Der philippinische Präsident Ferdinand Marcos mahnt Peking, sich im Territorialstreit an internationale Gesetze zu halten. In der Vision von Marcos für den Indopazifik sollten nicht die beiden Grossmächte, sondern alle Länder die Zukunft gestalten.
Der philippinische Präsident Ferdinand Marcos hat zu Beginn des Shangri-La-Dialogs in Singapur China scharf angegriffen. «Wir Filipinos sind nicht bereit, nur einen Quadratmillimeter des Südchinesischen Meeres, das uns zusteht, aufzugeben. Das Wasser aus der Region fliesst in den Adern eines jeden Filipinos.» Er forderte China auf, die internationalen Gesetze zu achten und von den Gebietsansprüchen im Südchinesischen Meer, das die Philippinen als Westphilippinisches Meer bezeichneten, abzulassen.
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— IISS News (@IISS_org) May 31, 2024
Drohend fügte er an, falls in den Auseinandersetzungen ein Filipino getötet werde, überschreite China den Rubikon. Das fasse er als Kriegserklärung auf. Er gehe davon aus, dass die Bündnispartner der Philippinen dies auch so interpretierten. Marcos spielte auf das Militärabkommen mit den Vereinigten Staaten an, die in einem solchen Fall den Philippinen als Bündnispartner in der militärischen Auseinandersetzung beistehen müssten.
«Die Stimmen aller Länder müssen gehört werden»
Das Verhältnis zwischen China und den Philippinen hat sich seit dem Amtsantritt von Marcos innert kurzer Zeit stark verschlechtert. Die beiden Länder streiten sich um Gebietsansprüche im Südchinesischen Meer, das China auf Basis einer Nine-Dash-Line zu 90 Prozent für sich beansprucht. Auch darauf spielte Marcos an, als er sagte, die Gebietsansprüche der Philippinen entstammten nicht einer Phantasie, sondern basierten auf internationalen Gesetzen.
Besonders das atollförmige Riff Second Thomas Shoal, das 194 Kilometer westlich von der philippinischen Insel Palawan liegt und in den Philippinen als Ayungin Shoal bezeichnet wird, ist zum Zankapfel zwischen Peking und Manila geworden. Regelmässig versorgt das philippinische Militär dort Soldaten, die auf einem Aussenposten verharren, mit Nachschub. Chinesische Schiffe bedrängen stets die philippinischen Versorgungsschiffe und setzen Wasserwerfer ein. Es gab bereits Verletzte.
Peking beansprucht das Gebiet für sich, obwohl es in der ausschliesslichen Wirtschaftszone der Philippinen liegt. Das Urteil eines Schiedsgerichts in Den Haag von 2016, das die chinesischen Gebietsansprüche zurückwies, ignoriert Peking. Und auf diesen Richterspruch verwies Marcos immer wieder.
Zudem beschwor er die Bedeutung des zehn Nationen umfassenden Verbands südostasiatischer Staaten (Asean). Nach diesem Konzept muss Asean die dominierende regionale Plattform werden, um gemeinsame Herausforderungen zu bewältigen und mit externen Mächten in Kontakt zu treten.
Marcos betonte die Bedeutung Chinas als Wirtschaftspartner und Amerikas als Sicherheitspartner für die Länder im Indopazifik. Er betonte jedoch, die Zukunft im Indopazifik dürfe nicht von einem oder zwei Ländern bestimmt werden, sondern die Stimmen aller müssten gehört werden.
Verteidigungsminister Amerikas und Chinas treffen sich
Es gab jedoch auch Versöhnliches, denn im Gegensatz zum Shangri-La-Dialog im vergangenen Jahr haben sich die Verteidigungsminister der Vereinigten Staaten und Chinas, Lloyd Austin und Dong Jun, am Freitag getroffen. Sie sprachen laut einer Medienmitteilung des Pentagons 75 Minuten lang über Taiwan, das Südchinesische Meer, den Krieg in Gaza und in der Ukraine und Chinas Rolle bei der Unterstützung der russischen Rüstungsindustrie. Ein Sprecher des chinesischen Verteidigungsministeriums sagte, das Gespräch sei positiv und konstruktiv gewesen.
Austin bekannte sich zur Ein-China-Politik Washingtons, kritisierte aber das Verhalten Pekings nach der Amtseinführung des taiwanischen Präsidenten Lai Ching-te in der vergangenen Woche. Chinas Volksbefreiungsarmee hatte anschliessend zwei Tage lang Militärübungen durchgeführt, wobei im Mittelpunkt die Blockade der taiwanischen Insel stand.
Austin sagte, China solle Taiwans politischen Übergang, der Teil eines normalen, routinemässigen demokratischen Prozesses sei, nicht als Vorwand für Zwangsmassnahmen nutzen. Dong soll dagegen den Amerikanern vorgeworfen haben, durch die Entsendung einer Delegation zu der Amtseinführung ein falsches Signal an separatistische Kräfte in Taiwan gesendet zu haben.
Das Verhältnis zwischen dem amerikanischen und dem chinesischen Militär hat sich erst nach dem Gipfeltreffen der Präsidenten Joe Biden und Xi Jinping im vergangenen November in San Francisco wieder verbessert. Seitdem gab es mehrere Treffen hochrangiger Militärs beider Seiten; Austin und Dong hatten im April miteinander telefoniert und sich in Singapur erstmals persönlich getroffen. Peking fror die Beziehungen ein, nachdem die damalige Sprecherin des Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, Taiwan im August 2022 besucht hatte.
Im vergangenen Jahr war ein Treffen zwischen Austin und seinem damaligen chinesischen Amtskollegen Li Shangfu, der inzwischen vermutlich wegen Korruption inhaftiert ist, gescheitert. Li hatte sich geweigert, Austin zu treffen, weil die Amerikaner Sanktionen gegen den chinesischen Verteidigungsminister verhängt hatten.