Die Arbeitslosigkeit in der Schweiz ist 2024 leicht gestiegen. Per Ende Jahr lag sie bei 2,8 Prozent. Damit sind die lauten Klagen über den Fachkräftemangel deutlich leiser geworden.
Der heisse Arbeitsmarkt ist vorbei. Während der Corona-Pandemie hatten sich viele Arbeitnehmende neu orientiert, teils freiwillig, teils notgedrungen. In der anschliessenden wirtschaftlichen Erholungsphase suchten deshalb viele Unternehmen, deren Geschäft wieder gut lief, händeringend nach Personal. Ihre Klagen vom Fach- und Arbeitskräftemangel waren allgegenwärtig. Nun hat der Wind allerdings gedreht.
2024 prägte die Wirtschaftsflaute den Schweizer Arbeitsmarkt. Besonders in der Industrie bremste eine deutlich nachlassende Nachfrage die Produktion. Damit verlor der Arbeitskräftemangel an Bedeutung. Die Arbeitslosigkeit stieg aber trotzdem nicht massiv an.
Ohne Berücksichtigung der saisonalen Effekte lag die Arbeitslosenquote im Dezember bei 2,8 Prozent. Der Jahresdurchschnitt lag bei 2,4 Prozent, nach tiefen 2,2 Prozent Anfang 2024. Die Arbeitslosen brauchten im Schnitt 5,8 Monate, um eine neue Stelle zu finden. Dabei geht es bei den Jüngeren mehrheitlich schneller, während die Suche bei den älteren Arbeitnehmern meist länger dauert.
Erwerbslosenquote ist etwa doppelt so hoch
Das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) berücksichtigt bei der Berechnung seiner Arbeitslosenquote allerdings lediglich die gemeldeten Arbeitslosen bei den Regionalen Arbeitsvermittlungszentren (RAV). Tatsächlich sucht aber ein grösserer Teil der Menschen nach Arbeit. Diese sind zum Teil nicht beim RAV gemeldet, weil sie keinen Anspruch auf Taggelder haben oder diese nicht in Anspruch nehmen wollen. Der Arbeitsmarkt wird vom Seco also besser dargestellt, als er aus der Perspektive von Stellensuchenden effektiv ist.
Das Bundesamt für Statistik verwendet bei der Erwerbslosenquote hingegen die Definition des Internationalen Arbeitsamtes (ILO). Als Erwerbslose gelten demnach alle Personen der ständigen Wohnbevölkerung in der Schweiz, die ohne Arbeit sind, eine Stelle suchen und innerhalb kurzer Zeit mit einer Tätigkeit beginnen könnten. Dazu zählen auch Ausgesteuerte, die nicht mehr beim RAV gemeldet sind. Im dritten Quartal 2024 lag die Erwerbslosenquote bei 4,7 Prozent und war damit etwa doppelt so hoch wie die vom Seco berechnete Arbeitslosenquote.
Chemie und Pharma stabilisieren die Schweizer Wirtschaft
Weil die Konjunktur harzte, wurden in der Industrie und dabei insbesondere in der Maschinen-, Elektro-, Metall- und Uhrenindustrie im Jahresverlauf wieder vermehrt Anträge auf Kurzarbeitsentschädigung gestellt. Im Dezember waren insgesamt 23 400 Arbeitnehmende zum Bezug von Kurzarbeitsentschädigung vorangemeldet, 10 000 mehr als ein Jahr zuvor. Erfahrungsgemäss dürfte für gut die Hälfte davon effektiv auch Kurzarbeit beansprucht werden.
Geholfen hat der Schweizer Wirtschaft hingegen, dass die Chemie- und Pharmaindustrie einen «unglaublich stabilisierenden Einfluss» auf die Konjunktur haben, wie Eric Scheidegger, Stellvertretender Direktor des Seco, an der Medienkonferenz feststellte. Der Verkauf von Medikamenten ist weder preissensitiv noch konjunktursensibel.
Mittlerweile stehen Chemie und Pharma für rund die Hälfte der Wertschöpfung in der Industrie. Das sich für die Schweiz 2024 als grosser Vorteil erwiesen. So hat etwa die Automobilindustrie für Deutschland eine ähnlich grosse Bedeutung, befindet sich aber seit zwei Jahren in einer tiefen Krise, die auch in die Schweiz ausstrahlt.
Für 2025 rechnet die Expertengruppe Konjunkturprognosen des Bundes mit einem allmählich auslaufenden Anstieg der Arbeitslosigkeit. Im Jahresdurchschnitt käme sie gemäss Prognose bei 2,7 Prozent und damit weiterhin leicht unter ihrem langjährigen Durchschnitt zu liegen. Die aktuelle Lage und die Aussichten für den Arbeitsmarkt bezeichnet das Seco damit weiterhin als gut und ausgeglichen.
Die Jugendarbeitslosenquote (15- bis 24-Jährige) lag 2024 im Jahresdurchschnitt bei 2,3 Prozent und die Arbeitslosenquote der älteren Arbeitnehmenden (50- bis 64-Jährige) bei 2,2 Prozent. Bei der mittleren Altersgruppe (25- bis 49-Jährige) erhöhte sich die Arbeitslosenquote gegenüber dem Vorjahr um 0,5 Prozentpunkte auf 2,7 Prozent.
Die insgesamt tiefe Arbeitslosigkeit führte dazu, dass der Ausgleichsfonds der Arbeitslosenversicherung 2024 voraussichtlich bei einem Gesamtertrag von 8,86 Milliarden Franken mit einem Einnahmenüberschuss von 1,55 Milliarden Franken abschliessen wird.