Noch vor wenigen Jahren dominierte die Erderwärmung den Diskurs. Heute ist sie kaum mehr ein Thema. Das hat triftige Gründe.
Es ist noch nicht lange her, da warnten Regierungen vor einer «existenziellen Bedrohung» und der «grössten Herausforderung der Menschheitsgeschichte». Doch trotz der Alarmstimmung und den mittlerweile immer deutlicher wahrnehmbaren Kosten der Klimapolitik steigen die globalen Treibhausgasemissionen und die Durchschnittstemperaturen weiter. Zurückgegangen sind hingegen die Klimaproteste und die Aufmerksamkeit für die «Klimakatastrophe». Was erklärt den Aufstieg und Niedergang dieses Themas?
In den 1990er Jahren erschien es unwahrscheinlich, dass Klimaschutz ein politisches Leitthema werden würde. Denn die Reduktion von CO2– und anderen Treibhausgasemissionen bringt unmittelbar Kosten, während die Nutzen erst in ferner Zukunft anfallen und ungewiss sind. Politik und Gesellschaft hingegen haben es lieber, wenn der Nutzen lange vor den Kosten anfällt.
Zugleich ist Klimaschutz ein «globales öffentliches Gut». Länder und Personen, die ihre Emissionen reduzieren, tragen die Kosten selbst. Der Nutzen hingegen verteilt sich weltweit, so dass der eigene Beitrag kaum eigenen Gewinn bringt. Damit sind die Anreize klein, eigenständige und dauerhaft substanzielle Beiträge zum Klimaschutz zu leisten.
Der Klimaschutz wurde zum Geschäft
Zwar könnte wirksamer Klimaschutz theoretisch durch internationale Abkommen erreicht werden, doch scheitern diese an der Realität. Den Regierungen vieler Unterzeichnerstaaten bedeuten demokratische Prinzipien sowie das Wohl ihrer eigenen Bürger wenig. Dass sie Klimaverträge zum Wohle der Menschheit umsetzen wollen, war nie glaubwürdig. Und selbst Demokratien können aus internationalen Verträgen aussteigen, wie etwa die USA.
Trotzdem erlangte Klimaschutz enorme öffentliche Aufmerksamkeit, beeinflusste Wahlen und mobilisierte Massen. Die moderne politische Ökonomik liefert eine Erklärung: Je schwieriger ein Problem zu lösen ist und je länger es deshalb existiert, desto besser eignet es sich für politische Bewirtschaftung. Diese zielt aber weniger auf wirksamen Klimaschutz als auf Klimaschutzausgaben – zum Vorteil einflussreicher Interessen. Sechs Mechanismen waren dafür zentral:
1. Expressives Verhalten: Weil der Beitrag eines einzelnen Landes zum Klimaschutz kaum ins Gewicht fällt, kommt es nicht darauf an, ob seine Politik effektiv ist. Im öffentlichen Diskurs ging es deshalb in der Regel nicht um die Frage, ob und welche Klimaschutzmassnahmen effizient wären. Vielmehr ging es darum, sich moralisch zu positionieren, symbolisch das «Richtige» zu tun. Dafür ideal war die feierliche Proklamation von langfristigen «Klimazielen» mit schrittweiser Umsetzung, so dass die Kosten erst Jahre später zu Buche schlagen.
2. Neue Geldquellen: Trotz verzögertem Kostenanfall boten die beschlossenen Massnahmen sofortige Geschäftschancen zwischen Politik und Wirtschaft, etwa mittels langfristiger Subventionsversprechen für erneuerbare Energien. Manche Unternehmen dürften noch lange davon leben, wohlklingende «nachhaltige» Produkte, Beratung und Zertifizierungen an diejenigen zu verkaufen, die mit den Klimaregulierungen ringen.
3. Profiteure in der Politik: Das Thema Klimaschutz ermöglichte es den politischen Akteuren, die es früh besetzten, ihre Deutungshoheit und ihre Machtbasis auszubauen. Auf Kritik mussten sie kaum sachlich reagieren, weil das Thema so moralisierend behandelt wurde. Zugleich stärkten die unter dem Banner des Klimaschutzes eingeführten Subventionen, Regulierungen und Abgaben die politischen Handlungsspielräume und Einnahmequellen. Klimaschutz wurde damit auch Umverteilungs- und Klientelpolitik.
4. Verwaltung liebt Regulierung: Indem sie die Zielkonflikte und den beschränkten Einfluss nationaler Klimapolitik auf das Weltklima ignorierten, konnten staatliche Verwaltungsabteilungen die politische, moralisierende Linie mit der stetigen Ausweitung regulatorischer Massnahmen nutzen, um zusätzliche Zuständigkeiten, Einfluss, Ressourcen und institutionelle Bedeutung zu erlangen.
5. Sündenbock: Der Klimawandel bot eine bequeme Erklärung für politische Missstände. In vielen Entwicklungsländern wird Armut auch der Erderwärmung zugeschrieben, statt dass man strukturelle Ursachen wie Korruption oder ineffiziente Regierungsführung offen benennt und angeht. Auch in Industrieländern eignete sich das Thema hervorragend, um eigenes politisches Versagen zu kaschieren, etwa in der Infrastrukturpolitik.
