Haben sich die Republikaner zu Putins Werkzeug gemacht? Ihre Korruptionsvorwürfe gegen Präsident Joe Biden beruhten auf einem wichtigen Zeugen: Alexander Smirnov. Doch der FBI-Informant log vermutlich und pflegte Kontakte zum russischen Geheimdienst.
Vor acht Jahren versuchte Russland die amerikanischen Präsidentschaftswahlen «auf systematische Weise» zu Donald Trumps Gunsten zu beeinflussen. So steht es im Untersuchungsbericht des Sonderermittlers Robert Mueller. Nun befinden sich die USA erneut in einem Wahljahr, und der Fall des FBI-Informanten Alexander Smirnov macht Schlagzeilen. Seit kurzem steht er unter Anklage. Wobei die zuständige Staatsanwaltschaft ihm schwere Vergehen vorwirft: «Er verbreitet aktiv neue Lügen, welche einen Einfluss auf die amerikanischen Wahlen haben könnten, nachdem er sich im November mit russischen Geheimdienstleuten getroffen hatte.»
Im Zentrum von Smirnovs mutmasslichen Lügen steht Hunter Biden, der Sohn des amerikanischen Präsidenten. Dabei geht es um angebliche Schmiergeldzahlungen, die Hunter und sein Vater Joe Biden vom ukrainischen Energiekonzern Burisma erhalten haben sollen. Gemäss den Ermittlern war dies womöglich eine gezielte russische Desinformation. In einem gerichtlichen Antrag für eine Verlängerung der Untersuchungshaft schrieben sie kürzlich: «In einem Verhör am 14. Februar gestand Smirnov, dass Funktionäre mit Verbindungen zum russischen Geheimdienst an der Weitergabe einer Geschichte zu Geschäftsperson 1 beteiligt waren.» Mit Geschäftsperson 1 ist Hunter Biden gemeint.
Republikaner wollten Smirnov glauben
Sollten sich die Vorwürfe der Ermittler bewahrheiten, wären Smirnovs Lügen jedoch nicht der eigentliche Skandal. Das Erschütternde daran wäre, dass führende Politiker der Republikanischen Partei diese Lügen ungeprüft übernahmen, um Präsident Joe Biden zu schaden. Und dies, obwohl bereits klar war, dass die Informationen wenig glaubwürdig sind.
Um dies zu verstehen, braucht es einen Blick in die Vergangenheit: Im vergangenen September trat Kevin McCarthy mit bedeutungsschweren Worten vor die Kameras im Capitol. Der damalige republikanische Vorsitzende des Repräsentantenhauses ordnete Impeachment-Ermittlungen gegen Präsident Joe Biden an. Dabei warf er ihm Machtmissbrauch und eine «Kultur der Korruption» vor. «Sogar ein zuverlässiger FBI-Informant hat den Vorwurf von gezahlten Bestechungsgeldern an die Familie Biden erhoben.»
McCarthy meinte damit Alexander Smirnov. Der israelisch-amerikanische Doppelbürger spricht Russisch und soll über gute Kontakte zu den Macht- und Wirtschaftseliten im postsowjetischen Raum verfügen. Deshalb galt er der amerikanischen Bundespolizei seit 2010 bei früheren Ermittlungen als wichtige und nützliche Quelle. Im Juni 2020 erzählte er seinem Ansprechpartner beim FBI indes eine ungeheuerliche Geschichte: Als Joe Biden 2015 noch Vizepräsident war und sein Sohn Hunter Biden im Aufsichtsrat von Burisma sass, sollen sie von der Firma je fünf Millionen Dollar an Bestechungsgeldern erhalten haben. Im Gegenzug sollte Biden als amerikanischer Vizepräsident die Entlassung des ukrainischen Generalstaatsanwalts Viktor Schochin erzwingen, der angeblich gegen Burisma ermittelte.
