Der Spielfilm «The Apprentice» zeigt Trump als Vergewaltiger. Trotzdem hatte der Regisseur Ali Abbasi die Sorge, dass man seine Darstellung des jungen Donald Trump zu positiv finden könnte. Im Interview spricht der Filmemacher über den Druck hinter den Kulissen.
«The Apprentice» kommt in die Kinos. Selbstverständlich war das nicht. Lange sah es danach aus, als ob der Spielfilm, der den Aufstieg von Donald Trump als Immobilienhai im New York der 1970er und 1980er Jahre behandelt, im Giftschrank landen würde. Weil Trump darin als Vergewaltiger dargestellt wird, drohte der Ex-Präsident mit einer Klage. Kein amerikanischer Kinoverleih traute sich zunächst, die Rechte zu erwerben. Und die Produktionsfirma, in die der Milliardär und Trump-Freund Daniel Snyder involviert ist, fühlte sich von Ali Abbasi, dem iranisch-dänischen Filmemacher, hintergangen. Kurz vor den Präsidentschaftswahlen fand sich nun aber ein Vertrieb. Während «The Apprentice» am Wochenende in Amerika seinen Kinostart hatte, stellte Ali Abbasi das Drama jenseits des Atlantiks beim Zurich Film Festival vor.
Herr Abbasi, kam aus Übersee schon Post von Trumps Anwälten?
Nein, bis jetzt nicht. Wissen Sie, als wir Probleme hatten, einen Verleih zu finden, dachte ich immer: Diese Leute haben echt keinen Mumm. Wogegen will Trump klagen? Er könnte sein Geld auch gleich das Klo hinunterspülen. Wobei ich mir natürlich nicht sicher war, ob er nicht genau das tun würde. Jedenfalls, nein, noch kam keine Post vom Anwalt.
Sie haben allerdings schon einmal Post bekommen. Im Mai, wenige Stunden nach der Weltpremiere in Cannes, kam eine Abmahnung.
Ich erinnere mich, wie ich in Cannes mit Freunden zusammensass und sagte: «Was er wohl gerade denkt?» Und während ich das sagte, drückte ich auf meinem Handy herum. Plötzlich blieb ich auf einer Nachricht hängen. «Oh, was ist das?» Da stand etwas von «Trumps Anwälte . . .».
Die Abmahnung von Trump kam per E-Mail? So läuft das ab?
Ja, anscheinend. Es ist schon interessant, dass die Anwälte die E-Mail an mich und an Gabriel Sherman, den Drehbuchautor, schickten. Normalerweise geht so etwas an die Produktion. Wahrscheinlich war es Absicht. Eine Taktik, um uns zu erschrecken.
Sind Sie erschrocken?
Nun, wenn so etwas in der Schweiz passieren würde, würde ich sagen: «Fuck you.» Kommt ruhig, ihr werdet nicht gewinnen. Ihr werdet euch zum Narren machen. Aber in den USA? Bei dem Rechtssystem weiss man nie.
Wie erinnern Sie sich an Cannes?
Es braute sich schon vor dem Festival viel zusammen. Die Leute, die den Film finanziert hatten, wollten ihn umschneiden. Ich war in einer sehr seltsamen rechtlichen Situation.
Der Trump-Freund Daniel Snyder, der den Film finanziert hat, fühlte sich hintergangen. Haben Sie persönlich mit ihm gesprochen?
Nein. Wir hatten nicht mit Snyder zu tun. Es war die von ihm gestützte Firma Kinematics, die von Mark Rapaport geführt wird.
Snyders Schwiegersohn.
Offenbar bekam man es bei der Firma mit der Angst zu tun. Anfangs hatten diese Leute überhaupt keine Bedenken. Das will ich festhalten. Sie kamen an Bord und sagten: «Lasst uns Risiken eingehen, seien wir extrem.» Aber das war auch noch eine andere Zeit.
Was war anders?
Damals war Donald Trump ein in Ungnade gefallener Ex-Präsident. Das hat sich geändert, er steht ganz anders da. Der Filminhalt, das Drehbuch haben sich hingegen nicht geändert. Plötzlich aber hiess es, ich hätte die Leute angelogen. Ich fragte, wo ich gelogen hätte. «Du hast gesagt, du inszenierst die Szene auf einem Bett.» Im Drehbuch stand «Tagesliege». Solche Diskussionen.
Sie meinen die Vergewaltigungsszene. Warum war sie notwendig?
