2500 Dinge und kein Ende – das Museum für Gestaltung feiert seinen 150. Geburtstag.
Dinge unserer Lebenswelt wirken ganz unterschiedlich auf uns. Sie sind angenehm und funktional gestaltet. Oder dumm und ärgerlich. Tag für Tag gleitet das Arsenal der Dinge durch unsere Hände. Wir nutzen es meist ohne Gedanken darüber, wie die Dinge gemacht sind. Dabei prägt die Gestaltung unser Verhältnis zu den Dingen viel mehr, als uns bewusst ist. Ob Wasserhahn, Staubsauger oder Parfumflacon – alles spricht seine eigene Sprache und beeinflusst unser Empfinden. Bis in alle Verzweigungen der Alltagswelt begegnet uns Gestaltung. Wir können ihr gar nicht entgehen.
Nur einen kleinen Ausschnitt aus der unendlichen Fülle der Möglichkeiten zeigt der neue Schauraum des Museums für Gestaltung im Toni-Areal. Doch «Swiss Design Collection», die zum 150-Jahr-Jubiläum eingerichtete Dauerausstellung, schafft es, ein enormes Spektrum der gestalteten Dingwelt sichtbar zu machen.
2500 Objekte – in einem einzigen Raum. Alle Sparten der Sammlung sind präsent: Kunsthandwerk, Grafik, Plakat, Typografie, Bekleidungs- und Industriedesign. Highlights ebenso wie Verborgenes aus den Archiven werden zugänglich gemacht. Die Besucher können Schubladen öffnen, am Bildschirm durch Plakate scrollen, Objekte in raumhohen Vitrinen von allen Seiten in den Blick nehmen. Oder in der Designwerkstatt gleich selbst kreativ werden.
Logos und Piktogramme
Man staunt, mit welcher ästhetischen Ordnung die Fülle der Objekte präsentiert ist. Allein die Bahnen der Stoffmuster an den Wänden sind eine reine Lust zum Schauen und verführen dazu, in den Schubladenschränken immer neue Musterbögen und Entwürfe zu entdecken. Produktdesign von der Badezimmerarmatur bis zum Bügeleisen zeigt den Wandel und die Entwicklung der Alltagsdinge. Im Schutzraum der Vitrinen haben klassische ebenso wie bizarre Stücke ihren Auftritt.
Auch die Typografie kommt nicht zu kurz und lehrt uns ganz nebenbei, wie selbstverständlich Logos und Piktogramme den öffentlichen Raum prägen. Der neue Schauraum ist eine Schatzkammer der Entdeckungen und wird einer Sammlung gerecht, die zu den besten Europas gehört.
Kimono-Mantel, 1995, Entwurf / Ausführung: Issey Miyake; Vase «Pennellate», Entwurf 1942, Ausführung: um 1960–1979, Carlo Scarpa, Herstellung: Venini & Co. Vetri Soffiate Muranesi.
Selbstverständlich ist die Dauerausstellung nicht statisch, sondern wird mit wechselnden Objekten und Inszenierungen immer wieder anders präsentiert. Sie bleibt in Bewegung, ebenso wie die Sammlung, die konsequent erweitert wird. Rund 580 000 Objekte sind es derzeit, mit Schwerpunkt Schweizer Design.
Der Fundus umfasst jedoch weit mehr als nur Design. Eine erlesene Kollektion von internationalem Kunsthandwerk gehört zum Beispiel dazu, von japanischen Tapisserien bis zu exquisiten Jugendstilobjekten. Letztere stammen nahezu alle aus Ankäufen des Direktors Jules de Praetere, der das Museum in den 1910er Jahren leitete. Um genug finanzielle Mittel für die teuren Objekte zur Verfügung zu haben, hatte er den historistischen Teil der Sammlung komplett losgeschlagen. Eine Aktion, die heute nach dem Ethikkodex des Icom unmöglich wäre. Doch das Museum verdankt ihm einen grossen Schritt in die internationale Moderne.
Diverse Standorte
Die Sammlung des 1875 gegründeten Kunstgewerbemuseums war zunächst an verschiedenen Standorten im Kanton Zürich verteilt. 1933 konnte das neue Haus an der Ausstellungsstrasse bezogen werden, eine Ikone der Schweizer Architektur, entworfen von Adolf Steger und Karl Egender. Im 2014 eröffneten Standort im Toni-Areal kam schliesslich die gesamte Sammlung unter ein Dach. Damit konnte sie direkt für Lehre und Forschung genutzt werden. Das ehemalige Areal der Joghurtfabrik ist heute der Campus der Zürcher Hochschule der Künste. Austausch mit Fachleuten aus aller Welt und interdisziplinär angelegte Ausstellungen gehören zum Programm.
Ebenso beweglich wie die neue Dauerausstellung ist der Sammlungsfundus, der beforscht und durch neue Sparten bereichert wird. Nur ein Bruchteil davon kann in den Ausstellungen gezeigt werden. Diese Beweglichkeit ist im grossen Raum von «Swiss Design Collection» gut zu sehen. Es ist kein starres Sammelsurium, sondern ein visuelles Panorama der unendlichen Formenvielfalt. Die Rückwand des Schauraums macht es ohne Erklärungen verständlich: Sie ist von oben bis unten mit Bildern des Online-Archivs bedeckt. Wo beginnt diese Dingwelt, und kann sie überhaupt eine Grenze haben? Potenziell ist sie immer erweiterbar. Wir leben in einer mit Dingen möblierten Welt.
Sammlungsarchiv mit Hochregallager; «Moins de bruit», 1960, Entwurf: Josef Müller-Brockmann, Plakatsammlung.
Wer einen Streifzug durch die Welten des Möbeldesigns machen will, kann den Besuch des Schaudepots im Untergeschoss gleich anschliessen. Das zusammen mit der Dauerausstellung erstmals öffentlich zugänglich gemachte Depot ist eine Sensation. Nicht nur durch effektvoll inszenierte Objekte, sondern durch die Architektur selbst. Über zwei Geschosse steigt man in die gläserne Unterwelt.
Parallel angelegte Gänge und Vitrinen geben Einblick, was alles noch zur Sammlung gehört: die bedeutende Möbelkollektion, Schuhe und Abendroben aus den Epochen der Mode, die berühmten Marionetten von Sophie Taeuber-Arp und vieles mehr. Im Mittelgang des Depots betritt man gläsernen Boden und kann die spektakuläre Vielfalt über beide Geschosse sehen.
Ein wenig schwindlig wird einem da schon. Nicht nur durch die gläsernen Etagen, sondern auch durch das Aufgebot der gestalteten Dinge. Es ist ein Spiegel der modernen Epoche bis in die Gegenwart. Manches überzeugt noch heute durch seine klassische Funktionalität, anderes mag bei aller Eleganz besser im Depot bleiben. Lehrreich und unterhaltsam ist es auf jeden Fall. Insgeheim möchte man sogar gern etwas mitnehmen.
«Swiss Design Collection». Museum für Gestaltung Zürich, Toni-Areal.