Die FDP versucht es literarisch +++ Selbst- und Fremdbespiegelung mit Andrea Caroni +++ Wo der Fuchs dem Wolf Gute Nacht sagt +++ Durchsagen aus der Bundesgasse
Tell from Hell
fab. Jetzt wollen sie es aber wissen. Die Freisinnigen sind seit einiger Zeit kommunikativ auf Verschärfungskurs. Bis anhin nahmen sie primär leichte Beute ins Visier wie den amtierenden Justizminister («Bundesrat Jans, bitte aufwachen!»).
Doch nun wähnt sich die FDP gestählt genug, um es mit mächtigeren Gegnern aufzunehmen: In einer am Montag verbrochenen Medienmitteilung greift die Partei keinen Geringeren an als Wilhelm Tell. Der Nationalheld bekommt sein Fett weg – oder eben nicht: Unter dem Titel «Der Speck muss weg» zeigt die FDP einen Fünfliber, auf dem nicht der bekannt kantige Tell prangt, sondern ein Tell mit einem Ranzen von obelixschen Dimensionen. Kein schönes Bild: ein adipöser Erlöser (engl.: Tell from hell).
Wacker gehen die freisinnigen Tell-Interpreten ans Werk und erfinden eine völlig neue, nicht überlieferte Szene: Der Freiheitskämpfer sitzt gefrässig in der Beiz, mit viel Appetit und wenig Geld. Soll Tell nun einen zweiten Teller bestellen oder die neue Sehne für die Armbrust kaufen? Am Ende macht er beides und hinterlässt seinem Walterli Schulden.
Richtig: Es geht um die Schuldenbremse, die Budgetdebatte und den fetten Staat. Bleibt die Frage: Darf man so mit Nationalhelden umspringen? Muss die Anti-Rassismus-Strafnorm erweitert werden? Sind das schon die Folgen der Kürzungen im Kulturbudget? Eben erst hat ein Dichterfürst den Tell besungen, heute reicht es noch für ein Parteisekretariat. 220 Jahre nach Schiller wird es schriller. Frei nach Tell beim Apfelschuss: Das kann ins Auge gehen.
Lamentierpark
Aber keine Bange, Freisinnige können auch feinsinnig. Der neue Ständeratspräsident, der Appenzeller Andrea Caroni, brachte am Montag in einer fröhlichen Antrittsrede seine ganze «ausserrhodentliche» Freude zum Ausdruck.
Also sprach Caroni: «Wir Politiker zelebrieren ja gewöhnlich das Negative. Entweder lamentieren wir über den Status quo und empfehlen uns als Veränderer, oder wir lamentieren über die Veränderung und empfehlen uns als Bewahrer. Nur zufrieden sind wir nie, ausser vielleicht – zwischendurch – mit uns selber, aber sicher nicht mit dem Bundesrat, nicht mit den anderen Parteien oder der eigenen – und schon gar nicht mit dem Zustand der Welt und der Schweiz.» Recht hat er!
Zudem: Wenn man das so liest – und das Wörtchen «zwischendurch» streicht –, muss man sagen: Politiker sind auch nur Journalisten.
Fuchs und Wolf
Manchmal geht es im Bundeshaus zu wie in der Schule. Nicht, dass die Parlamentarier etwas lernen, aber sie schieben sich gelegentlich kleine Zettel zu. So am Dienstag im Ständerat: Da rapportiert Benedikt Würth über den Wolf und dessen «zielgerichtete Regulierung» (dt.: präziser Abschuss). Er erwähnt, dass just am gleichen Tag die Vertragsstaaten der Berner Konvention über die Rückstufung des Wolfs von «streng geschützt» auf «geschützt» reden.
Plötzlich schiebt ihm der Parteikollege Beat Rieder ein Zettelchen hin. Würth, irritiert, liest und tut dann kund: Herr Rieder habe offenbar sehr direkte Kanäle in besagte Konferenz. Er habe ihm nämlich mitgeteilt, dass die Lockerung des Wolfsschutzes gerade beschlossen worden sei.
Rieder steht dem Wolf zielsicher kritisch gegenüber: als Walliser – und als politischer Fuchs. Zum Schluss bezeichnet Würth ihn aber als «Sekretär zu meiner linken Seite». Und man fragt sich, was Rieder mehr stört: «Sekretär» oder «links».