Einmal mehr ist es US-Präsident Donald Trump, der die Tabellen des Momentum Screens kräftig durcheinandergewirbelt hat. The Market zeigt, welche Aktien trotz Sell-off noch einen (zarten) Aufwärtstrend vorzuweisen haben.
Nach der Ankündigung umfassender Einfuhrzölle durch US-Präsident Donald Trump und dem ersten 10%-Schritt am vergangenen Samstag hat der Ausverkauf an den Aktienmärkten deutliche Spuren im Momentum Screen hinterlassen. Selbst Titel von Unternehmen, denen die Zölle nicht viel anhaben können, sind unter Druck geraten.
Ob aus der Korrektur ein ausgewachsener Crash wird, bleibt abzuwarten. Es droht jedoch das befürchtete Schreckensszenario: Gegenzölle – China hat bereits reagiert, während die Europäische Union noch berät – könnten eine Spirale in Gang setzen, die für eine weltweite Rezession sorgt. Im schlimmsten Fall kommt es zu einer Stagflation, also einer sich abkühlenden Wirtschaft bei gleichzeitig steigenden Preisen – ausgelöst durch die höheren Zollabgaben. JP Morgan sieht die Wahrscheinlichkeit für eine Rezession in den USA bereits bei 60%.
Entsprechend notieren von den vierzig von The Market beobachteten Indizes 39 unter ihrem 200-Tage-Durchschnitt. Das ist ein schlechtes Zeichen im Sinne der Trendfolge. Abschwören muss man der Methode jetzt aber nicht. Gewinner bleiben häufig Gewinner. Auf sie zu setzen, kann sich lohnen, da sie ihren Trend oft fortsetzen. Das ist die Idee hinter dem Momentum Screen. Eine globale Rezession wäre allerdings für alle Titel eine Zäsur.
Die Idee des Momentum Screen
In den Tabellen des Momentum Screen sind Aktien bekannter Indizes nach relativer Stärke sortiert. Je stärker das Kursmomentum, sprich, je nachhaltiger der Aufwärtstrend, desto weiter oben sind sie zu finden. Ein solcher Trend setzt sich häufig fort («The trend is your friend»). Messen lässt er sich anhand der relativen Stärke nach Levy (RSL). Die Kennzahl setzt den aktuellen Aktienkurs ins Verhältnis zum Durchschnittskurs der vergangenen 26 Wochen (multipliziert mit 100). Aktien, deren Kurs deutlich über dem Mittelwert liegt, haben Momentum. Gute RSL-Werte beginnen bei über 105 bis 110 (5 oder 10% über dem Durchschnittskurs) oder liegen über dem Mittelwert für den Gesamtmarkt. Um das Risiko der Methode abzufedern, sollten die Aktien zudem fundamental attraktiv bewertet sein, weshalb sich auch entsprechende Kennzahlen wie zum Beispiel das Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) in den Tabellen wiederfinden. Der Momentum Screen kombiniert so Trendfolge mit Value Investing.
Völlig an Schwung verloren haben die US-Aktienbarometer – das ist wenig überraschend und ein Trend, der nicht erst vergangene Woche seinen Anfang nahm. Am Ende der Tabelle befinden sich insbesondere der Dow Jones Transportation (Transportunternehmen), der Russell 2000 (Nebenwerte) und der Nasdaq Composite (Techtitel), aber auch die japanischen Indizes Nikkei 225 und Topix. Vergleichsweise gut halten sich hingegen die defensiven Versorger aus den USA (Dow Jones Utility), die an neunter Stelle rangieren.
Ein positives Kursmomentum hat nur noch der polnische Leitindex WIG mit den Schwergewichten PKO Bank Polski, Orlen und Powszechny Zaklad Ubezpieczen. Einigermassen standhaft ist zudem der brasilianische Bovespa-Index (Vale, Itaú Unibanco, Petrobras). Die Überflieger der letzten Wochen, deutsche Aktien aus Dax, MDax und SDax, haben dagegen deutlich an Stärke eingebüsst. Nur zehn Dax-Titel haben aktuell noch eine relative Stärke nach Levy (RSL) von über hundert. Mit anderen Worten: Nur zehn der vierzig Titel notieren über ihrem 26-Wochen-Durchschnittskurs.
Dax und MDax: Comeback der Immobilienwerte?
Es wirkt fast wie ein Pendel. Stiegen zuletzt Aktien der Kreditinstitute wie Deutsche Bank und Commerzbank, fielen die der Immobilienkonzerne wie Vonovia, LEG Immobilien, TAG Immobilien und Aroundtown – und umgekehrt.
