Lorenz Reinhard, Co-Head Schweizer Aktien von Pictet, spricht im Interview über die stärksten Trends an der Börse und sagt, auf welche Schweizer Unternehmen er derzeit besonders setzt.
«Wir wollen in hoch rentierende Unternehmen investiert sein.» Das sagt Lorenz Reinhard, Co-Head of Swiss Equities von Pictet. «Es geht immer um Cashflow und die Reinvestition der erwirtschafteten Mittel.» Das führe über die Zeit zu einem Zinseszinseffekt und helfe, langfristig den Markt zu schlagen, sagt der Portfoliomanager, der mit seinem Team mehrere grosse Schweizer Aktienfonds mit insgesamt rund 7 Mrd. Fr. an Kundenvermögen bewegt.
Sein Investitionsblick gilt der langen Frist. Schwächephasen dienen der Aufstockung von Positionen. Als jüngstes Beispiel dafür nennt er Lindt & Sprüngli.
Welche Trends Reinhard an der Börse sieht und wie er die Perspektive von Nestlé, Roche und UBS sowie die umstrittene Situation bei Temenos und SoftwareOne einschätzt, sagt er im Interview.
Herr Reinhard, wie läuft die Börse derzeit?
Die Aktienmärkte haben Zug, was daher rührt, dass der Konjunkturzyklus derzeit weder heiss läuft noch zu stark erkaltet. Wir sind bei sehr angenehmen Temperaturen unterwegs.
Inwiefern?
Das Zinsniveau ist zwar höher als vor zwei Jahren, aber der Fed-Put greift wieder. Eine weitere Zinserhöhung hat der Fed-Vorsitzende Jerome Powell ausgeschlossen. Gleichwohl hat die Konjunktur Kraft. Das gibt eine positive Grundstimmung, und die Entwicklung der Unternehmensgewinne ist sehr stark, besonders in den USA. Sowohl für dieses als auch für das nächste Jahr wird ein Gewinnwachstum von über 10% erwartet.
Wie sieht es für Schweizer Unternehmen aus?
Der hiesige Markt durchlief schwierige zwei Jahre. Angefangen hat es 2022 mit den Zinserhöhungen. Aufgrund der defensiven Ausrichtung der Schweizer Börse hatte das einen grossen Einfluss auf die Bewertungen, beispielsweise bei Nestlé sowie den beiden Pharmaschwergewichten Roche und Novartis. Dazu kam der starke Franken, der die Gewinne gedrückt hat. Die zyklischen Unternehmen litten unter der Schwäche Europas, und gleichzeitig bremsten die Probleme Chinas. Das bekamen die Hersteller von Luxusgütern wie Richemont und Swatch Group zu spüren.
Sehen Sie eine Wende zum Besseren?
Der Franken schwächt sich seit Jahresbeginn ab, was sich in den kommenden Quartalen positiv bemerkbar machen sollte. Die Zinsen sollten sinken, die Schweizerische Nationalbank ist mit einem ersten Zinsschritt bereits vorangegangen, die Europäische Zentralbank dürfte in Kürze folgen. Von einer Belastung könnte die Zinsentwicklung nun zu einem unterstützenden Faktor der Bewertungen werden. Zudem scheinen Europa und China aus der konjunkturellen Schwäche zu finden.
Wo stehen die Bewertungen?
Wir sehen derzeit weder einen Sektor noch ein gewichtiges Einzelunternehmen, das überbewertet wäre. Nestlé und Roche sind gar so tief bewertet wie schon lange nicht mehr. Die hierzulande gewichtigen Finanztitel handeln ebenfalls nicht teuer. Im Industriebereich mögen die Bewertungen teilweise hoch erscheinen. Doch mit dem erwarteten Aufschwung und den wachsenden Gewinnen ist das gerechtfertigt.
Es besteht also Kurspotenzial.
Absolut. Der Schweizer Markt liegt noch unter seinem Höchststand, während alle anderen wichtigen Börsenbarometer neue Rekorde schreiben. Ich bin zuversichtlich, dass der Schweizer Markt in den nächsten Monaten nach oben ausbrechen wird.
Wo spielt die Musik?
Betrachtet man die Einzelunternehmen, sieht man sofort, wer von gewichtigen Trends profitiert: von der Energiewende, der Digitalisierung, der Automatisierung und von künstlicher Intelligenz. KI zieht zwar besonders im Ausland, beispielsweise bei Nvidia. Doch auch die Schweizer Halbleiterzulieferer Comet und VAT profitieren davon.
