Der SP-Bundesrat feierte zusammen mit den Spitzen der Schweizer Muslime den Ramadan. Was er danach auf X postete, missfällt bürgerlichen Politikern und Islamkritikern.
Am letzten Dienstag lud die Föderation Islamischer Dachorganisationen (FIDS) Schweizer Prominenz zum abendlichen Fastenbrechen im Ramadan ein. Dabei war auch Justizminister Beat Jans. Am Tag darauf veröffentlichte er auf X Fotos des Anlasses, auf denen er mit dem FIDS-Präsidenten Önder Günes oder mit der Generalsekretärin Fathima Ifthikar spricht. Und dazu schrieb er: «Liebe Musliminnen und Muslime, der Islam als Religion und Sie als Menschen gehören zur Schweiz. Ramadan Mubarak!»
Mit Freude habe ich gestern Abend am Fastenbrechen der Föderation islamischer Dachorganisationen Schweiz FIDS teilgenommen. Liebe Musliminnen und Muslime, der Islam als Religion und Sie als Menschen gehören zur Schweiz. Ramadan Mubarak! pic.twitter.com/fSdIYG9D7m
— Beat Jans (@beat_jans) March 12, 2025
Den Satz, der Islam gehöre zur Schweiz, hat 2016 bereits der heutige SP-Präsident Cédric Wermuth in einem Interview mit der «Wochenzeitung» ausgesprochen, und ähnlich hatten sich zuvor die deutschen Spitzenpolitiker Wolfgang Schäuble und Christian Wulff in Bezug auf Deutschland geäussert. Doch für einen Bundesrat dürfte die Aussage eine Premiere sein.
Die Aussage stiess teilweise auf heftige Kritik. Die SVP-Nationalrätin Nina Fehr Düsel antwortete auf X knapp: «Nein, der Islam gehört nicht zur Schweiz.» Ausführlicher äussert sich der Islamkritiker Emrah Erken. Er weist Jans darauf hin, dass die Türkisch-Islamische Stiftung (TISS) Teil der FIDS sei – und dass die TISS vom türkischen Regime gesteuert werde.
«Sie finden, eine Stiftung, die von der Religionsbehörde Erdogans kontrolliert wird, gehöre zur Schweiz?», fragt Erken Jans. Es sei ihm bewusst, dass der Bundesrat inklusiv sein wolle. Aber er stosse damit ihn und viele andere Menschen, die ihre Wurzeln in der Türkei hätten, vor den Kopf, schreibt Erken. «Im Übrigen kann ich Ihnen versichern, dass die überwiegende Mehrheit der Menschen in der Schweiz, die ihre Wurzeln in einem muslimisch geprägten Land haben, nicht hier sind, um ein möglichst Scharia-konformes Leben zu führen.»
«Fremde Traditionen»
Kritisch äussert sich auf X auch der Essayist und Aktivist Kacem El Ghazzali: «Wie kann eine Religion wie der Islam, die weder aus der christlich geprägten Geschichte der Schweiz stammt, noch deren säkulare Werte teilt, die mit fremden Traditionen die alpinen Bräuche überlagert und deren Integration immer wieder an Fragen von Gleichberechtigung und Meinungsfreiheit scheitert, ernsthaft als Teil einer nationalen Identität gelten, die auf Neutralität und direkter Demokratie fusst?»
Përparim Avdili, der die Stadtzürcher FDP präsidiert und albanische Wurzeln hat, hält die Aussage von Jans für «unglücklich». Der Islam gehöre insofern nicht zur Schweiz, als diese ein säkularer Staat sei – die Muslime als Bürger des Landes hingegen schon.
Jonathan Kreutner, der Generalsekretär des Schweizerischen Israelitischen Gemeindebundes (SIG), nahm am Dienstag am Anlass der FIDS teil. Er sagt auf Anfrage: «Ich persönlich würde nicht sagen, eine Religion wie das Judentum gehöre zur Schweiz, sondern wir Jüdinnen und Juden tun dies. Ich gehe vom Menschen und vom Individuum aus – und genau so habe ich auch die Rede von Bundesrat Beat Jans zu den Muslimen verstanden.»
Deshalb hält Kreutner die Kritik an Jans für übertrieben und spitzfindig. Er glaubt, dass die Aussage, die Muslime – statt der Islam – gehörten zur Schweiz, in gewissen Kreisen ebenso für Empörung gesorgt hätte.
Jüdisch-muslimische Solidarität
Über die Feier selbst äussert sich Kreutner nur positiv. «Ich habe mich an diesem Anlass wohl gefühlt», schreibt er auf Linkedin. «Ich war unter Menschen, die zuhören und mitfühlen. Ich war unter Menschen, die zur Schweiz gehören wie wir Jüdinnen und Juden, die hier zu Hause sind, wie ich auch.»
Die Beziehungen zwischen Juden und Muslimen sind auf Verbandsebene gut, sie haben sich seit dem Massaker der Hamas am 7. Oktober 2023 und den darauffolgenden Verwerfungen, die es auch hierzulande gab, sogar noch vertieft. Das zeigte sich im Gespräch von Günes und dem damaligen SIG-Präsidenten Ralph Lewin im Frühling 2024 in der NZZ.
Die FIDS grenze sich klar von radikalen Haltungen ab und verurteile Antisemitismus, betont nun auch Kreutner. Und ruft zu einer differenzierten Sichtweise auf: Es sei wichtig, «klar zu trennen zwischen islamistisch motivierten Tätern, antisemitischen Aussagen innerhalb radikaler Kreise, in denen sich auch Muslime bewegen, und der grossen Mehrheit der Muslime, die diese Ideologie und dieses Denken nicht teilen».
Die Juden würden zu Recht ablehnend reagieren, wenn sie pauschalen Urteilen ausgesetzt seien. «Genau darum müssen wir uns auch dagegen aussprechen, wenn andere Minderheiten unter pauschalen Zuschreibungen leiden.»
Verhalten, nicht Herkunft
Den Besuch von Jans und dessen Rede bei der FIDS hält Kreutner für ein wichtiges Zeichen an die Musliminnen und Muslime in der Schweiz. «Ein Zeichen, dass sie wie alle anderen Menschen in unserem Land gleichberechtigter Teil unserer Gesellschaft sind und dass in der Schweiz jeder Mensch nach seinem Schaffen, seinem Verhalten und nicht nach seiner Herkunft beurteilt wird.»
Unterstützung bekommt Jans auch von seinen Parteikollegen. Cédric Wermuth äussert sich ebenso wie die SP-Fraktionschefin Samira Marti auf der X-Alternative Bluesky. Es schockiere sie, dass «der Hass und die Hetze gegenüber hunderttausenden muslimischen Mitbürgerinnen und Mitbürgern in unserem Land immer salonfähiger» würden, schreibt Marti. Alle seien aufgefordert, sich dagegenzustellen.
Jans’ Formulierung war kein Ausrutscher, so lässt sich eine Stellungnahme seines Departements gegenüber dem «Tages-Anzeiger» interpretieren: Der Satz sei «Ausdruck der Solidarität mit den ca. 450 000 Musliminnen und Muslimen», die in der Schweiz lebten, schreibt das EJPD. Die Reaktionen auf die Aussage würden zeigen, dass «gerade für einen Justizminister der Einsatz für die Glaubensfreiheit richtig» sei.