Vor dem Start in die Finalserie spricht zwar vieles für die ZSC Lions. Doch Lausanne ist Qualifikationssieger und hat Heimvorteil. In der Westschweiz fiebert eine ganze Region dem ersten Meistertitel entgegen.
Stellt man die beiden Play-off-Finalisten gegenüber, dann spricht zumindest auf dem Papier nicht viel für den Lausanne HC. Die ZSC Lions scheinen vom Torhüter bis zum dreizehnten Stürmer besser und vor allem breiter aufgestellt zu sein. Entsprechend problemlos qualifizierte sich der Titelverteidiger für die Reprise der letztjährigen Finalserie, die am Dienstag in Lausanne beginnt (ab 20 Uhr). Sollte etwas doch für eine erfolgreiche Revanche der Waadtländer sprechen, dann ist es der Heimvorteil, der diesmal auf ihrer Seite liegt.
Im Play-off-Final vor einem Jahr endeten alle sieben Partien mit Heimsiegen. Der Lausanne HC wird getragen von einem euphorisierten Anhang. Am Samstag nach dem 5:1 im siebenten Halbfinalspiel gegen Fribourg-Gottéron harrte der harte Kern der Waadtländer Fans noch lange nach Spielschluss auf seinem Platz aus und feierte die Spieler.
In Lausanne ist das Eishockeyfieber ausgebrochen. Der Lärmpegel in der Vaudoise-Arena erreichte in der Halbfinalserie regelmässig einen alarmierend hohen Lärmpegel. Tous Lausanne fiebert dem ersten Meistertitel des LHC entgegen.
Gegründet 1922 als Sektion des Club des Patineurs de Lausanne, gehört der Klub zu den ältesten im Schweizer Eishockey. Er besteht länger als die ungleich erfolgreicheren Klubs SC Bern und Zürcher SC (beide seit 1930). Doch die Geschichte des Lausanne HC ist von Rückschlägen und Enttäuschungen geprägt. Mehr als einmal schien der Verein vor dem definitiven Ende zu stehen. Die Besitzer wechselten, geblieben ist die notorische Erfolglosigkeit. Zumindest bis vor kurzem.
In Lausanne herrscht grosse Euphorie
Dreimal war Lausanne Meisterschaftszweiter (1950, 1951, 2024). Zu den prägendsten Spielern in den erfolgreichen 1950er Jahren gehörten Claude Friedrich, Gérard Dubi und Jean-Guy Gratton, die eine landesweit gefürchtete Sturmlinie bildeten. Sie «verbreitete in der ganzen Liga Terror», wie auf der Website der Fan-Vereinigung Lausanne HC-Partisans nachzulesen ist.
Ueli Schwarz ist einer der besten und am weitesten gereisten Kenner der Schweizer Eishockeyszene. Zwischen 2002 und 2004 arbeitete er als Sportchef für den Lausanne HC, heute analysiert er die Meisterschaft als Experte für MySports. Vor der letztjährigen Finalserie sagte er der NZZ: «Die Euphorie rund um das Eishockey ist in Lausanne enorm, ganz egal, in welcher Liga und mit wie viel Erfolg der Klub gerade unterwegs ist. Gleichzeitig ist dieses emotionale Umfeld für den LHC auch immer wieder zum Stolperstein geworden.»
Mehrmals haben sich Glücksspieler und Gaukler am Klub und in dessen Einflussbereich versucht. Zuerst tat dies der Genfer Hugues Quennec zusammen mit seinem Kompagnon Chris McSorley. Als deren Doppelrolle in Genf und Lausanne publik wurde und von der Liga gestoppt wurde, gaben sie ihre Aktien an den Amerikaner Ken Stickney und dessen Avenir-Gruppe weiter, die zuvor in Kloten versucht hatte, Geld zu verdienen, und dabei einen erheblichen wirtschaftlichen Schaden angerichtet hatte.
Von Stickney wanderten die Aktien in die Hände von Gregory Finger, Zdenek Bakala und Petr Svoboda weiter. Svoboda, ein ehemaliger NHL-Spieler und späterer Spieleragent, blähte den Betrieb des LHC mit unsinnigen Transfers auf, bis er irgendwann 39 Spieler mit zum Teil wahnwitzigen Löhnen unter Vertrag hatte.
Am 22. November 2022 trat Svoboda von seinem Posten in Lausanne zurück. John Fust übernahm seine Rolle als Sportchef. Das Datum markiert einen Wendepunkt und so etwas wie die zweite Geburtsstunde in der Geschichte des Lausanne HC. Seither scheint Ruhe eingekehrt. Alleiniger Besitzer ist heute der amerikanisch-russische Doppelbürger Gregory Finger, der im Rohstoffhandel ein Vermögen gemacht hat, seit Jahren in der Genferseeregion lebt und öffentlich kaum je in Erscheinung tritt. Interviews mit ihm sind ebenso rar wie Bilder oder andere Zeugnisse seiner Existenz.
Die sportliche Führung übertrug der Lausanne HC Geoff Ward, einem 62-jährigen Kanadier, der 2011 als Assistenzcoach der Boston Bruins den Stanley-Cup gewonnen hatte. Ward wird von Branchenkennern als entscheidende Figur im Wandel des LHC vom Krisen- zum Topklub bezeichnet. Den Kanadier zeichnet seine fast schon stoische Ruhe aus, die er beim Coaching während des Matchs offensichtlich auf seine Mannschaft überträgt. Schwarz bezeichnet ihn als intelligenten Coach, der genau spüre, was seine Mannschaft brauche und wie er die Spieler am besten einsetze.
In der vergangenen Saison fand Ward in der Finalserie in Marc Crawford einen ebenbürtigen Gegenspieler auf der Seite des ZSC. Doch der frühere Stanley-Cup-Sieger Crawford hat seinen Posten an der Bande der Lions Ende 2024 abgegeben. Seither coacht Marco Bayer die ZSC Lions. Das könnte womöglich ein weiterer Vorteil für die Lausanner sein. Obwohl auch schon 52 Jahre alt, ist Bayer erstmals Headcoach in einem Play-off-Final. Wie er mit dem Druck umgeht, ist offen.
Ein neuer Publikumsrekord noch vor dem Final
In Lausanne fiebern die Fans deshalb dieser Finalserie entgegen. Man hofft, zwei Jahre nach Genf/Servette der nächste Meister aus der Westschweiz zu sein. Die grosse Euphorie ist von der West- auf die Deutschschweiz übergesprungen und schlägt sich in den Zuschauerzahlen der ganzen Liga nieder. Schon vor dem Beginn des Play-off-Finals haben 3,12 Millionen Zuschauer einen Match der National League besucht. Die Stadionauslastung betrug ligaweit 92 Prozent. Das sind Rekordwerte.
In Lausanne, Freiburg und auch Zürich waren die Hallen praktisch immer ausverkauft. Das siebente Spiel der Viertelfinalserie zwischen Fribourg-Gottéron und dem SC Bern erreichte im Fernsehen eine durchschnittliche Einschaltquote von 200 000 Zuschauern, obwohl die Partien heute nicht mehr auf den Kanälen der SRG, sondern auf MySports und TV24 zu sehen sind.
Nun also folgt der letzte Akt dieses Spektakels. Der Ausgang der Finalserie ist weit offener, als es die Dominanz der ZSC Lions vermuten lässt. Die Qualifikation gewann der Lausanne HC und nicht die ZSC Lions. Deshalb haben die Westschweizer nun Heimvorteil. Das könnte zum entscheidenden Trumpf im Duell der beiden Löwen-Teams werden.