Ein Teil der FCZ-Anhänger wünscht sich ein Signal gegen sexualisierte Gewalt. Der Klub findet, zu Benjamin Mendy sei alles gesagt.
Sieben Wochen ist es mittlerweile schon her, seit der FC Zürich die Verpflichtung von Benjamin Mendy bekanntgegeben hat. Sieben Wochen, das ist im Fussball eine lange Zeit, und wahrscheinlich haben die Verantwortlichen gehofft, dass sich die Wogen irgendwann ganz von selbst wieder glätten werden.
Doch der Transfer des Franzosen lässt dem Klub keine Ruhe, er treibt einen Teil seiner Fans weiter um, das zeigt ein offener Brief an die Vereinsleitung, namentlich an Heliane und Ancillo Canepa, der am Frauen-Cup-Final am Samstag und am Stadtderby am Sonntag im Letzigrund kursierte.
Darin wird kritisiert, dass die Werte des Klubs infrage gestellt würden, zudem werden verschiedene Forderungen erhoben. Zur Bekräftigung dieser Forderungen werden Unterschriften gesammelt. Die Initianten und Initiantinnen bezeichnen sich als «FCZ-Anhänger*innen», Genaueres ist nicht bekannt. Aber es ist kein Geheimnis, dass sich die Kritik an der Verpflichtung Mendys durch alle Sektoren des Stadions zieht. Viele Frauen empfinden ihn als unerträglichen Affront.
Mit Mendy hat sich der FC Zürich Mitte Februar einen Fussballer mit einer fragwürdigen Vorgeschichte in den Klub geholt. Der Franzose gehörte 2018 zum französischen Weltmeisterteam. Aber Mendy ist eben nicht nur der WM-Champion, der einst für viele Millionen Franken zu Manchester City wechselte. Er ist auch ein Fussballer, der wegen Vergewaltigungsvorwürfen, die mehrere Frauen betrafen, monatelang in Untersuchungshaft sass. Dem ein Prozess gemacht wurde, der zwar wegen fehlender Beweise mit einem Freispruch endete, aber auch einen Mann zeigte, der Frauen rücksichtslos für seine Bedürfnisse benutzte.
Manche Fans mögen nicht mehr ins Stadion kommen
Diesem Teil der Mendy-Biographie schenkte der FC Zürich zunächst kaum Beachtung. Canepa liess in einer ersten Stellungnahme auf Anfrage der NZZ wissen, dass die Vorgeschichte Mendys bei der Verpflichtung «kein Thema» gewesen sei. Und er sagte auch, dass bekannte Fussballer «begehrte Objekte» seien, die auch «ohne ein Fehlverhalten» eingeklagt würden.
Es sind gerade diese Sätze – das zeigt der offene Brief –, die unter den Fans bis heute für Empörung sorgen. Mit der Aussage, heisst es darin etwa, «haben Sie, Herr Canepa, eine klassische Täter-Opfer-Umkehr betrieben». Der Hintergrund: Bei Vergewaltigungsanzeigen ist die Beweisführung oft schwierig. Im offenen Brief zitieren die Autoren eine Studie aus England, wonach nur drei Prozent der Anzeigen «wahrscheinlich» oder «möglicherweise» Falschanschuldigungen gewesen seien.
Zudem schreiben die Absender, die vergangenen Wochen hätten bei ihnen sehr viel ausgelöst. Dass sie sich fragten, ob sie es weiter mit ihrem Gewissen vereinbaren könnten, FCZ-Spiele zu besuchen oder ihre Kinder in ein Probetraining des Klubs zu schicken. Und dass einige von ihnen diese Frage für sich bereits mit Nein beantwortet hätten.
Weiter wird die Frage formuliert, wie ein Verein, der sexuelle Gewalt öffentlich relativiere, potenziell Betroffenen die nötige Sicherheit bieten könne. Die Verfasser fordern vom Klub ein Signal an alle, die sich von ihm im Stich gelassen fühlen. Und nennen eine Reihe von Punkten, die umgesetzt werden müssen, damit sie den FCZ «auch weiterhin mit Herzblut» unterstützen können.
Das beginnt beim Aufruf an den Präsidenten Canepa, die Aussage, wonach Fussballer gerne auch ohne Fehlverhalten eingeklagt würden, richtigzustellen. Weiter soll sich Benjamin Mendy öffentlich und glaubhaft von seinem früheren Frauenbild distanzieren. Vom Klub verlangen die Initiantinnen und Initianten verschiedene Massnahmen gegen sexualisierte Diskriminierung und Gewalt. Etwa einen Massnahmenplan, um ein sicheres Umfeld zu gewährleisten. Oder eine Anlaufstelle für Betroffene.
Der Klub schweigt
Wie reagiert der FC Zürich auf den offenen Brief? Auf Anfrage der NZZ schreibt der Klub, er habe zum «Thema Mendy» bereits ausführlich Stellung bezogen, es gebe aus seiner Sicht nichts Weiteres dazu zu sagen. Auf Fragen bezüglich der im Brief genannten Massnahmen geht er nicht weiter ein. Unklar bleibt, inwiefern er Kenntnis hat von den Forderungen. Doch die Reaktion ähnelt jener unmittelbar nach der Verpflichtung von Mendy: Abwiegeln soll kritische Stimmen verstummen lassen.
In den vergangenen Wochen hatte der Klub versucht, den Schaden in Grenzen zu halten. Unter anderem stellte sich der Präsident Canepa in einem Interview, das der FCZ über seine Kanäle verbreitete, den Fragen der ehemaligen SRF-Journalistin Karin Frei. In diesem räumte Canepa ein, dass seine Aussage «etwas schräg rübergekommen» sei. Selbstkritik, ein bisschen zumindest.
Weitere Wortmeldungen zum «Thema Mendy» halten die Verantwortlichen im FC Zürich anscheinend nicht für notwendig. Für Präsident Canepa haben andere Themen Priorität. In den letzten Tagen bat er FCZ-Fans etwa, keine Graffiti an fremden Hauswänden anzubringen; diese Aktionen schadeten dem Image des FC Zürich. Und er lancierte mit dem Zürcher Tierschutz das Projekt «Adoptieren statt kaufen», das Hunden ein neues Zuhause verschaffen soll. Beides sind wichtige Themen. Aber für den FC Zürich womöglich gerade nicht die wichtigsten.