Der Verlust des einstigen Zugpferds Baselworld wiegt in Basel schwer. Die teuren Messehallen stehen die meiste Zeit leer. Der amerikanische Grossaktionär James Murdoch hat derweil seinen Anteil weiter erhöht.
Eine derartige Verlustserie hat Seltenheitswert bei Schweizer Unternehmen, besonders bei solchen mit einer langen Geschichte und einem hohen Bekanntheitsgrad. Sieben Jahre lang schrieb der Basler Messebetreiber MCH, dessen Wurzeln bis 1916 zurückgehen, nichts als Verluste. Kumuliert waren es seit 2017 rund 420 Millionen Franken.
Gewinn nur dank Sondereffekt
Vergangenes Jahr gelang dem Unternehmen, dessen Hauptaktionäre der Kanton Basel-Stadt und der amerikanische Milliardär James Murdoch sind, endlich die Rückkehr in die schwarzen Zahlen. Allerdings blieb der Überschuss mit 3 Millionen Franken bescheiden, und er kam nur dank einem einmaligen positiven Effekt – Versicherungsentschädigungen von 3,6 Millionen Franken – zustande.
MCH hat bis heute den Verlust der Uhren- und Schmuckmesse Baselworld nicht verwunden. Diese Messe, die einst 85 Prozent des Konzernergebnisses beisteuerte, fand zum letzten Mal 2019 statt. Seither herrscht in den Basler Messehallen die meiste Zeit im Jahr gähnende Leere.
MCH ist es trotz intensiven Bemühungen bis heute nicht gelungen, eine neue Veranstaltung mit der Zugkraft der ehemaligen Baselworld aufzuziehen. Auch Florian Faber, der beim Unternehmen nach mehreren Führungswechseln in kurzen Zeitabständen im Juli 2022 die Geschäftsleitung übernahm, blieb dieser Erfolg nicht vergönnt. Nun wird bereits wieder ein neuer CEO gesucht.
Murdoch-Vertrauter übernimmt interimistisch auch die Geschäftsführung
Wie am Dienstag zusammen mit dem Jahresergebnis bekanntwurde, wird Faber MCH bereits per Ende März verlassen. Interimistisch wird Andrea Zappia, der seit vier Jahren den Verwaltungsrat präsidiert, die Geschäftsführung übernehmen. Der Italiener gilt als enger Vertrauter von James Murdoch. Seit über zwanzig Jahren bekleidet er Ämter innerhalb der Fernsehgruppe Sky, die von der Murdoch-Familie kontrolliert wird.
Zappia, der auch dem Aufsichtsgremium des weltgrössten Brillenherstellers Essilor Luxottica angehört, lebt in Mailand. Wie er im Gespräch mit der NZZ betont, hat er seit seiner Wahl zum Präsidenten den grössten Teil seiner Zeit MCH gewidmet. «Mein Engagement war grösser als jenes eines typischen nicht geschäftsführenden Chairman.» So gesehen fühlt sich Zappia auch gut gerüstet, um bis auf weiteres neben dem Präsidium die operative Verantwortung zu übernehmen.
Gleichzeitig wird der 61-Jährige noch mehr zwischen Norditalien und Basel pendeln müssen. Privat in einer ähnlichen Situation befindet sich die neue Finanzchefin Eleonora Gennari. Auch sie, die ihr Amt vergangenen Juli antrat, wohnt nach wie vor in Norditalien. Pro Woche verbringt sie jeweils drei Tage im Büro in Basel. Gennari arbeitete einst ebenfalls für Sky. Laut Zappia war er es, der sie für den Posten bei MCH empfohlen hat.
Bisheriger Chef war eine Verlegenheitslösung
Der Messebetreiber wird es sich aus Gründen der guten Unternehmensführung kaum leisten können, mit dem CEO eine weitere Spitzenkraft mit Stallgeruch aus der Sky-Gruppe beziehungsweise aus dem Murdoch-Imperium zu ernennen. Zappia will sich laut eigenen Angaben bei der definitiven Regelung der CEO-Nachfolge Zeit lassen.
MCH hofft, dass sich die Rekrutierung einfacher gestalten wird als damals vor drei Jahren. Bei Faber lief die Suche verdeckt. Sein Vorgänger war noch im Amt.
