Die Wetterumstellung dürfte Europa in den kommenden zwei Wochen immer wieder Regen bringen. Auf den Jetstream, das Starkwindband in der Höhe, hat auch der Klimawandel einen Einfluss. Doch dieser ist schwer zu greifen.
Der Schnee schmilzt, die Temperaturen steigen auf 10 Grad Celsius oder mehr, man kann beinahe die Jacke ausziehen. Nach einer Episode mit Schnee und Frost spielt der Winter nun Frühling – nicht nur in der Schweiz, sondern auch in den Nachbarländern.
Milde Luft strömt nach Mitteleuropa, Tiefdruckgebiete transportieren sie vom Nordatlantik heran. Die atmosphärische Strömung hat sich grundlegend umgestellt, eine typische Westwindwetterlage ist entstanden. Das hat viel mit dem sogenannten Jetstream zu tun, der sich über dem Nordatlantik gerade intensiviert hat.
Der Jetstream ist ein Streifen mit sehr starkem Wind, der in 10 bis 12 Kilometern Höhe weht. Zu jeder Zeit winden sich mehrere dieser Windstreifen um den Planeten. Für das Winterwetter in Mitteleuropa ist der Jetstream besonders wichtig. Denn das Windband lenkt, gleichsam wie die Schnur einer Girlande, die Tiefdruckgebiete über uns hinweg.
Der Jetstream weht stärker als sonst
Typischerweise besitzt der Höhenwind eine Geschwindigkeit zwischen 100 und 250 Kilometern pro Stunde. Gelegentlich kann er aber noch deutlich schneller wehen, stärker als 300 oder 400 Kilometer pro Stunde. In den kommenden beiden Wochen wird der Jetstream laut Vorhersagen immer wieder ziemlich stark ausgeprägt sein – vor allem über dem Nordpazifik, immer wieder aber auch über dem Nordatlantik.
Fliegen Flugzeuge von Westen nach Osten über die Ozeane und können sie dabei den Jetstream als Transportkorridor nutzen, kommen sie in nächster Zeit deutlich schneller an ihr Ziel als nach Plan. Die Reisezeit verkürzt sich um ein Zehntel oder mehr. Das tönt eigentlich gut. Doch wenn die Flugzeuge an den Rand des Jetstreams geraten, rütteln womöglich heftige Turbulenzen die Passagiere durch. Denn am Rand des Starkwindbands neigt die Luft zum Verwirbeln.
Konsequenzen hat die Wetterumstellung auch für die Schneedecke und die Niederschläge: In den Alpen schmilzt der Schnee in tieferen Lagen, Skifahrer müssen in höhere Gebiete ausweichen. In Deutschland waren die Böden ohnehin von den Niederschlägen der vergangenen Monate schon sehr feucht, und jetzt beginnt eine neue Regenphase. Die Grundwasservorkommen, die während der intensiven Dürre des vergangenen Jahres stark zurückgegangen waren, können sich derzeit erholen.
Wetterlagen mit einem stark ausgeprägten Jetstream über dem Nordatlantik oder dem Nordpazifik führen oft zu Niederschlagsextremen in Europa und an der Westküste Nordamerikas. Das könnte auch diesmal passieren, ist aber noch nicht genau abzusehen.
Wie der Klimawandel den Jetstream verändert
Verhält sich der Jetstream auffällig, wird das in Medienberichten gerne als eine Folge des Klimawandels dargestellt. Dabei ist die Forschungslage bei diesem Thema sehr komplex, und es gibt noch grosse Unsicherheiten. Das Starkwindband zeigt auch ohne äussere Einflüsse immer wieder die unterschiedlichsten natürlichen Schwankungen, so dass Effekte des Klimawandels schwer zu erkennen sind.
Einige Wissenschafter mutmassen, die starke Erwärmung in der Arktis schwäche den Jetstream so, dass Kaltlufteinbrüche in mittleren Breitengraden häufiger würden – also zum Beispiel auch in Europa oder in den USA. Doch diese These ist äusserst umstritten. Inzwischen mehren sich die Stimmen, die diesen Einfluss der Arktis auf die mittleren Breitengrade für sehr schwach halten. In Messdaten sei er noch nicht nachweisbar, hiess es zum Beispiel neulich in einer Studie von Forschern in Massachusetts.
Auf den Jetstream wirkt sich aber auch die Erwärmung der Tropen in der Höhe aus – diese sollte den Jetstream grundsätzlich stärker machen. Sebastian Schemm von der ETH Zürich hat zusammen mit Fachkollegen neulich im Detail untersucht, wie sich der Jetstream über dem Nordatlantik verändert, und dabei sowohl Messdaten als auch Rechenmodelle ausgewertet. Eine wärmere Atmosphäre könne mehr Wasserdampf aufnehmen als früher, erläutert Schemm. Dadurch komme es zu mehr Kondensation, was Wärme freisetze. Dieser Effekt habe das Potenzial, den Jetstream zu verstärken und zu verschieben, und wirke zusätzlich zur Erwärmung der Tropen.
Noch fehlt dieser Studie das Siegel der fachlichen Begutachtung. Doch andere, bereits geprüfte Arbeiten gehen in die gleiche Richtung. Vor allem während Episoden mit einem besonders schnellen Jetstream werde dieser noch etwas schneller werden, berichtete Tiffany Shaw von der University of Chicago neulich gemeinsam mit anderen Forschern im Fachjournal «Nature Climate Change».
Shaws Studie beruht auf Simulationen mit Rechenmodellen der Atmosphäre. Bis man die Verstärkung des Jetstreams an Beobachtungsdaten erkennen kann, muss laut der Forscherin noch viel Zeit vergehen – unter Umständen wird es bis zu dem Nachweis noch bis zum Jahr 2050 dauern.