Mark Rutte fürchtet, Russland könnte Atomwaffen künftig zur Kriegsführung im Weltraum einsetzen. Die wichtigsten Fragen und Antworten zum Thema.
Der Nato seien Berichte bekannt, wonach Russland die Möglichkeit prüfe, Atomwaffen im Weltraum zu platzieren. Dies sagte der Nato-Generalsekretär Mark Rutte am Wochenende gegenüber der «Welt am Sonntag». Doch wie würde ein Atomwaffeneinsatz im All funktionieren?
Wie würde sich eine Atombombenexplosion auf der Erde von einer im Weltraum unterscheiden?
Eine Atombombenexplosion im Weltraum würde sich grundlegend von einer Detonation auf der Erde unterscheiden. Wegen der fehlenden Atmosphäre gäbe es keinen Feuerball, keine Druckwelle, keine charakteristische Pilzwolke. Stattdessen wird im Weltraum die gesamte Energie der Bombe in Form von elektromagnetischer Strahlung freigesetzt.
Was passiert bei einer Atombombenexplosion im Weltraum?
Eine Explosion im Weltraum hätte drei zerstörerische Wellen zur Folge. Zunächst käme es zu einem grellen Blitz von Gammastrahlung. Dieser würde Satelliten in einem Umkreis von etwa achtzig Kilometern sofort zerstören. Dann folgt der elektromagnetische Impuls (EMP), der hauptsächlich aus Röntgenstrahlung besteht. Je nach Intensität und Ort der Detonation verursacht der EMP Schäden am Boden und im Orbit. Ungeschützte elektronische Geräte oder Raumfahrzeuge werden beschädigt oder gar zerstört. Zuletzt bildet sich als Folge der Explosion ein Strahlungsgürtel entlang des Magnetfelds der Erde, der auf Jahre hinaus bestehen bleibt. Diese Strahlung ist zwar weniger unmittelbar, aber kann die Lebensdauer von Satelliten dennoch verkürzen.
Was wären die Folgen?
Das Ziel eines Atomwaffeneinsatzes im Weltraum wäre höchstwahrscheinlich die Zerstörung gegnerischer Satelliten. Experten sind sich aber einig, dass man die Folgen nicht kontrollieren kann. Ein Szenario, in dem eine Atombombe nur ausgewählte Satelliten zerstört, während sie andere verschont, gibt es nicht. Was zerstört wird, hängt davon ab, wo die Bombe detoniert. Heute kreisen etwa 10 000 Satelliten um die Erde. Victoria Samson, Direktorin der Abteilung Weltraumsicherheit und -stabilität der Secure World Foundation, schätzt, dass ein beträchtlicher Teil der über 7000 Starlink-Satelliten der Firma SpaceX offline gehen würde. Dies wiederum könnte direkte Auswirkungen auf den Krieg in der Ukraine haben. Denn die ukrainischen Streitkräfte kommunizieren grösstenteils über Starlink. Zudem könnte die Internationale Raumstation (ISS) oder die chinesische Raumstation Tiangong beeinträchtigt werden. Einerseits kann die Strahlung zu Systemabstürzen führen, andererseits könnte sie so hoch sein, dass die Sicherheit der Besatzungen gefährdet wird.
Sind Atomwaffen im Weltraum erlaubt?
Nein. Verschiedene internationale Verträge verbieten die Stationierung, geschweige denn den Einsatz von Atomwaffen im Weltraum. So verbietet etwa der Uno-Weltraumvertrag von 1967 die Stationierung von Atomwaffen im Weltraum. Und bereits 1963 schlossen die USA, die Sowjetunion und Grossbritannien einen Vertrag über das Verbot von Atomwaffentests, der auch für den Weltraum gilt.
Wurde schon einmal eine Atomwaffe im Weltraum eingesetzt?
Zwischen 1958 und 1962 wurden von den USA und der Sowjetunion mehrere Atombombentests im Weltraum durchgeführt. Besonderes Aufsehen erregte der amerikanische Test namens Starfish Prime 1962. Damals zündeten die USA in einer Höhe von 400 Kilometern einen atomaren Sprengkopf. Die Detonation zerstörte 9 der damals etwa zwei Dutzend aktiven Satelliten. Zudem wurden auf Hawaii elektronische Einrichtungen beschädigt, und Hunderte Strassenlampen fielen aus.
Braucht man eine Atombombe, um Satelliten zu zerstören?
Nein. Länder wie die USA, Russland, China oder auch Indien verfügen über andere Mittel, um Satelliten zu zerstören. Sie haben beispielsweise alle in den vergangenen Jahren an eigenen Satelliten demonstriert, dass sie Satelliten mittels Raketen abschiessen können. Hinzu kommen Berichte über sogenannte «rendezvous and proximity operations». Dabei nähert sich ein Satellit einem anderen an, um ihn lahmzulegen.