Wie ein Insider berichtet, hat es seinerzeit kaum externe Interessenten gegeben. Faber, der bereits ab 2009 in verschiedenen Managementfunktionen für MCH gearbeitet habe, sei in Ermangelung anderer Kandidaten zum Konzernchef ernannt worden.
Schwammige Aussagen der Firmenleitung
Angesichts der nach wie vor dürftigen Profitabilität wird auch der dereinstige neue CEO keine einfache Aufgabe haben. Weiterhin völlig offen ist, wie MCH die grossflächigen Messegebäude in Basel besser auslasten kann. Zu dieser Herausforderung äussert sich Zappia nur schwammig. Er schreibt im jüngsten Brief an die Aktionäre: «Mit einem klaren Fokus auf Kostenmanagement und Innovation sind wir zuversichtlich, dass wir Marktkomplexitäten erfolgreich navigieren und neue Wachstumschancen erschliessen werden.»
Immerhin räumt der Verwaltungsratspräsident ein, dass MCH über «schöne, aber auch teure Gebäude» in Basel verfüge. Immer wieder spekulierten Marktbeobachter darüber, dass der Messebetreiber seine Immobilien in eine separate Gesellschaft auslagern könnte. Damit wäre er auch Verpflichtungen los, die sich im Zusammenhang mit dem wachsenden Renovationsbedarf der Gebäude ergeben. Zappia beteuert, dass es keine Pläne für eine solche Auslagerung gebe.
Welche Änderungen bringt die neue rechtliche Struktur?
Dennoch scheinen bei MCH gewisse organisatorische Veränderungen spruchreif zu sein. In der Medienmitteilung zum letztjährigen Geschäftsergebnis ist die Rede davon, dass man die rechtliche Struktur der einzelnen Konzerngesellschaften optimieren wolle. Was damit konkret gemeint ist, war am Dienstag indes auch auf Nachfrage nicht zu erfahren. Die Pressestelle teilte lediglich vielsagend mit, dass die neue Struktur «eine klarere Berichterstattung, bessere Ressourcennutzung und eine gezieltere strategische Entwicklung» der Gruppe ermögliche.
Auffallend ist, dass James Murdoch vergangenes Jahr via sein Investmentvehikel Lupa Systems die Beteiligung an MCH von 38,5 auf knapp 42 Prozent ausgebaut hat. Er liegt damit nun klar vor dem Kanton Basel-Stadt, dessen Engagement auf 37,5 Prozent verharrte. Laut Zappia investierte der schwerreiche New Yorker sein Geld von Anfang an, weil er an das Unternehmen glaube.
Die baselstädtische Regierung erklärt auf Anfrage, die strategische Ausrichtung des Messebetreibers aufmerksam zu verfolgen. «Eine gut aufgestellte und funktionierende MCH ist wichtig für den Messe- und Kongressstandort Basel», sagt Kaspar Sutter , dem das Department für Wirtschaft, Soziales und Umwelt unterstellt ist.
Zugleich läuft die fünfjährige Lock-up-Vereinbarung, auf die sich Murdoch verpflichtet hat, per Ende November dieses Jahres aus. Sein Beteiligungsvehikel wird ab dann erstmals Aktien veräussern dürfen.
Welche Pläne der Investor mit MCH verfolgt, liegt nach wie vor im Dunkeln. Murdoch gehört als eines von nur sechs Mitgliedern dem Verwaltungsrat an und reist in diesem Zusammenhang auch mehrere Male jährlich zu Sitzungen nach Basel. Doch in der Schweizer Öffentlichkeit tritt er so gut wie nie auf.
Für seinen Einsatz im Aufsichtsgremium erhielt Murdoch im vergangenen Jahr bescheidene 50 000 Franken, 20 000 in bar und 30 000 in Aktien. Zappia brachte es als Präsident auf 160 000 Franken. MCH sehe sich, wie der Italiener im Gespräch mehrfach erwähnte, weiterhin zu einem strikten Kostenmanagement gezwungen. Die niedrigen VR-Honorare passen gut dazu.
Eine andere Frage ist, ob sich der künftige CEO mit knapp 850 000 Franken begnügen wird. Der Messebetreiber wird für seinen neuen Chef wohl mehr aufwerfen müssen als für Faber in dessen letztem vollständigem Amtsjahr.