Grund waren zunächst die durch das geplante milliardenschwere Fiskalpaket gestiegenen Rendite für zehnjährige Bundesanleihen. Mit der Erwartung, Trumps Zölle könnten womöglich die Weltkonjunktur abwürgen, sanken die Zinsen am langen Ende der Strukturkurve wieder. Auch sind als sicher geltende Alternativen, wie die Bundesanleihen, stärker gefragt, was die Renditen ebenfalls fallen lässt. Was Immobilienkonzernen bei der Refinanzierung hilft, dürfte Banken Zinsmarge und letztlich Kreditvolumen kosten. Also haben jetzt wieder die Immobilienwerte gegen den allgemeinen Trend etwas an Fahrt aufnehmen können und die Banken mit am stärksten verloren.
Wie sollten sich Anleger nun verhalten? Hin und her macht ja bekanntlich die Taschen leer – und ist mit Sicherheit nicht die beste Idee. Aus Momentumsicht ist der Fall recht klar, Vonovia 📈 etwa hat zwar in den vergangenen zehn Handelstagen ein Kursplus von 7,1% verzeichnet, während der Markt 14,4% verlor, notiert aber mit 25.92 € nicht einmal über dem 200-Tage-Durchschnitt von 29.40 €. Hier hat sich also noch kein nachhaltiger Aufwärtstrend etabliert, dem es zu folgen gilt. Die RSL liegt bei nur 89,2. The Market hatte bei den Valoren Mitte März zum Verkauf geraten.
Die Kursstärke von Vonovia ist also bislang vermeintlicher Natur. Das Beispiel verdeutlicht recht gut den Unterschied zwischen einem Kurszuwachs (im Vergleich zum Index), der bisweilen auch als Kriterium fürs Momentum herangezogen wird, und dem Durchschnittskurs, der der Kennzahl RSL zugrunde liegt.
Deutsche Börse: ein Krisengewinner der Börsenturbulenzen
Anders als bei Vonovia sieht das bei der Deutschen Börse 📈 aus. Der Börsenbetreiber gehört zu den lachenden Dritten, wenn Trump mit dem Rest der Welt einen Zollstreit anzettelt. Denn die Börse verdient immer dann besonders gut, wenn sich die Kurse stark bewegen. Nur ein Seitwärtsmarkt wäre misslich.
Im ersten Quartal dieses Jahres hat die Börse stark vom MEGA-Trade («Make Europe Great Again») profitiert, wie die Umsatzdaten vom Kassamarkt (auch Spotmarkt genannt) nahelegen. So betrug das Handelsvolumen in den ersten drei Monaten insgesamt gut 480 Mrd. €, nach rund 335 Mrd. € im ersten Quartal des Vorjahres. Besonders umsatzstarke Titel im Xetra-Handel waren unter anderem SAP und Rheinmetall. Auch am Ausverkauf und an starken Schwankungen im laufenden Quartal sollte die Börse kräftig mitverdienen.
Zahlen zum ersten Quartal gibt es am 29. April. Die Analysten des Bankhauses Metzler sind sich sicher, dass diese stark ausfallen werden. Zur gesamten Wahrheit gehört jedoch auch, so die Analysten, dass die Ergebnisse der Börse in einigen Geschäftsbereichen zumindest indirekt von makroökonomischen Faktoren abhängen. Als Beispiel nennen sie den Zinsüberschuss des Abwicklungs- und Verwahrdienstleisters Clearstream, der von den kurzfristigen Zinsen beeinflusst wird.
Die Aktien des Börsenbetreibers sind mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) auf Basis des für die nächsten zwölf Monate geschätzten Gewinns von 22 bewertet (zum Vergleich: Euronext 20; LSE 26). Sie sind zudem auf Rang fünf im Dax vorgerückt und folgen auf die altbekannten Valoren von Rheinmetall, Commerzbank, E.On und Heidelberg Materials. Die RSL liegt bei 106.
Im insgesamt schwächeren Euro Stoxx 50 führen die Aktien der Deutschen Börse die Tabelle sogar an. Ihnen folgen zwei weitere erwähnenswerte Titel.
Danone: Defensiver Charakter bringt Sicherheit
Der französische Lebensmittelhersteller Danone 📈 ist einer von ihnen. Der Nestlé-Rivale gilt als defensiver, sprich wertstabiler Titel. Danone hat die Erwartungen des Marktes zuletzt regelmässig mindestens erfüllt, führen die Analysten der DZ Bank als Argument für die Aktien ins Feld. Auch bei der Umsetzung seines Restrukturierungsprogramms kommt der Konzern zügig voran. Danone werde nach Ansicht der DZ Bank seine Prognose für 2025 (organisches Umsatzwachstum: 3 bis 5% inklusive moderater Ausweitung der bereinigten Ebit-Marge) erreichen.
