Die Mehrheit des Zürcher Kantonsrats hält nichts von einem Vorkaufsrecht für Gemeinden bei Immobiliengeschäften. Auch nicht in einer Light-Version.
Je sperriger die Themen, desto hilfreicher sind anschauliche Bilder. Das weiss jeder Politiker, das weiss auch der Zürcher EVP-Kantonsrat Donato Scognamiglio. Um zu erklären, was mit einem Vorkaufsrecht gemeint ist, zieht er den Vergleich zu einer kirchlichen Trauung: Braut und Bräutigam stehen vor dem Altar, alle sind bereit. Nur der Pfarrer nicht. Anstatt die Ehewilligen zu vermählen, sagt er kurzentschlossen zur Frau: «Dich heirate ich selber!»
Ungefähr so soll es in Zürich künftig bei Immobiliengeschäften ablaufen. Zumindest wenn es nach dem Willen des Komitees hinter der Vorkaufsrecht-Initiative geht. Darüber hat das Kantonsparlament am Montag fast vier Stunden lang hitzig debattiert.
Die Eheleute sind in diesem Fall die Verkäufer und Käufer eines Grundstücks. Der Pfarrer, der dazwischengrätscht, ist die Gemeinde. Mit der Initiative aus links-grünen Kreisen sollen Städte und Dörfer die Gelegenheit erhalten, einzugreifen und die Liegenschaft zu den Bedingungen des Käufers zu erwerben. So soll aus ihrer Sicht mehr günstiger Wohnraum entstehen.
Die bis anhin beteiligten Parteien sollen für ihre Aufwendungen und die aufgelaufenen Zinsen «angemessen» vergütet werden. Zudem gibt es Ausnahmeregeln: Eigentumsübertragungen zwischen Familienangehörigen sollen zum Beispiel weiterhin möglich sein.
Lehren aus dem Abstimmungssonntag?
Die Initianten und ihre Unterstützer gaben am Montag alles, um die Vorlage als pragmatische Lösung zu verkaufen. Die Gegner warnten vor heftigen Einschnitten in die Wirtschafts- und Vertragsfreiheit. Stark umworben waren die Zentrumsparteien.
Rafael Mörgeli (SP, Stäfa) sprach insbesondere GLP und Mitte ins Gewissen, die sich zuvor mehrheitlich gegen die Initiative ausgesprochen hatten. «Sie politisieren an der Bevölkerung und der eigenen Wählerschaft vorbei», sagte er. Die Interessen der Spekulanten seien ihnen offensichtlich wichtiger als jene der Mieterinnen und Mieter.
Mörgeli verwies auf den zurückliegenden Abstimmungssonntag und das Nein zur Senkung der Firmensteuern. Auch dort seien GLP und Mitte gemeinsam mit den Bürgerlichen «auf Tutti» gegangen – und kläglich gescheitert. «Diese bittere Niederlage müsste Ihnen eigentlich in den Knochen stecken.»
Zudem seien mehrere grünliberale und Mitte-Exekutivmitglieder im Initiativkomitee vertreten. «Sie sehen, dass die heutige Wohnpolitik nicht funktioniert.» Immerhin einem Gegenvorschlag, den die EVP eingebracht hatte, müssten die Zentrumsparteien doch zustimmen, fand der SP-Sprecher.
Ein Schlossherr und sein «Vorkaufsrecht light»
Besagter Gegenvorschlag sorgte schon im Vorfeld der Kantonsratsdebatte für eifrige Diskussionen. Donato Scognamiglio (EVP, Freienstein-Teufen) – der Mann mit den anschaulichen Bildern – versuchte, seine Lösung dem skeptischen Teil des Rats schmackhaft zu machen.
Der Immobilienfachmann, der selbst in einem Schloss im Tösstal lebt, schilderte eine Begegnung, die er im Wahlkampf mit einer alten Dame hatte. Die Frau habe 40 Jahre lang in einer Wohnung in Kloten gelebt, nun müsse sie das Haus wegen neuen Plänen der Eigentümer verlassen. «Was sage ich dieser Frau? Sie solle in den Thurgau ziehen?»
