Der FDP-Ständerat Damian Müller soll neuer Verwaltungsratspräsident des Luzerner Kantonsspitals werden. Damit löst er eine politische Polemik aus.
Ständerat Damian Müller wird mit einem Schlag zu einem der wichtigsten Wirtschaftsvertreter im Parlament. Das Unternehmen, dem er künftig als Verwaltungsratspräsident vorstehen wird, ist mit über 8200 Mitarbeitenden der grösste Arbeitgeber der Zentralschweiz. Im Jahr 2022 setzte es 1,2 Milliarden Franken um. Damit spielt Müller noch nicht in der gleichen Liga wie die Ems-Chemie-Chefin Magdalena Martullo-Blocher, vertritt aber einiges Kapital.
Würde der FDP-Politiker dieses Amt bei einer Privatfirma übernehmen, wäre seine Wahl allenfalls eine Randnotiz. So aber präsidiert er neben der ständerätlichen Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit (SGK) auch eine der grössten Klinikgruppen der Schweiz, nämlich das Luzerner Kantonsspital (Luks). Dieses betreibt neben drei Standorten im Kanton Luzern auch das Spital Nidwalden. Müller soll sein Amt am 1. Juli antreten. Seine Wahl gilt als sicher, da die Luks-Gruppe zu 100 Prozent den beiden Kantonen gehört, die ihn für das Amt nominiert haben.
Machtballung von FDP-Politikern
Seine Ernennung hat in der Innerschweiz eine politische Polemik ausgelöst. Sowohl die SP als auch die SVP haben im Luzerner Kantonsrat dringliche Anfragen eingereicht. Die Parteien kritisieren, dass ein Politiker und nicht ein Manager mit Erfahrung im Gesundheitswesen das Amt übernehmen soll. Dies, nachdem sich die Luzerner Regierung zum Ziel gesetzt hat, den Verwaltungsrat zu entpolitisieren. Auf Unverständnis stösst zudem, dass mit dem Luzerner Nationalrat Peter Schilliger auch der Vizepräsident der Luks-Gruppe ein FDP-Schwergewicht ist.
In den letzten Jahren ging der Trend eher weg von der Politik. Verschiedene Kantonsspitäler, die aus den kantonalen Verwaltungen ausgegliedert wurden, sind dazu übergegangen, Politiker durch Manager oder andere Fachleute zu ersetzen. Im Wallis wird das Kantonsspital von Pascal Strupler präsidiert, dem ehemaligen Direktor des Bundesamtes für Gesundheit. Müllers Vorgänger in Luzern ist Ulrich Fricker, zuvor langjähriger Vorsitzender der Geschäftsleitung des Unfallversicherers Suva. Andere Kantone betrauen ehemalige Spitalchefs mit dieser Rolle.
SVP und SP stellen auch Fragen betreffend allfälliger Interessenkonflikte. Dies, obwohl die Luzerner Gesundheitsdirektorin Michaela Tschuor (Mitte) sagte, die beiden Kantonsregierungen hätten jedes einzelne Mandat auf allfällige Unvereinbarkeiten abgeklopft. Bei dieser Prüfung sei in dem akribisch durchgeführten Rekrutierungsprozess nichts zutage getreten. Müller selber hat eine allfällige Unvereinbarkeit seiner Mandate im Ständerat und auf kantonaler Ebene beim Rechtsdienst der Parlamentsdienste abklären lassen. Resultat: Die Tätigkeit als Luks-Verwaltungsratspräsident ist gemäss den bundesrechtlichen Bestimmungen mit Müllers Ratsmandat vereinbar.
Allerdings kommt die Kritik nicht unerwartet, hat sich doch Damian Müller eine Schlüsselposition im schweizerischen Gesundheitswesen aufgebaut. Der 39-Jährige ist während zweier Jahre Präsident der einflussreichen SGK im Ständerat. Ausserdem ist er Präsident des Forums Gesundheit Schweiz, dem Akteure wie Interpharma, Santésuisse, der Schweizerische Apothekerverband und der Dachverband der invasiv und akutmedizinisch tätigen Spezialärztinnen und -ärzte angehören. Zudem präsidiert er den Verband Swiss Medtech, dem 750 Unternehmen aus der Medizintechnikbranche angehören.
