich aus. In der Pandemie wurde alles gelöscht, was in irgendeiner Weise nicht den staatlichen Verlautbarungen entsprach.
Das stimmt nicht, man konnte auch immer wieder stark abweichende Posts sehen.
Bei Youtube wurden selbst Videos gelöscht, die ganz normale Demonstrationen dokumentierten. Gegen Youtube wurden wegen Missachtung gerichtlicher Verbote Ordnungsgelder von bis zu 100 000 Euro verhängt.
Über die Zeit der Pandemie schreiben Sie: «Unwiderlegliche Beweise dafür, dass die Bundesregierung Einfluss auf die Löschungen und die Narrative nahm, die in den sozialen Medien verbreitet werden durften, mag es nicht geben. Dass das stattfand, daran habe ich keine Zweifel.» Das ist eher schwach. Sie können es nicht beweisen, aber Sie haben keine Zweifel.
Finde ich nicht, das ist eine völlig legitime Einschätzung. Ich habe keine faktischen Beweise, aber bekannt ist ja, dass es Kontakte zwischen der Bundesregierung, den Ministerien und den Betreibern der Social-Media-Plattformen gab.
In den sozialen Netzwerken wurde damals ein Entwurmungsmittel für Pferde als Medizin gegen Covid angepriesen. Dass der Staat Überlegungen anstellt, wie er sich zu solchen Dingen verhält, ist doch legitim.
Ja, gegen medizinischen Unsinn, der Menschen in Gefahr bringt, muss man vorgehen. Aber nie gegen legitime Meinungsäusserungen.
Wenn es um den Kampf dagegen geht, fallen schnell die Begriffe «Hass und Hetze». Das ist oft eine Floskel. In manchen Fällen handelt es sich aber um ein reales Problem, das für die Betroffenen schlimme Folgen haben kann. Diese Perspektive fehlt bei Ihnen.
Mein Buch kommt aus der Perspektive der Eingriffe in Grundrechte, und ich befasse mich, was «Hass und Hetze» angeht, mit der Instrumentalisierung dieser Formel ohne jede Not. Dabei ist es eigentlich ganz einfach: Strafbare Inhalte sind verboten. Der Begriff «strafbare Inhalte» ist kurz und klar. Warum benutzt man den nicht? Es werden Millionen in irgendwelche NGO gepumpt, die sich mit «Hass und Hetze» befassen. Aber warum werden nicht stattdessen 30, 40 oder 50 Richter eingestellt, die sich mit diesem Phänomen besonders gut auskennen?
Sie haben darauf bestimmt eine Antwort.
Die Begriffe «Hass und Hetze» eignen sich wunderbar, um den politischen Gegner in die Defensive zu bringen. Noch mal: Ich plädiere dafür, die Justiz besser auszustatten. Es kommen Ihnen die Tränen, wenn Sie in eine Staatsanwaltschaft reingehen. Sie sehen den Staatsanwalt gar nicht mehr hinter den Aktenbergen, und dann kommen Politiker wie Helge Lindh oder Marie-Agnes Strack-Zimmermann, die aus «Hass und Hetze» ein Geschäftsmodell gemacht hat.
Wie meinen Sie das?
Ich vermute, Frau Strack-Zimmermann verdient mehr mit Geldentschädigungen als mit ihrer Abgeordnetentätigkeit. Viele Politiker lassen gegen sie gerichtete Beiträge in den sozialen Netzwerken hundertfach abmahnen. Wegen häufig marginaler Grenzüberschreitungen legen sie die Staatsanwaltschaften lahm.
Sie selbst überschreiten auch gerne Grenzen.
Ich überlege inzwischen etwas genauer, was ich öffentlich sage.
Na ja, Sie haben die SPD-Politikerin Sawsan Chebli kürzlich in einem Beitrag auf X als «irrlichternde und inkompetente Islamistin» bezeichnet.
Das darf man wegen ihrer zahlreichen antisemitischen und antiisraelischen Statements sagen. Es ist eine Äusserung, die ich jederzeit wiederholen würde. X wird das nicht löschen, das versichere ich Ihnen.
Joachim Nikolaus Steinhöfel: Die digitale Bevormundung. Finanzbuch-Verlag, München 2024. 242 S., 22 Fr.