Was sind weitere Trends?
Der Druck zur Automatisierung nützt vielen Schweizer Unternehmen. Dazu zählen der Laborausrüster Tecan sowie der Lagerlogistiker Interroll. Mit Robotern ist ABB Teil dieses Trends und profitiert mit ihrem Elektrifizierungsbereich gleichzeitig von der Energiewende. Letzteres gilt auch für Belimo. Die Überalterung spielt der Pharma- und der Medtech-Branche in die Hände: Roche, Novartis, Sonova und Galderma. Der Trend zu Premiumprodukten ist auf viele Schweizer Unternehmen zugeschnitten. Insbesondere profitieren davon Luxusgüterhersteller wie Richemont bis hin zum Anbieter von Premiumschokolade Lindt & Sprüngli. Immer mehr Leute geben Geld für Markenartikel und gute Qualität aus. Insgesamt wächst das obere Marktsegment schneller als der breite Markt.
Ihr Team verwaltet mehrere grosse Schweizer Aktienfonds mit einem Gesamtvermögen von rund 7 Mrd. Fr. In allen Fonds hat Lindt & Sprüngli ein hohes Gewicht. Zudem haben Sie die Titel kürzlich aufgestockt. Was macht sie so attraktiv?
Unsere Strategie ist sehr langfristig ausgelegt: Wir setzen auf Unternehmen, die über fünf oder zehn Jahre Erfolg versprechen. Lindt & Sprüngli passt hervorragend in diese Philosophie. Sie beweist seit zwanzig Jahren, dass sie jedes Jahr Marktanteile gewinnt. Dennoch ist die Penetration ihrer Premiumschokolade weiterhin bescheiden. Wir sind überzeugt, dass diese Strategie weiterhin erfolgreich ist.
Warum haben Sie aufgestockt?
Das Unternehmen hat gerade bewiesen, dass es trotz rohstoffbedingter Preiserhöhungen weiter gewachsen ist. Jüngst kamen die Aktien allerdings unter Druck, weil die Preise für Kakaobohnen massiv in die Höhe geschossen sind. Wenn die Preise erneut angehoben werden müssen, belastet das die Volumen, aber nur kurzfristig. Wir kaufen die langfristigen Gewinner gerne dann, wenn vorübergehende Probleme ihre Aktien unter Druck setzen. Diesen Fall sehen wir bei Lindt & Sprüngli.
Noch deutlich grösser sind die Kursausschläge bei den Schweizer Halbleiterwerten. Comet ist Ihr derzeit grösstes Übergewicht in diesem Bereich. Zudem setzen Sie auf VAT. Warum?
Nach der massiven Delle im Chipbereich gibt es erste Anzeichen für einen Aufschwung. Die Kurse nehmen das teilweise vorweg, besonders die Aktien von VAT sind sehr gut gelaufen. Auch Comet wird vom erwarteten Marktwachstum profitieren. Doch es gibt weitere, unternehmensspezifische Faktoren, auf die wir setzen und die das Bild von Comet in drei bis fünf Jahren neu zeichnen könnten.
Welche Faktoren sind das?
Das Testing. In diesem Bereich ergeben sich neue Opportunitäten, da die Chips, die es für künstliche Intelligenz braucht, immer grösser und dichter geschichtet werden. Da reichen optische Qualitätskontrollen nicht mehr aus, sondern man muss in die Strukturen hineinsehen können. Dafür braucht es neue Technologien, und Comet ist im Bereich Röntgen, was die bevorzugte Methode der Halbleiterkonzerne wird, einer von global nur sehr wenigen Anbietern in dieser Nische. Mit einer ersten Maschine für diese sogenannte Semi Inspection sind die Schweizer nun im Markt, und die Chiphersteller zeigen grosses Interesse.
Bei Schindler ist seit Anfang 2022 ein neues Management am Werk. Es ist Ihr zweitgrösstes Übergewicht. Worauf setzen Sie hier?
Das Geschäftsmodell des Herstellers von Aufzügen und Rolltreppen ist sehr stabil. Möglich macht dies das Servicegeschäft. Es basiert auf langjährigen Verträgen und ist unverzichtbar, da es regulatorisch gefordert ist. Der Verkauf von Neuanlagen dient dem Ziel, neue Serviceverträge abzuschliessen, aus denen praktisch der gesamte Gewinn stammt.
Dennoch gab es in den letzten Jahren Probleme. Hoffen Sie auf Besserung?
