Das Ferienland Schweiz beherbergt so viele Touristen wie noch nie. Doch die Branche ist von mehreren Seiten her unter Druck. Selbst Hoteliers sind unzufrieden mit der Logiernächte-Statistik.
«Stabil», «ordentlich», «solid». Mit einer seltsamen Zurückhaltung kommentiert die Tourismusbranche ihr Resultat für das Jahr 2024. Dabei reiht das Ferienland Schweiz Allzeithoch an Allzeithoch. Nachdem 2023 erstmals in der Geschichte die Marke von 40 Millionen Logiernächten übertroffen worden war, legte man vergangenes Jahr noch einmal zu. Fast 43 Millionen Menschen buchten 2024 eine Übernachtung in der Schweiz. Das Wort «Rekord» suchte man in der offiziellen Medienmitteilung jedoch vergeblich.
Schweiz Tourismus, die zentrale Vermarktungsorganisation der Branche, sieht offenbar keinen Grund zum Feiern. Obwohl Ferienreisen weltweit einen Mega-Boom erleben, gibt sich der Schweiz-Tourismus-Chef Martin Nydegger alle Mühe, die Zahlen so nüchtern wie möglich einzuordnen.
Das hat drei Gründe. Erstens: Während sich die Schweiz vor allem in den USA zur Trend-Destination entwickelte, hat die Branche im Inland zunehmend Mühe, sich zu erklären. So hat im vergangenen Sommer der europaweite Ärger um den sogenannten Übertourismus auch die hiesigen Newsportale erfasst.
Obwohl die Verhältnisse nicht mit Hotspots wie Paris, Barcelona oder Florenz zu vergleichen sind, wurde wochenlang über Rollkoffer-Verbote und respektlose Touristen diskutiert. Die Touristiker wurden von der Heftigkeit der Debatte auf dem falschen Fuss erwischt. Für sie sind viele Touristen eigentlich ein Zeichen des Erfolgs. Doch plötzlich mussten sie der Öffentlichkeit erklären, wie und warum diese nun von den ausländischen Besuchern profitiert. Damit tat sich Schweiz Tourismus schwer.
Zweitens wird der Sinn der Tourismusförderung zunehmend hinterfragt. Schweiz Tourismus erhält pro Jahr gegen 60 Millionen Franken vom Steuerzahler. Dieses Geld wird in Werbekampagnen auf der ganzen Welt gesteckt. Hinzu kommen weitere Fördermittel, von denen die Branche indirekt profitiert. Dabei ist die Wirkung schwer messbar geschweige denn beeinflussbar.
Eine Expertengruppe des Bundes schlägt nun vor, die Unterstützung des Bundes für Schweiz Tourismus um 20 Prozent zu kürzen. Die Organisation hofft, dass doch noch «Raison» einkehre und man dies abwenden könne.
Aber warum genau kann die Branche diese Kürzung nicht kompensieren? Immerhin setzt die Schweiz – gerade in den Alpen – zunehmend auf margenträchtige Vier- und Fünfstern-Touristen und hat in den vergangenen Jahren beachtliche Summen in Schneekanonen, Seilbahnen und Hotelrenovationen stecken können. Da sollte es doch möglich sein, die Marketingkampagnen selber zu stemmen, statt die Kosten dafür der Öffentlichkeit aufzubürden.
Und drittens gibt es selbst innerhalb der Branche viele Akteure, die wenig mit Rekordmeldungen anfangen können. Denn die reine Anzahl Übernachtungen sagt noch nichts aus über den Erfolg der einzelnen Anbieter. In der Schweiz beträgt die Bettenauslastung über alle Hotels hinweg gerade einmal 50 Prozent. Und die Kosten sind jüngst stark gestiegen. Viele Betriebe leben von ein paar guten Monaten und müssen sich den Rest des Jahres nach der Decke strecken.
Um dies noch einmal klar festzuhalten: Tourismus tut diesem Land gut. So sichert er Arbeitsplätze und Infrastruktur in abgelegeneren Regionen. Und er hilft, ein Angebot an Kultur und Gastronomie mitzufinanzieren, von welchem auch die Einheimischen profitieren.
Doch die Konkurrenz schläft nicht. Vom Balkan über Saudiarabien bis China werden Milliarden in Flughäfen, Insel-Resorts und sonstige neue Attraktionen gepumpt. Der Kampf um die Touristen wird sich in den nächsten Jahren verschärfen.
Mit dem gut ausgebauten Verkehrsnetz und der teilweise atemberaubenden Schönheit wird unser Land immer ein attraktives Reiseziel sein. Dank dieser Ausgangslage braucht es weder Subventionen noch Rekordmeldungen. Denn statt Massentourismus braucht die Schweiz den richtigen Tourismus: teuer, aber auch hochklassig.