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Imam Fahredin Bunjaku berichtet, dass der Jugendliche sich sonderbar benommen habe. Radikalisiert habe er sich nicht in seiner Moschee in Zürich.
Dieser Terrorakt hat die Schweiz aufgewühlt und international Schlagzeilen gemacht: Ein 15-Jähriger hat am 2. März einen orthodoxen Juden in Zürich niedergestochen und lebensgefährlich verletzt. In einem Bekennervideo hat der Täter dem Islamischen Staat seine Treue geschworen.
Wie der Jugendliche sich radikalisiert hat, ist offen. Die Ermittler fokussieren sich derzeit auf zwei Spuren.
Einerseits auf dessen Radikalisierung im Internet. Andererseits interessiert die Zeit des Attentäters in Tunesien. Sicherheitsdirektor Mario Fehr bestätigte am Montag Recherchen der NZZ, wonach der Attentäter einen Teil seiner Kindheit in Tunesien verbracht hatte. Mindestes vier Jahre habe er in dem Land gelebt, es gebe darum einen engen Bezug zu Tunesien, sagte Fehr am Montag.
Laut einem Bericht von CH Media verkehrte der Jugendliche vor der Tat aber auch in einer Moschee in Zürich-Schwamendingen. Ein Foto, das die Zeitung veröffentlichte, zeigt den Täter in der Moschee und mit einer Gruppe von Jugendlichen, die ein Diplom in den Händen halten. Das Bild stammt vom Januar 2024.
Die Moschee in Schwamendingen nennt sich offiziell «Kulturzentrum Haus des Friedens». Der dortige Imam, Fahredin Bunjaku, wird in den Medien als «eine Art Vorzeigeprediger» beschrieben, der Kontakt mit Vertretern aus den jüdischen und christlichen Gemeinden pflegt.
Gegenüber der NZZ nimmt der Iman der Moschee erstmals Stellung.
Herr Bunjaku, was sagen Sie zum Medienbericht, wonach der Attentäter von Zürich vor der Tat in ihrer Moschee in Zürich-Schwamendingen verkehrt hat?
Ich war völlig überrascht, als die Polizei am Montag nach dem Attentat bei uns war und die Überwachungsvideos vom Eingangsbereich verlangte. Als ich hörte, der Attentäter habe bei uns verkehrt, habe ich das zuerst nicht geglaubt.
Aber er war bei Ihnen in der Moschee?
Nach der Tat habe ich erfahren, dass der Jugendliche einige Male unsere Moschee besuchte. Anscheinend besuchte er die Treffen einer externen Jugendgruppe, die sich in unserer Moschee trifft. Soweit mir bekannt ist, war die Jugendgruppe unauffällig.
Was für eine Gruppe war das?
Es handelt sich dabei um junge Leute, viele mit einem arabischen oder afrikanischen Hintergrund. Sie fragten uns, ob sie bei uns den Koran lehren dürften. Ich erlaubte es, ermahnte sie aber, sich an die Regeln zu halten und lediglich die Gebetsregeln zu lehren. Ich war selber nicht persönlich dabei. Sie waren einmal in der Woche da, für etwa eineinhalb Stunden.
Wo hat der Attentäter sich radikalisiert?
Wir alle waren von seiner Tat schockiert. Darum ist das die Frage, die auch ich mir stelle. Bei uns in der Moschee bestimmt nicht. Heute geschieht sehr viel in den Sozialen Netzwerken und ich kann mir gut vorstellen, dass das massgeblich dazu beigetragen hat.
Hat er sich auffällig benommen?
Im Nachhinein habe ich mit anderen Jugendlichen gesprochen. Sie erzählten mir, ihnen sei aufgefallen, dass der Junge psychisch auffällig gewesen sei. Er habe etwa nicht mit anderen geredet. Sein Verhalten schien etwas sonderbar. Einmal ass er Chips in der Moschee, ein andermal hatte er ein Sandwich dabei. Einmal hat er sich in der Moschee die Haare geföhnt. Er benutzte dazu offenbar einen Föhn, den er selber mitgebracht hatte.
