In der Nachspielzeit gleicht der Joker gegen die Schweiz zum 1:1 aus und sichert dem DFB-Team den Gruppensieg. Füllkrug ist einer, der keine Phrasen in den Mund nimmt und bodenständig wirkt.
Es gibt Augenblicke im Fussball, in denen alles festgefahren ist, in denen jeder Versuch versandet, in denen aus Zuversicht Verzweiflung wird. Jene Augenblicke also, in denen eine Mannschaft alles riskieren muss, um zum Ausgleich zu kommen.
So war das im Spiel der deutschen Mannschaft gegen die Schweiz. Die Deutschen lagen lange mit 0:1 zurück, sie versuchten alles, aber sie fuhren sich fest. Jamal Musiala und Florian Wirtz, die beiden Zauberfüsse, verfingen sich immer wieder im Dickicht der Schweizer Defensive.
Eine besondere Genugtuung
Dann aber wechselte der deutsche Nationaltrainer Julian Nagelsmann den Mittelstürmer Niclas Füllkrug von Borussia Dortmund ein. Und Füllkrug tat, was ein Mittelstürmer tut, der etwas auf sich hält. Er sprang beim Kopfball höher als seine Gegenspieler, vor allem aber als der lange Manuel Akanji, er traf das Leder mit der Stirn so wuchtig, dass Yann Sommer chancenlos war. Es war die 92. Minute. Füllkrug sorgte mit diesem Treffer dafür, dass Deutschland als Gruppensieger in den Achtelfinal einzieht.
Für Füllkrug war dieses Tor eine besondere Genugtuung. Denn während der letzten Tage war sie wieder aufgekommen, die Diskussion, die seit Jahren immer wieder aufflackert, wenn es um die deutschen Angreifer geht. Die Deutschen haben keinen Stürmer von internationalem Format, heisst es allenthalben.
Falsch ist das nicht. Füllkrug, der jahrelang für Werder Bremen spielte, stürmt in der Bundesliga für Dortmund. Dort kam er in der vergangenen Saison auf gerade einmal zwölf Saisontreffer. Zu wenig für einen Angreifer, der den Anspruch erhebt, zur Weltspitze zu zählen, zumal Füllkrug im Vergleich zur internationalen Konkurrenz ein wenig limitiert erscheint. Wenn er versucht, zu Toren zu kommen, dann geschieht dies meist auf kernige Art, denn er ist keiner, der sich geschmeidig um einen Abwehrspieler dreht und dann vollendet. Aber Füllkrug weiss, wo das Tor steht: humorlos, trocken, effektiv.
Dass er dennoch nicht erste Wahl im Nationalteam ist, ist seinen Limiten geschuldet. Aber er ist ein Spieler, der mit seiner robusten Körperlichkeit kompensiert, was ihm an Raffinement fehlt. Akanji hat dies schmerzlich erfahren müssen.
Er ist der Liebling der Fans
Füllkrug ist keiner, der grosse Ansprüche stellt, er ist dankbar um seine Einsätze, und er tut, was er kann. Das zeigte Füllkrug schon an der Weltmeisterschaft im Winter 2022 in Katar, als er beim 1:1 gegen die Spanier eingewechselt wurde und nicht lange fackelte, als sich ihm die Gelegenheit bot. Dass die Deutschen dennoch ausschieden, lag nicht an ihm.
Es hiess, Füllkrug habe zu den ganz wenigen Sympathieträgern im deutschen Team gehört. Einer, der geradeaus spricht, der keine Phrasen in den Mund nimmt, sondern bodenständig wirkt. Im Team nennen Sie ihn «Lücke», weil der Zwischenraum zwischen den beiden vorderen Schneidezähnen notfalls auch Platz für einen gepflegten Kurzpass bieten würde. Dazu die äusserst windschnittige Frisur, die aussieht, als habe er selber Hand angelegt. So wurde Füllkrug zum Liebling der Fans, die ihm nachsehen, dass er auf höchstem Niveau seine Grenzen hat. Aber innerhalb dieser Grenzen vermag er beachtliche Dinge zu vollbringen.