Das alte Management hatte die Zügel schleifen lassen. Die neue Crew versucht nun, die Margenlücke, die sich zur Konkurrenz aufgetan hat, zu schliessen. Es geht um Effizienzgewinne, indem die lang geplante Modularisierung endlich konsequent umgesetzt wird. Das birgt sehr viel Potenzial. Die Schwäche im chinesischen Markt hatte zudem auf den Titeln gelastet. Zusammen ergab das eine Gelegenheit, die wir genutzt haben, um eine grosse Position in Schindler aufzubauen, an deren langfristigen Erfolg wir glauben.
Gross ist Ihre Position auch in Temenos. Es ist ein umstrittenes Unternehmen, das unter Druck eines Aktivisten steht und in den Fokus des Short-Sellers Hindenburg geraten war. Wie beurteilen Sie die Lage?
Temenos ist ein führender Anbieter von Bankensoftware. Über die lange Frist war sie sehr erfolgreich. Daran hatten wir partizipiert. Doch es passiert immer wieder, dass eine Gesellschaft in Probleme gerät.
Hindenburg warf Temenos Gewinnmanipulation vor, was den Kurs einbrechen liess. Was ist an den Anschuldigungen dran?
Temenos hat diese Vorwürfe mit einer externen Untersuchung entkräftet. Dass sich der Kurs noch nicht erholt hat, liegt vor allem am schwachen Start ins neue Jahr. Die negativen Schlagzeilen, die Hindenburg kreiert hat, führten zu einer spürbaren Verunsicherung bei den bestehenden Kunden und bei möglichen Neukunden.
Nach einer langen Suche hat die Ernennung des bereits 65 Jahre alten CEO Jean-Pierre Brulard für neue Kritik gesorgt. Auch von Ihrer Seite?
Auch wir hatten uns erhofft, dass man anderes Führungspersonal findet. Doch wir geben Jean-Pierre Brulard nun die Chance zu zeigen, wo seine Stärken liegen. Es ist aber klar, dass er eine Übergangslösung sein wird.
Knatsch auf oberster Ebene gibt es auch bei SoftwareOne. Kürzlich wurde an der Generalversammlung der Verwaltungsrat komplett erneuert. Sie besitzen einen Anteil von fast 5% am Unternehmen. Wie haben Sie abgestimmt?
Wir haben die Forderung der Unternehmensgründer nach einem neuen Verwaltungsrat unterstützt. Es ging darum, den Konflikt zu lösen, der sich zwischen dem ehemaligen Gremium und den Gründern, die zusammen mit Bain SoftwareOne von der Börse nehmen wollten, aufgebaut hatte.
Der alte Verwaltungsrat wollte die Gesellschaft an der Börse weiterentwickeln, die Gründer wollen das in privaten Händen machen. Was wollen Sie?
Ein Turnaround kann als privates Unternehmen einfacher durchgeführt werden. Es wäre der bessere Weg. Gemäss SoftwareOne haben sich nach der Generalversammlung bereits Anwärter für eine Übernahme gemeldet. Nun muss man nicht mehr exklusiv mit Bain verhandeln, sondern alle Kaufinteressenten haben die gleichen Chancen.
Zu welchem Preis würden Sie verkaufen?
Die Spanne, die zuvor in den Verhandlungen mit Bain diskutiert wurde – es waren etwa 18.50 bis 20.50 Fr. je Aktie –, erachten wir als fairen Übernahmepreis.
Mit fast 9% sind Sie an Ascom beteiligt. Das Kommunikationsunternehmen ist eine Geschichte von Versprechen, Hoffnungen und Enttäuschung. Worauf hoffen Sie derzeit?
Das Unternehmen steht in Verruf, weil es immer wieder zu hohe Ziele ausgegeben hat – und sie wiederholt nicht erreicht hat. Darunter leidet der Kurs. Wenn realistische Ziele formuliert und über einige Quartale auch erreicht werden, kann neues Vertrauen aufgebaut werden. Dann sollte die Bewertung auf ein ansprechendes Niveau zurückkehren. Bei einer Gesellschaft mit einer Marktkapitalisierung von weniger als 300 Mio. Fr. stellt sich aber auch die Frage nach der richtigen Struktur und dem besten Eigentümer. Ein Verkauf im Rahmen einer Konsolidierung könnte ebenfalls ein Weg sein.
Wechseln wir zu den Schweizer Schwergewichten Nestlé und Roche. In Ihrem Swiss-Equities-Fonds nehmen sie eine prominente Rolle ein. Nestlé ist die grösste Position, und relativ zum Markt ist Roche hoch gewichtet. Wieso?