6. Kostenüberwälzung: Schlechte Klimapolitik belastet Unternehmen mit höheren Kosten. Doch solange auch ihre Konkurrenten betroffen sind, können sie die Kosten weitgehend auf ihre Preise und so ihre Kunden abwälzen. Es kann sogar zu einer Art «Überüberwälzung» kommen: Wenn die Klimaschutzregulierungen die für die Preisbildung relevanten Grenzkosten (die Kosten für zusätzliche Produktion) stärker steigen lassen als die Durchschnittskosten, dann bringt Klimapolitik den regulierten Unternehmen sogar Zusatzgewinne auf Kosten der Konsumenten. Dies könnte auf die europäischen CO2-Emissionszertifikate zutreffen, über die die Produzenten in vielen Branchen verfügen müssen, die ihnen aber grossenteils vom Staat geschenkt werden.
Der Blick auf das Problem wird realistischer
Nun aber scheint sich die grundlegende ökonomische Logik durchzusetzen: Echter Klimaschutz erfordert effektives globales Handeln – das aber kaum zustande kommt. Nach langjähriger, intensivster politischer Bewirtschaftung des Klimaschutzes verliert diese an Attraktivität, beschleunigt durch sechs Entwicklungen:
1. Rückkehr der Vernunft braucht Zeit: Nun, knapp dreissig Jahre nach dem Kyoto-Protokoll, rücken die einschneidenden «Klimaziele» näher, und die Kosten für die Zieleinhaltung steigen rasant. Da weicht das Moralisieren langsam dem ernsthafteren Abwägen von Vor- und Nachteilen der Klimapolitik, wobei immer klarer wird, wie ineffizient und teuer die bisherigen Strategien sind.
2. Themenkonkurrenz: Mit der Rationalisierung des Klimadiskurses treten andere Prioritäten wie Altersvorsorge und Verteidigung in den Fokus und so in Zielkonflikt mit dem Klimaschutz. Ein Franken kann schliesslich nicht gleichzeitig für Emissionsreduktion, Alterssicherung und militärische Sicherheit ausgegeben werden.
3. Alles wird relativ: Je intensiver der Klimaschutz diskutiert wird, desto grösser wird das Bedürfnis nach Verhältnismässigkeit. Klimaschäden erscheinen zwar in absoluten Zahlen hoch. Aber im Verhältnis zur Wirtschaftsleistung wirken sie in den meisten Industrie- und Schwellenländern kaum dramatisch und sind durch gute Wirtschaftspolitik leicht auszugleichen.
4. Perspektivenwechsel. Die Tatsache, dass das «Klimaziel» von 1,5 Grad schon erreicht ist, lässt die Menschen erkennen, dass der Referenzzeitpunkt für die ganze Diskussion der Beginn der Industrialisierung (ab 1850) ist. Die meisten halten aber die Bedeutung der bisherigen Erwärmung in dieser Zeit für eher gering. Vieles spricht dafür, dass dies auch in Zukunft gilt.
5. Anpassung statt Prävention: Da effektiver globaler Klimaschutz kaum mehr realistisch wirkt, gewinnt Anpassung an den Klimawandel zunehmend an Bedeutung. Anpassung lässt sich lokal umsetzen, wirkt unmittelbar und ist gut vermittelbar. Investitionen in Infrastruktur, Kühlungstechnologien oder urbanes Design sind greifbar und erzielen direkte Effekte – oft zu tiefen Kosten.
6. Klimatechnologien: Neue technologische Ansätze rücken zunehmend in den Fokus, etwa die Entfernung von CO2 aus der Atmosphäre oder Geoengineering zur gezielten Beeinflussung des Strahlungshaushalts. Sie bieten neue Möglichkeiten zur Bewirtschaftung des Klimawandels: Neue Anbieter können staatliche Unterstützung fordern und Politiker ambitionierte Ziele verkünden, wiederum ohne sofort unpopuläre Massnahmen ergreifen zu müssen. Gleichzeitig lässt die Hoffnung auf zukünftige Technologien die Bereitschaft zu «traditionellem» Klimaschutz sinken.
So dürfte der einst als Menschheitsaufgabe beschworene globale Klimaschutz zunehmend zu einem Randthema werden – überholt von realistischeren, greifbareren und durchsetzbareren Alternativen. Damit fragt sich, ob es denn keinen realistischen Klimaschutz gäbe. Die Antwort lautet: Doch, mit echter Kostenwahrheit. Jedes Land könnte einen angemessenen, ausnahmslosen CO2-Preis einführen. Dieser würde die richtigen Anreize für Produzenten und Konsumenten setzen. Damit würden aufwendige Regulierungen und teure Subventionen für emissionsärmere Technologien hinfällig.
Die Einnahmen aus der CO2-Bepreisung müssten vollständig an die Bevölkerung zurückfliessen – etwa durch niedrigere Steuern auf Arbeit oder Konsum. Diese Lösung wäre nicht nur effizienter, sondern auch sozialverträglicher: Die Belastung durch einen solchen CO2-Preis wäre weit geringer als jene durch die heutigen Eingriffe. Und auf internationaler Ebene böte ein solcher Ansatz eine realistische Chance, das Klimaproblem wirksam anzugehen.
Und wo ist das Problem? Regierungen und gewisse Organisationen haben an dieser Lösung kaum Interesse. Ein CO2-Preis, dessen Aufkommen vollständig an die Bürger zurückfliesst und Subventionen und Regulierungen unnötig macht, dient weder Regierung und Verwaltung noch den Subventionsprofiteuren. Und so bleibt der wohlfahrtserhöhende Weg oft versperrt – nicht aus wirtschaftlichen, sondern aus politischen Gründen.
Reiner Eichenberger ist Professor für Theorie der Wirtschafts- und Finanzpolitik an der Universität Freiburg i. Ü.
David Stadelmann ist Professor für Volkswirtschaftslehre an der Universität Bayreuth.