Die Fernsehsender 3sat und Arte sollen zusammengelegt werden. Die Kulturszene ist empört. Nur, wer schaut das Programm denn tatsächlich?
Sibylle Berg ist empört. Im ganzen «Mischmasch von Kacksendern», sagte die Schriftstellerin vergangene Woche in einem Radiointerview, gebe es gerade noch zwei, die «wirklich irgendwas für Kunst und Kultur tun». Arte und 3sat nämlich. Und ausgerechnet die sollen nun zusammengelegt werden. Vor einer Woche haben die deutschen Bundesländer den Entwurf für eine Reform von ARD, ZDF und Deutschlandradio vorgelegt.
Reform heisst in diesem Fall Sparen. ARD und ZDF müssen ihre Programme straffen. Von den rund 70 regionalen Radiosendern sollen zwischen 15 und 20 gestrichen werden, dazu 4 bis 5 der 10 TV-Spartensender. Und 3sat soll mit dem deutsch-französischen Kultursender Arte fusionieren.
Für jeden ein Programm
Das betrifft auch die Schweiz. 3sat wird von Deutschland, Österreich und der Schweiz gemeinsam getragen, die SRG ist mit 10 Prozent beteiligt. Der Bundesrat hat signalisiert, dass er seinen Beitrag an 3sat mittelfristig streichen will.
Die geplanten Kürzungen sehen nach einer Radikalkur aus. Doch im dichten Netz der öffentlichrechtlichen Sender, das die deutschsprachige Rundfunklandschaft überzieht, sind sie durchaus zu verkraften. Abgebaut wird auf hohem Niveau. Der Jahresetat von ZDF und ARD liegt bei über zehn Milliarden Euro. Im Lauf der Jahre hat sich ein Wildwuchs von Kanälen ergeben, der kaum mehr zu überschauen ist.
Es gibt zuhauf Überschneidungen, bei manchen Sendern bewegen sich die Nutzerzahlen im fünfstelligen Bereich. Der Marktanteil von 3sat liegt bei 1,6 Prozent. Für fast jede Zielgruppe wurde ein Sender geschaffen: für Kinder, Jugendliche, Schlagerfans, ältere Menschen, Volksmusikfreunde. Und für Kulturinteressierte.
Die melden sich jetzt besonders laut zu Wort. Von Wut, Trauer und Zorn ist in den sozialen Netzwerken die Rede. Die Schriftstellerin Elke Heidenreich schimpfte über die «Idioten beim öffentlichrechtlichen Fernsehen». Der Musiker Hubert von Goisern, der Literaturkritiker Denis Scheck und der slowenische Philosoph Slavoj Žižek gehören zu den Erstunterzeichnern der Online-Petition «Rettet 3sat! Rettet unsere Kultur!», die von mehr als hunderttausend Personen unterstützt wird.
Sorge um die Demokratie
Die öffentlichrechtlichen Sender hätten den Auftrag, die Menschen zu informieren und zu bilden, sagte Sibylle Berg am Radio. Dem kämen sie aber nicht mehr nach. Gert Scobel, der selbst auf 3sat ein Wissenschaftsmagazin moderiert, macht sich in der «Frankfurter Allgemeinen Zeitung» Sorgen um die demokratische Kultur Deutschlands, wenn 3sat gestrichen wird. Die «Flachpfeifen», die für die Kürzungen verantwortlich seien, so Sibylle Berg, sollten ihre eigenen Löhne kürzen. Es sei reine Vernebelungstaktik, wenn es heisse, die Sender würden zusammengelegt. Faktisch werde einer geschlossen.
Das ist wohl richtig. Die Frage ist nur, ob damit so viel verlorengehen würde. 3sat gilt als Kultursender. Aber einen grossen Teil des Programms kann man beim besten Willen nicht unter Kultur abbuchen. Da werden stundenlang Tierdokus und Landschaftsfilme ausgestrahlt: «Erlebnisreisen: Bretagne», «Die Fuchsflüsterin», Live-Bilder aus schönen Ferienorten. Dazu kommen Zweitausstrahlungen von Produktionen der beteiligten Sendeanstalten. SRF steuert «10 vor 10», «Sternstunde Philosophie» und den «Literaturclub» bei.
Für 3sat produzierte Sendungen wie «Kulturzeit» oder das Wissenschaftsmagazin «Nano» machen nur einen Bruchteil der Sendezeit aus. Sie können problemlos bei Arte integriert oder in die Hauptprogramme der beteiligten Sender aufgenommen werden. Mit Konserven und Zweitverwertungen macht man kein Programm, dessen Streichung man bedauern müsste. Und schon gar nicht eines, das für die demokratische Kultur von Bedeutung wäre.