Haben Sie Ihn selbst getroffen?
Ich habe nie persönlich mit ihm gesprochen. Im Nachhinein konnte ich mich aber an seine Besuche in der Moschee erinnern. Unsere Moschee ist offen für alle und es ist normal, dass immer neue Personen zum Gebet kommen. Ich bin nicht in der Lage mit jedem zu sprechen und seine Gesinnung zu überprüfen.
Hätte Sie ihn nicht ansprechen sollen?
Im Nachhinein klar, wäre das gut gewesen. Aber wie gesagt, es kommen viele Personen in die Moschee und ich kenne nicht jeden einzelnen. Ich arbeite nur zu 20 Prozent als Imam in der Moschee.
Ist er aufgefallen, weil er in seinen Ansichten radikal gewesen wäre?
Soweit ich mich erinnere, hat er nie richtig mit uns gesprochen.
Hat er Kontakt zu anderen Gläubigen gefunden?
Er hatte sicher keinen Kontakt zu den Jugendgruppen, die unter meiner Leitung sind und die vor allem von Jugendlichen mit Balkanhintergrund besucht werden. Die Jugendlichen sind ebenfalls niedergeschlagen, weil sie nun in einem derartigen Licht erscheinen. Wie gesagt, aus seiner Gebetsgruppe hörte ich, dass er nicht besonders freundlich und ein Einzelgänger war. Aktuell diskutieren wir im Vorstand, ob wir deren Gastrecht nun deshalb beendet sollen. Nach dem Ramadan werden wir entscheiden. Die Frage ist, wo werden sich die Jugendlichen treffen, wenn wir ihnen den Aufenthalt in der Moschee verbieten.
Warum kam der junge Attentäter in Ihre Moschee?
Ich kann es mir wirklich nicht erklären, warum er zu uns kam.
Sie wurden in den Medien als Vorzeige-Imam bezeichnet, sie pflegen Beziehungen in die Landeskirchen, zu der jüdischen Gemeinschaft und zu Behörden und Politik. Nun finden Sie sich in einer unangenehmen Position wider.
Wir verurteilen das Attentat zutiefst. Es schadet uns als Muslime massiv. Ich bin bekannt dafür, dass ich mich gegen Salafisten wehre. Die Radikalen hassen mich deswegen. Ich bin einer der aktivsten Imame in Zürich. In seiner Rede bedroht der Attentäter andere Muslime wie mich, die den Kontakt mit Christen und Juden suchen. Und jetzt soll ich ein radikaler Imam sein? Ich kann seit Tagen nicht mehr schlafen. Meine Tochter fragt mich, was jetzt mit mir geschehe. Aber ich erfahre auch Solidarität, etwa hat sich ein Pfarrer bei mir gemeldet, und gefragt, ob er helfen könne.
Was sagen sie zu dem Vorwurf, dass bei Ihnen auch schon umstrittene Prediger aufgetreten sind. Namentlich der in Deutschland aufgewachsene Stef Keris, den der deutsche Verfassungsschutz dem salafistischen Spektrum zurechnet.
Ja, das stimmt. Er stammt aus Deutschland und der war tatsächlich zweimal bei uns. Einmal redete er über Geschichte und einmal ging es um den Islam auf dem Balkan. Wir wussten nicht, dass der vom Verfassungsschutz beobachtet wird. Das erfuhren wir im Nachhinein von der Polizei. Die riefen uns an und meinten, wir sollten aufpassen mit dem. Wir haben uns bedankt für die Info und sofort beschlossen, dass der nie mehr zu uns kommen darf.
Ein anderes Referat bei Ihnen hielt offenbar ein Schweizer, der einst zu den ersten Mitgliedern des salafistischen Islamischen Zentralrats Schweiz gehörte.
Ich weiss nicht, ob der Mann überhaupt noch im Zentralrat ist. Er ist heute Lehrer. Es ging im Vortrag um Identität und daran war nichts problematisch. Ich kann mich nur wiederholen: Ich habe nichts zu verbergen.