Weil es kein Film über die politische Person Donald Trump ist. Zum Diskurs über seine politische Karriere hätte ich kaum etwas hinzuzufügen. Es ist ein Film über seine Wandlung. Es geht darum, wie er zu der Person wurde, die wir nun kennen. Unsere Absicht war, ihn als Menschen darzustellen: fair, ausgewogen, unparteiisch. In der Entwicklung der Figur ist das nun ein sehr wichtiger Kippmoment. Er hat eine enge, intensive Beziehung zu Ivana, die kaputtgeht.
Wir wissen aber nicht, ob die Vergewaltigung wirklich passiert ist.
Die Szene basiert auf Ivanas eidesstattlicher Aussage vor Gericht. Diese Aussage existiert. Sie hat sie nicht zurückgenommen. Sie hat es auch erneut in ihren Memoiren geschildert. Mit Details, die sogar noch weit gewalttätiger sind, als das, was im Film zu sehen ist. Angeblich hat er ihr Haare ausgerissen und anderes. Später dann erklärte sie: «Ich habe zwar Vergewaltigung gesagt, aber ich meine das nicht im rechtlichen Sinn.» Das hört sich für mich so an, als habe jemand versucht, eine Person einzuschüchtern.
Die Indizien waren für Sie also klar genug?
Es wurde alles von unserer Rechtsabteilung überprüft. Aber schauen Sie, wenn es um eine rechtlich unbehelligte Person ginge, dann wäre die Beweislast klar bei uns. Hier geht es um eine Person, die schon einmal verurteilt worden ist. Trump wurde wegen sexuellen Missbrauchs von einem Zivilgericht in New York schuldig gesprochen. Es gab auch die «Grab ’em by the pussy»-Aussage. Und erst vergangene Woche kam heraus, dass er Backstage bei einem Schönheitswettbewerb diverse Models zu küssen versuchte. Es gibt also ein Muster. Es gibt frühere Vorfälle. Es gibt Beweise. Es gibt eine Verurteilung. Kann ich zu hundert Prozent dafür bürgen, dass es so war, wie wir es darstellen? Nein. Aber kann ich für irgendeine Szene in dem Film bürgen? Es ist ein Spielfilm.
Sie haben gesagt, dass Sie Trump fair hätten darstellen wollen. Ist das fair?
Vor der Premiere in Cannes habe ich mit einigen Freunden gesprochen, Demokraten. Die sagten zu mir: «Das ist ein grossartiger Film – für ihn.»
Trotz der Vergewaltigungsszene?
Ja, in Cannes war ich mental darauf vorbereitet, von ein paar tausend Leuten ausgebuht zu werden. Es war eine sehr angespannte Situation.
Der Film kam gut an, und Sie wurden nicht als Trump-Versteher diffamiert. Aber es traute sich danach kein Verleiher, den Film zu kaufen. Niemand wollte sich die Finger verbrennen. Hat Sie das überrascht?
Ich war schockiert. Aber andererseits ist mir auch bewusst, dass diese Verleiher Leute sind, die ihr Geschäft betreiben, als würden sie Glace verkaufen oder was weiss ich.
Wovor hatten die Verleiher Angst?
Wer einen Film oder auch ein Buch veröffentlicht, ist dafür verantwortlich. Der amerikanische Verleiher ist also die Person, die rechtlich geradestehen muss. Trumps Anwälte würden wohl auch persönlich gegen uns vorgehen. Aber vor allem der Verleiher kommt dran. Allerdings glaube ich gar nicht, dass das unbedingt deren grösste Sorge war.
Sondern?
Ich habe mit Verleihern gesprochen, die ich persönlich kenne. Die eigentliche Sorge war, Publikum zu verlieren. Dass nämlich in Zukunft Zuschauer aus dem Trump-Lager von ihren Filmen wegbleiben würden. Unternehmen müssen sich auch sorgen, wenn 80 Millionen Menschen nicht mehr ihr Toilettenpapier, sondern das der Konkurrenz kaufen. Die Angst war, irgendwie boykottiert zu werden. Wie beim Budweiser-light-Bier, das von Trump-Unterstützern boykottiert wird. Manche Verleiher gehören auch grösseren Medienunternehmen oder Telekommunikationsfirmen. Die fürchten die Rache von Trump, sollte er Präsident werden.
Wie könnte er sich rächen?
Mit Handelsregeln, mit dem Justizministerium. Er hat viele Waffen. In seiner ersten Amtszeit blockierte er die Fusion des Kommunikationsriesen AT&T mit dem Medienkonzern Time Warner. Das hatte auch damit zu tun, dass die nicht nett zu ihm waren.
