Der Musiker Edb spart in seinen Pop-Songs nicht mit Emotionen und irritierenden Bildern. Jetzt tritt er am Zürcher Festival M4Music auf.
Einzelne Zeilen bleiben sofort im Ohr hängen: «So viu Scheiss da duss, wär lost hüt denn no Radio?», singt Edb in seinen Song «Butterkuchen», in dem er sogleich mit Offenheit und Radikalität zu Werke geht. Während er aber in den ersten Zeilen vernichtend über die aktuelle Pop-Musik herzieht, öffnet er schon in der nächsten die eigene Seele: «Wirf mis Härz ufe Tisch». Das Lied mag so widersprüchlich wirken. Dank seiner Eingängigkeit aber passt es selber bestens ins Radio.
Wer ist dieser Sänger, der den Mund so voll nimmt und Bärndüütsch so singt, als wäre es eine Weltsprache? Einer jedenfalls, der nicht viel erklären mag. Zum Beispiel, was sein Künstlername Edb bedeutet oder warum ihn alle Eddie nennen. Einer auch, dem es vordergründig nicht an Selbstvertrauen fehlt.
Beste Songs aller Zeiten
Als er im Februar vom nationalen Radiosender SRF 3 zum «Best Talent» gekürt wurde, meinte er mit lapidarer Ironie, dass es dafür langsam an der Zeit sei. Und gleich setzte er noch einen drauf: Er veröffentliche einen Song jeweils erst, wenn er das Gefühl habe, das sei der beste Song aller Zeiten. «Wieso sollte ich ihn sonst rausbringen?»
«Butterkuchen» ist nicht der beste Song aller Zeiten. Aber er ist ein Stück frischer, eigenständiger Mundartmusik. Ein Song im Spannungsfeld zwischen Selbstzweifeln und Selbstbewusstsein, zwischen Status quo und neuer Vision.
«Hüt bini früecher wach als au mini Sorge», lautet eine weitere «Butterkuchen»-Zeile. Den Problemen morgens für ein paar Augenblicke entwischen – was für ein schöner Gedanke. Aber ob das tatsächlich gelingt, weiss man bis zum letzten Ton nicht genau. Es sind just solche Irritationen, die Edbs Songs ausmachen.
Vorbilder und Feindbilder
Als wichtigste Inspiration nennt Edb internationale Rap-Grössen wie Mac Miller und Meek Mill oder den kanadischen Songwriter Mac DeMarco. Dass Edb derzeit zu den hoffnungsfrohsten Schweizer Pop-Newcomern zählt, beweisen zwar diverse Kooperationen mit prominenten Schweizer Künstlern wie Luuk, Manillio und Jule X.
Für die meisten Kolleginnen und Kollegen im Mundartbereich – wie Hecht, Baschi oder Dabu Fantastic – hat Edb hingegen wenig übrig. – So wenig wie für diese Zeitung: Das vereinbarte Interview sagte er am Vortag plötzlich wieder ab. Die politische Haltung decke sich nicht mit der seinigen, liess das Management verlauten.
Neben der Musik jobbt der 22-jährige Edb aus Köniz bei Bern als Pfleger in einem Altersheim. Die Ausbildung zum Altenpfleger hat er abgebrochen und den bürgerlichen Namen Dominic Geissbühler weitgehend abgestreift, als seine musikalische Vision vor zwei Jahren plötzlich klare Formen annahm.
Dank der Single «Crazy In Love» (2023) fand er im Nu ein Management, ein Label und mit Sony Music eine grosse Plattenfirma. Kein Wunder: Seine Musik hat die nötige Dringlichkeit und Emotionalität. Seine Songs leben von einer Diskrepanz: Man hat oft das Gefühl, dass sie auch das Gegenteil von dem implizieren, was er tatsächlich singt. Da schwingt stets viel Traurigkeit mit, über die nicht gross gesprochen wird.
So wie im Song «Elei (aber nid einsam)» von der aktuellen EP «Eddie’s Tape Side A». Die Blumen auf dem Fenstersims sind ertränkt, die Gemütslage düster bis wolkig, die Klavierakkorde spärlich. Der Sänger aber behauptet, er sei lieber «elei» als zusammen mit jener Frau, auf die er vergebens wartet. Wer das Melancholie nennt, untertreibt.
Abwechslung und Zwischentöne
Man kann Edb vorwerfen, dass er zuweilen etwas gar dick aufträgt. Dass er oft zu viel stimmlichen Aufwand betreibt, um seine Bewegtheit zu manifestieren. Es gelingt auch nicht jedes Bild, das er zeichnet. Nicht jeder Song betört. Und wäre seine Stimme nicht, würde man schlicht sehr konventionellen, erwartbaren Pop hören. Wer ausgefuchste Experimente oder clever verschachtelten Indie-Pop erwartet, wird jedenfalls enttäuscht.
Die Gradlinigkeit scheint hier allerdings das Konzept zu sein. Es geht darum, die Welt des Pop zu infiltrieren und so für Zwischentöne und Abwechslung in der biederen Schweizer Radiolandschaft zu sorgen. Und dieser Plan geht auf.
Edb tritt am Freitag, 28. März, am M4Music-Festival im Schiffbau in Zürich auf.