Verschiedene Mandate, wie sein 40-Prozent-Mandat als Berater bei der Mobiliar-Versicherung, will er abgeben. Zudem tritt er aus dem Verwaltungsrat des kantonalen Sozialversicherungszentrums Wirtschaft Arbeit Soziales aus und gibt das Vizepräsidium der Stiftung Pro Senectute des Kantons Luzern ab. Die wichtigsten Lobbyingmandate im Gesundheitswesen beim Forum Gesundheit und bei Swiss Medtech will er in Absprache mit den Kantonsregierungen von Luzern und Nidwalden behalten.
Diese Ämterkumulation und mögliche Interessenkonflikte stossen nicht nur bei SP und SVP auf Kritik. «Die Interessen des Kantonsspitals und der diversen Gremien, in denen Müller mittut, decken und überschneiden sich nicht nur, sondern sind ganz andere», erklärte die Compliance-Spezialistin Monika Roth gegenüber der «Luzerner Zeitung». So setze sich das Forum Gesundheit dafür ein, den Einfluss der öffentlichen Hand auf das Gesundheitswesen zu reduzieren. Der Kanton Luzern verfolge mit seinen zu 100 Prozent kantonseigenen Spitälern aber exakt die gegenteilige Strategie.
Ginge es nach dem Willen von Ständerat Beat Rieder, wären solche Konstellationen verboten. Mit einer parlamentarischen Initiative verlangte der Mitte-Vertreter, dass National- und Ständeräte keine bezahlten Mandate mehr annehmen dürfen, die im Zusammenhang mit ihrer Mitgliedschaft in parlamentarischen Kommissionen stehen. Die kleine Kammer hat den Vorstoss im vergangenen Dezember abgelehnt. Die neue Rolle von Damian Müller will Rieder auf Anfrage der NZZ nicht kommentieren.
Damian Müller sagt, er sei nicht überrascht, dass seine Nomination auf Kritik stosse. Er verweist jedoch wie die Luzerner Gesundheitsdirektorin darauf, dass im Vorfeld alle Mandate rechtlich auf ihre Vereinbarkeit hin abgeklopft wurden. «Natürlich ist es ein Spagat», sagt Müller auf Anfrage. «Doch im schweizerischen Milizsystem ist es die Rolle eines Politikers, die Interessen aller Beteiligten einzubringen. Genau das mache ich in meinen verschiedenen Rollen.» Selbstverständlich werde er im Fall eines Interessenkonflikts, der situativ bei einem einzelnen Geschäft auftritt, in den Ausstand treten.
Im Forum Gesundheit würden sich die Leistungserbringer für ein liberales Gesundheitssystem einsetzen. «Das steht nicht im Widerspruch zu den Zielen des Luks, das vom Kanton ausgelagert wurde, um diesem Anspruch gerecht zu werden», sagt Müller. Der Verband Swiss Medtech verhandle keine Preise, sondern wolle wie die Spitäler adäquate Tarife und Vergütungen aushandeln.
Hoher Lohn für VR-Präsidium
Müller ist nicht der erste nationale Parlamentarier, der während seiner Amtszeit ein Kantonsspital strategisch führt. Sein Partei- und Ratskollege Martin Schmid übt dieselbe Funktion beim Kantonsspital Graubünden aus. Auch der inzwischen zurückgetretene freisinnige Nationalrat Kurt Fluri war bereits während seiner Amtszeit Verwaltungsratspräsident der Solothurner Spitäler.
In den Medien wurde Fluris Tätigkeit zum Thema, als 2023 bekanntwurde, dass er für dieses Amt knapp 94 000 Franken bezieht. Deutlich höher dürfte das Salär von Damian Müller als Luks-Chef ausfallen. Sein Vorgänger kassierte 2022 laut Geschäftsbericht der Spitalgruppe 176 300 Franken. Für Diskussionsstoff im Luzerner Kantonsrat und in Bern dürfte gesorgt sein.