Auch er würde liebend gerne den Markt spielen lassen, um das Wohnungsproblem in den Griff zu bekommen. Aber so einfach sei es leider nicht. «Wir sollten höher, dichter, schneller und einfacher bauen», sagte Scognamiglio. Doch die vielen Vorschriften verunmöglichten dies. Zudem seien neu gebaute Wohnungen teurer als alte. «So ist es nun einmal.»
Scognamiglios Gegenvorschlag sah ein «Vorkaufsrecht light» vor. So soll eine Gemeinde das Recht beispielsweise nur dann einführen können, wenn vor Ort weniger als 0,5 Prozent aller Wohnungen leer stehen. Der EVP-Mann sprach von einem Kompromissvorschlag, der an der Urne Chancen habe – und die Initiative, die für ihn «zu weit» gehe, verhindern könnte.
Das sah man auf bürgerlicher Seite entschieden anders. Doris Meier (FDP, Bassersdorf) dankte zwar für die Idee eines Kompromisses. «Aber das Gegenteil von gut ist gut gemeint.» Auch mit dem Gegenvorschlag würde das Vorkaufsrecht in Zürich etabliert, zudem würden in diesem Fall Gemeinden unterschiedlich behandelt, was zu zusätzlicher Rechtsunsicherheit führe.
Meier erwähnte eine vom Kanton in Auftrag gegebene Studie des Beratungsunternehmens Wüest Partner, die sich mit dem Vorkaufsrecht auseinandergesetzt hat. Deren Fazit: Das Instrument entfaltet eine kleine Wirkung bei hohem Einsatz von staatlichen Ressourcen.
Markus Bopp (SVP, Otelfingen) verwies auf das Negativbeispiel Genf, wo schon heute ein Vorkaufsrecht und zig andere Regulierungen gälten. Zu starke staatliche Eingriffe in den Immobilienmarkt führten dazu, dass der Wohnungsbestand in schlechtem Zustand sei. Niemand habe mehr Lust zu investieren. Das wahre Problem sei die hohe Nachfrage – sprich die anhaltende Zuwanderung. Um damit Schritt zu halten, müssten 40 Wohnungen pro Arbeitstag erstellt werden.
Walker Späh wirbt für ihren Gegenvorschlag
Aus den Voten der grünliberalen Sprecher ging hervor, dass man in der Fraktion unterschiedliche Haltungen zur Initiative hat. Benno Scherrer (GLP, Uster) sprach von «keinem zielführenden Ansatz». Mit wem man ein Geschäft machen wolle, sei nicht nur vom «schnöden Mammon» abhängig, sondern zum Beispiel auch von der Sympathie zwischen Käufer und Verkäufer.
Sandra Bienek (GLP, Zürich) wiederum meinte, sie habe kein einziges plausibles Argument gehört, das gegen ein Vorkaufsrecht spreche. In ihrem Wahlkreis in Zürich-West komme es immer wieder zu Leerkündigungen. Der Stadt ein Mittel zu verweigern, das dagegen helfen solle, halte sie für «nicht liberal».
Am Ende der langen Debatte wandte sich eine deutliche Mehrheit gegen den Gegenvorschlag der EVP. Nur SP, Grüne, EVP, AL und etwa ein Drittel der GLP-Fraktion stimmten für die Weiterberatung. In der Schlussabstimmung, die erst für den 30. Juni angesetzt ist, dürfte auch die Initiative im Rat durchfallen. Das geht aus den Positionsbezügen der Parteien hervor.
Gute Chancen hat jedoch ein direkter Gegenvorschlag des Regierungsrats. Der Rahmenkredit für die Darlehen der kantonalen Wohnbauförderung soll um 180 Millionen Franken auf neu 360 Millionen Franken verdoppelt werden. Volkswirtschaftsdirektorin Carmen Walker Späh (FDP) warb im Rat dafür. Im Gegensatz zur Initiative und zum verworfenen EVP-Vorschlag greife man mit diesem Ansatz nicht in die Eigentums- und Vertragsfreiheit ein. Stattdessen setze man auf ein Rezept, «das wirklich nützt».