Roche durchläuft immer wieder Phasen, in denen die Forschung und Entwicklung Erfolge verbucht – und solche, in denen es harzt. Jüngst kam viel zusammen: Druck durch Generika auf bewährte Blockbuster, der Wegfall des Corona-Sonderumsatzes sowie Misserfolge bei Studien zu neuen Wirkstoffen. Auf dem derzeitigen Kursniveau scheint uns sehr viel Negatives eingepreist zu sein. Von dieser Basis aus erwarten wir wieder tendenziell positive Nachrichten. Die Chancen auf eine Kurserholung stehen jedenfalls viel besser als auf weitere Rücksetzer.
Welches Potenzial sehen Sie in Nestlé, nachdem der Kurs wegen schwachen Wachstums zuletzt ebenfalls nachgegeben hat?
Das inflationäre Umfeld und die Preissteigerungen, die damit einhergingen, hemmten die Volumenentwicklung. Das Portfolio aber stimmt. Bereiche wie Tiernahrung, Kaffee und Health Science & Nutrition bleiben die langfristigen Wachstumstreiber. Das Management um Mark Schneider hat die richtigen Weichen gestellt.
Was macht die Aktie attraktiv?
Nestlé ist weiterhin eine sehr interessante Investition. Dazu gehört auch der Anteil an L’Oréal, der in den letzten Jahren ausserordentlich gut lief. Inzwischen macht er rund 20% der Marktkapitalisierung von Nestlé aus, was in der Bewertung berücksichtigt werden muss. Rechnet man L’Oréal heraus, ist das Nestlé-eigene Geschäft im historischen Vergleich nun günstig bewertet.
Sie haben eingangs auf die Trends Alterung und Automatisierung hingewiesen. In Tecan, Sonova und Galderma sind Sie stark engagiert. Was zeichnet die Unternehmen im Einzelnen aus?
Tecan profitiert gleich von mehreren Trends. Nach der Sonderkonjunktur, die Corona gebracht hatte, ist der Kurs zurückgekommen. Kurzzeitig herrscht Verunsicherung, doch die langfristige Perspektive ist weiterhin sehr gut. Es gibt schlicht zu wenige Spezialisten, um die Labordiagnosen zu verarbeiten, weshalb Automatisierung unabdingbar ist.
Und die Überalterung?
Sie führt dazu, dass die Leute häufiger krank und länger in Therapien sind, was mehr Laboruntersuchungen bedeutet. Dazu kommen dank künstlicher Intelligenz immer mehr Wirkstoffe auf den Markt, die in der Forschung getestet und verarbeitet werden müssen. Auch das wird die Nachfrage nach Laborgeräten erhöhen. Bei Tecan kommen mehrere Megatrends zusammen, und als Marktführer in der Laborausrüstung wird sie davon profitieren.
Die Überalterung spricht auch für Sonova, die Hörgeräte herstellt. Doch hier hat das Management Fehler gemacht. Erwarten Sie einen neuen Aufschwung?
Wir glauben, dass das Management die Probleme in den Griff kriegt. Sonova hat die Audiologen verärgert, weil sie während der Pandemie die Preise anhob und gleichzeitig bei den Hörgeräten Qualitätsprobleme auftraten. Nun richtet sich der Blick auf den Herbst und die Lancierung einer neuen Plattform. Stimmt deren Qualität, werden die Audiologen Sonova eine neue Chance geben.
Was erwarten Sie von den Titeln, die stark unter Druck geraten waren?
Den Hörmarkt erachten wir als sehr attraktiv, und wir erwarten eine klare Verbesserung der Geschäftszahlen von Sonova. Zudem ist die Bewertung aufgrund der Probleme derzeit attraktiv, was ihre Aktien nun zu einer Kernposition macht.
Kräftig engagiert sind Sie auch bei Galderma, dem in diesem Jahr bislang einzigen Neuzugang an der Schweizer Börse. Warum haben Sie im IPO so viele Aktien gezeichnet?
Dermatologie ist spannend. Es geht einerseits um Überalterung, andererseits um einen Touch Luxus. Galderma ist im Markt einzigartig positioniert und erzielt mit ihren Produkten attraktive Margen. Zudem stehen neue Produkte im Bereich Biologics kurz vor der Markteinführung.
Was machte den IPO-Preis attraktiv?