Viel gewichtiger ist derzeit aber: Danone stellt schätzungsweise rund 90% seiner in den USA verkauften Produkte vor Ort her und dürfte damit kaum von den Zöllen beeinträchtigt werden. Sollte sich die Wirtschaft zudem abschwächen: Gegessen wird immer.
Die Aktien sind mit einem KGV basierend auf den geschätzten Gewinnen für die kommenden zwölf Monate von 18 bewertet – wie der Schweizer Konkurrent Nestlé.
Iberdrola: Wachstum beim Windkraft-Weltmarktführer
Der zweite Titel ist Iberdrola 📈. Der spanische Energieerzeuger ist unter anderem Weltmarktführer in der Windkraft und erzielte zuletzt 38% seines Umsatzes im Heimatmarkt (Brasilien 20%, USA und Grossbritannien je 17%). Vor gut einem Jahr hat Iberdrola beschlossen, bis 2026 insgesamt 41 Mrd. € in die Energiewende zu investieren. Davon sollen 15,5 Mrd. € in den Bereich erneuerbare Energien fliessen (mehr als die Hälfte davon in Offshore-Windkraftanlagen), 21,5 Mrd. € in den Netzausbau.
Am Ende soll dies zu einem Gewinn auf der Stufe Ebitda von 16,5 Mrd. bis 17 Mrd. € beitragen, der sich hälftig auf die Geschäftsbereiche Netze und erneuerbare Energien aufteilen soll. Das erscheint recht konservativ, erzielte das Unternehmen aus Bilbao doch bereits im vergangenen Jahr einen Ebitda von 16,8 Mrd. € (Vorjahr: 14,4 Mrd. €). Der Konsens der Analysten für 2026 liegt mit 17,4 Mrd. € ebenfalls darüber. Ein Update der Strategie ist für den Kapitalmarkttag am 24. September vorgesehen.
Ausserdem attraktiv: Das Unternehmen hat seine Dividende in den vergangenen zehn Jahren im Schnitt um jährlich 7% angehoben.
Die Aktien sind mit einem KGV für die kommenden zwölf Monate von 16 bewertet und auf den ersten Blick kein Schnäppchen. Die Analysten der UBS erwarten allerdings, dass die Investitionsausgaben zusammen mit stabilen, planbaren Renditen bis 2028 ein jährliches Gewinnwachstum von 8% bewirken werden, wobei der Konsens nur 3% prognostiziert.
SLI und USA: Schokolade, Cola und Zigaretten krisensicher
Im Swiss Leader Index (SLI) ist lediglich der Schokoladenfabrikant Lindt & Sprüngli 📈 noch mit einem grösseren Plus gegenüber seinem 26-Wochen-Durchschnittskurs versehen (RSL: 108,9). Dahinter folgt Danone-Wettbewerber Nestlé 📈 (103,5). Alle anderen Valoren schwächeln.
Unter den US-Titeln fallen Coca-Cola 📈 im Dow Jones Industrial und Philip Morris 📈 aus dem S&P 500 als starke Aktien besonders auf. Kein Wunder, die bekannte Brause und Zigaretten sind nun einmal krisenresistent – wie es die Schokolade von Lindt auch zu sein scheint.
Wichtig für Anleger: Panik ist kein guter Ratgeber. Bei einem Ausverkauf fallen erst einmal alle Aktien, ganz gleich wie qualitativ hochwertig sie auch sein mögen. Die entscheidende Frage ist, wie es Vermögensverwalter Thierry Borgeat ausdrückt, ob sie wie ein Ei landen oder wie ein Tennisball gleich zurück ins Spielfeld springen.
Unsere neuen Watchlisten helfen dabei, die Titel zu finden, die für die Zeit nach dem Börsengewitter und bei einer Bodenbildung attraktiv sein könnten. Zehn aussichtsreiche Schweizer Valoren finden Sie hier und zehn deutsche Aktien hier. Gerade unter den deutschen Titeln finden sich viele Papiere wieder, die im Momentum Screen weit oben zu finden sind. Das ist kein Zufall.
Über diesen Link gelangen Sie zum Dokument mit sämtlichen Tabellen.
Haben Sie Anregungen zum Momentum Screen? Vermissen Sie eine Tabelle? Dann schreiben Sie uns: [email protected].
Der Autor hält Aktien der Deutschen Börse.