Herr Abbasi, wann ist «The Apprentice» für Sie ein Erfolg?
Es ist ein Film über Amerika. Und ich bin wirklich neugierig, was die Amerikaner davon halten. Für mich ist es ein Erfolg, wenn Kernamerika den Film sieht. Leute, die politisch nicht unbedingt mit mir auf einer Linie sind. Aber ich glaube, das funktioniert. Roger Stone, der frühere Trump-Berater, hat getwittert, dass er den Film gemocht habe. Gabriel, der Drehbuchautor, hat mir auch erzählt, dass er mit Breitbart News gesprochen habe und die den Film grossartig gefunden hätten. Die Leute denken immer, dass ich eine versteckte liberale Agenda hätte. Ich sei ein trojanisches Pferd. Dabei bin ich gar nicht unbedingt angetan vom liberalen Amerika. Natürlich sind viele der Maga-Leute einfach verrückt, diese Make-America-great-again-Hysterie. Das heisst aber nicht, dass ich alles von den Demokraten grossartig finde.
Sie kommen aus Iran. Was hielten Sie von Donald Trumps Iran-Politik, die viel aggressiver war als die von Biden oder Obama?
Ich fand sie grossartig.
Moment, Sie unterstützten Donald Trump?
In der Iran-Politik auf jeden Fall. Mir passiert es gelegentlich, dass ich mit den restriktivsten republikanischen Falken übereinstimme. Mit Leuten wie den Revolutionswächtern in Iran verhandelt man nicht. Das Regime hält die halbe Bevölkerung praktisch als Geiseln. Geiselverhandlungen sind heikel. Wenn es nicht funktioniert, kommen die Einsatzkräfte rein. Trump hat das Richtige getan, als er sagte: «Da ist dieser General, einer der führenden Köpfe, schalten wir ihn aus.»
Sie meinen Kassem Soleimani, den Trump gezielt töten liess.
Alle sagten, er solle es nicht tun. Wahrscheinlich war es Donald Trumps Unerfahrenheit in der Aussenpolitik, die machte, dass er sich darüber hinwegsetzte. Aber er hat instinktiv begriffen: Das iranische Regime besteht aus Gangstern. Das sind Schläger, die in ihrer eigenen Nachbarschaft tough auftreten. Aber wenn sie auf wirklich harte Jungs treffen, werden sie ganz klein.
Würden die Iraner für Trump stimmen?
Schwer zu sagen. Die Bevölkerung ist sehr durchmischt. Wie andernorts auch gibt es fanatische Muslime. Es gibt eine relativ säkulare Mittelschicht. Dann auch viele Linke. Wenn Sie die Proteste in Iran sehen, sehen Sie Leute, die buchstäblich nichts zu verlieren haben, sie haben nichts, wofür es sich zu leben lohnt. Ob es nun Donald Trump ist, Darth Vader oder der Drache aus «Lord of the Rings»: Wenn ihnen jemand ein anständiges Leben geben könnte, würden sie für ihn stimmen.
Ihr Film «Holy Spider» über einen Frauenmörder in Iran hat im Land für Aufregung gesorgt. Fühlen Sie sich manchmal wie ein Paria in Iran und jetzt auch in Amerika? – Sie lachen?
Ich sehe eine Weltkarte vor mir, auf der es immer mehr dunkle Flecken gibt. Iran, der Nahe Osten, Amerika. Mir bleiben noch Dänemark und die Schweiz.
Vom Milchgesicht zum Monster
sca. · Donald Trump, Mitte zwanzig, träumt vom Bau eines Luxushotels – des Trump Tower. Der ruchlose Anwalt Roy Cohn bringt ihm das nötige Handwerk bei: tricksen, bestechen, erpressen. «The Apprentice» (der Titel ist eine Anspielung auf Donald Trumps frühere Reality-Show gleichen Namens) erzählt, wie aus Trump, dem rührenden Riesenbaby, der gefürchtete Immobilienhai wird. Die Inszenierung hat Schmiss. Ali Abbasi ging nach der Premiere in Cannes noch einmal in den Schnittraum und brachte mehr Tempo rein. Jetzt ist der Film giftiger, pointierter. Der noch recht unbeschriebene Sebastian Stan brilliert als Trump, Jeremy Strong aus «Succession» spielt gross auf in der Rolle von Roy Cohn, der aus dem Milchgesicht ein Monster macht. Wie sinnvoll es ist, die frühen Trump-Jahre zu erzählen, mag man sich fragen. Aber allein wegen der Darsteller sollte man den Film gesehen haben.