Die Verkäuferin EQT musste sicherstellen, dass der Börsengang ein Erfolg wird. Denn das Private-Equity-Haus ist ja nicht ausgestiegen, sondern hat neue Aktien an den Markt gebracht. Die erste Tranche kam aufgrund der IPO-Konstellation zu einem guten Preis. Wäre die erste Platzierung gefloppt, wäre es für EQT schwierig geworden, später weitere Tranchen zu platzieren. Jetzt sind rund 20% im Publikum, und zu einem späteren Zeitpunkt, wenn die Liquidität durch weitere Platzierungen erhöht wird, wird Galderma zu einem SMI-Unternehmen werden. Ihre Valoren passen perfekt in unsere Langfriststrategie.
Apropos Luxus: Richemont zählt ebenfalls zu Ihren grössten Positionen, nach Swatch Group suche ich hingegen vergeblich. Warum?
Eines unserer zentralen Investitionskriterien ist die Rendite auf das investierte Kapital. Diesbezüglich schneidet Richemont dreimal besser ab als Swatch Group. Letztere denkt und handelt industriell, besitzt eine grosse Fertigung und volle Lager. Deshalb fokussieren wir auf Richemont. Zudem verspricht ihr Schmuckgeschäft mit Marken wie Cartier strukturell höheres Wachstum als das Uhrengeschäft von Swatch Group.
Bei den Finanzwerten setzen Sie auf UBS. Wie ordnen Sie die Diskussion über mehr Eigenkapital ein?
Seit der Fusion mit Credit Suisse hat das Management um Sergio Ermotti einen sehr guten Job gemacht und das Vertrauen des Marktes gewonnen. Auch sonst verlief die Integration in rasanten Schritten, denen auch die Kursentwicklung gefolgt ist. Die Diskussion über die Kapitalausstattung hatten wir immer im Kopf, und sie rückt nun stärker in den Vordergrund. Auf dem jetzigen Kursniveau ist wohl ein Zwischenstopp angesagt und eine Klärung nötig, wie viel Kapital die Grossbank künftig vorhalten muss. Erst danach dürfte die Bewertung weiter steigen können.
Die Aktien von UBS sind in Ihrem Dividendenfonds. Rechnen Sie trotz der offenen Kapitalfrage mit steigenden Ausschüttungen und Aktienrückkäufen?
Daran hat sich in unserer Einschätzung nichts geändert. Wir glauben, die Aktienrückkäufe werden über die Zeit zunehmen. Noch nicht ganz klar ist, in welchem Tempo. Darauf wird die Regulierung einen Einfluss haben.
Neben UBS finden sich kaum weitere Finanzwerte in Ihren Portfolios, mit Ausnahme von Partners Group und Zurich Insurance. Wieso diese beiden?
Wir sind gegenüber den traditionellen Finanzhäusern wenig exponiert, weil sie unterdurchschnittlich Wert schaffen. Partners Group hingegen ist spezialisiert und führend im Privatmarktgeschäft. Hier sind wir seit dem IPO 2006 investiert. Auch Zurich Insurance hebt sich von der Konkurrenz ab. Sie schreibt die höchsten Kapitalrenditen unter den Versicherern, mitunter getrieben durch ihr Kommissionsgeschäft mit dem US-Versicherer Farmers.
Die hohe Rendite führt aber auch zu einer Bewertungsprämie der Zurich-Aktien. Das schreckt Sie nicht ab?
Wir wollen in hoch rentierende Unternehmen investiert sein. Es geht immer um Cashflow und die Reinvestition der erwirtschafteten Mittel. Das führt über die Zeit zu einem Zinseszinseffekt. Er hilft, den Markt langfristig zu schlagen, selbst wenn die Bewertung kurzfristig eine Prämie aufweist. Deshalb tendieren wir immer zu Aktien, die über ein qualitativ besseres Geschäftsmodell verfügen. Der Markt bekundet oft Mühe, diesen Zinseszinseffekt in seiner kurzfristigen Bewertung korrekt abzubilden.
Zur Person
Lorenz Reinhard, Co-Head of Swiss Equities bei Pictet
Lorenz Reinhard leitet seit 2008 das Schweizer Aktienteam von Pictet Asset Management. Bevor er 2003 zur Genfer Privatbank stiess, war der heute 56-Jährige Aktienanalyst bei der Zürcher Kantonalbank und danach Aktienanalyst sowie Fondsmanager bei der Bank Julius Bär. Insgesamt befasst er sich seit dreissig Jahren mit dem Schweizer Aktienmarkt.