Bereits einen Monat zuvor, am 19. Mai 2020, sandte Smirnov seinem Betreuer beim FBI Textnachrichten, in denen er eine gewisse Voreingenommenheit gegenüber Biden durchblicken liess. In der Ukraine und in Russland berichteten alle Medien über geleakte Telefongespräche zwischen Biden und dem damaligen ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko, so der Informant. «Es sieht nicht gut aus für Biden», textete Smirnov. «Biden wird ins Gefängnis gehen )))).»
Donald Trump junior teilte ein Telefonmitschnitt auf Twitter und schrieb: «Huch!!!! Das ist keine ‹perfekte Unterhaltung›.» Wirklich interessant waren die Gespräche indes nicht. Biden machte darin Schochins Entlassung zur Voraussetzung für weitere finanzielle Garantien an Kiew. Das war eine sinnvolle Forderung. Der ukrainische Generalstaatsanwalt galt auch vielen Demokratieaktivisten in der Ukraine als völlig korrupt. Sie wollten ihn los haben, um den Rechtsstaat zu reformieren.
Interessanter als der Inhalt der Aufzeichnungen ist die Quelle des Leaks: Der prorussische Abgeordnete Andri Derkatsch präsentierte die Mitschnitte bei einer Medienkonferenz in Kiew. Laut dem amerikanischen Justizministerium war er ein «aktiver russischer Agent», der immer noch enge Kontakte zu den Geheimdiensten des Kremls unterhält.
Anklage hält ihre Beweise für «stark»
Das FBI stufte Smirnovs Informationen zu den angeblichen Biden-Verstrickungen in der Ukraine bereits 2020 als wenig glaubwürdig ein. Doch davon wollten die republikanischen Abgeordneten, die im Repräsentantenhaus das Impeachment gegen den Präsidenten vorantrieben, nichts wissen. Irgendwie gelangten sie an das FBI-Dokument, in dem Smirnovs Korruptionsvorwürfe 2020 im Detail erfasst wurden. Im vergangenen Sommer veröffentlichte der Abgeordnete James Comer das Dokument. Das Justizministerium habe dieses «begraben wollen, um die Bidens zu schützen», behauptete er.
Nun ist es jedoch ausgerechnet der Sonderermittler David Weiss, der die Anklage gegen Smirnov führt. Er wurde im August auf Druck der Republikaner mit weiteren Vollmachten ausgestattet, um die Vorwürfe gegen Hunter Biden und seine fragwürdigen Geschäftsbeziehungen gründlich zu untersuchen. Bisher hat Weiss den Präsidentensohn aber «nur» wegen Steuerhinterziehung und des unrechtmässigen Kaufs einer Schusswaffe angeklagt.
Smirnov hat seine Schuld derweil noch nicht gestanden. Die Staatsanwaltschaft hält ihre Beweise indes für «stark». Ein Richter in Los Angeles ordnete am Montag an, dass er aufgrund einer Fluchtgefahr in Untersuchungshaft bleibt. Bei einer Verurteilung drohen dem Informanten bis zu 25 Jahre Gefängnis. Kommt es dazu, ist dies auch ein schlechtes Zeugnis für die Republikaner und ihren mutmasslichen Präsidentschaftskandidaten Donald Trump. Experten warnen bereits wieder davor, dass Russland mit gezielten Falschinformationen im Internet versucht, ähnlich wie 2016 die Wahlen in den USA zu beeinflussen. Aber anstatt die russische Desinformation zu bekämpfen, übernehmen viele Konservative und ihre Medien diese in Trumps Sog nicht selten begeistert.
Dadurch lassen sich die Grenzen zwischen russischer Beeinflussung und republikanischen Botschaften teilweise nur noch schwer unterscheiden. So verglich sich der ehemalige Präsident kürzlich etwa mit dem unter ungeklärten Umständen in Haft verstorbenen russischen Dissidenten Alexei Nawalny. Trumps Botschaft ist dabei klar: Bidens Regierung ist mindestens so autoritär und korrupt wie das russische Regime, wenn nicht noch schlimmer. Sie ist der grösste Feind, den es zu bekämpfen gilt. Wladimir Putin dürfte sich im Kreml ins Fäustchen lachen und denken, dass er sich diese Lüge nicht hätte besser ausdenken können.