Hilft die Sonnenbrille aus dem Supermarkt so gut wie die vom Optiker? Warum genügen Kontaktlinsen mit UV-Schutz nicht? Und worauf achten beim Kauf der Brille? Ein Leitfaden für die Wahl des optimalen Sommer-Accessoires.
Die gute Nachricht ist: Unser Auge hat eine Art eingebaute Sonnenbrille. Sie ist nicht perfekt, aber sie bietet einen gewissen Schutz vor schädlichen Anteilen des Sonnenlichts. Sie hält UV-A- und UV-B-Strahlen ab, die auch für Sonnenbrände und Hautalterung verantwortlich sind.
Einen grossen Teil davon fängt die Hornhaut ab, die ganz aussen wie ein Fenster auf dem Auge liegt. Die übrige UV-Strahlung trifft durch die Pupille auf die Augenlinse. Weil die Linse von Kindern noch sehr klar ist, lässt sie einen Rest dieser Strahlen durch, die dann auf die Netzhaut am hinteren Ende des Augapfels gelangen. Das ist der Teil unseres Auges, in dem Licht in elektrische Signale umgewandelt wird – damit das Gehirn daraus Bilder erzeugen kann. Die Netzhaut muss vor schädlichen Einflüssen geschützt werden, um langfristig gute Arbeit leisten zu können. Später im Leben ist die Linse so verändert, dass sie keine nennenswerten Mengen an UV-Strahlung mehr durchlässt.
Nun könnte man meinen, Erwachsene müssten ihre Augen nicht zusätzlich vor UV-Strahlen schützen. Aber so einfach ist es nicht.
Es kann durch UV-Strahlung zu schmerzhaften, akuten Schäden kommen, die einem Sonnenbrand ähneln, zum Beispiel an der Bindehaut. Sie überzieht die Augenlider in Richtung des Augapfels. Bekommt sie zu viel ultraviolette Strahlung ab, kann sie sich entzünden.
Auch eine Art Sonnenbrand auf der Hornhaut erleiden manche Menschen. «Dabei kommt es zu einer Verbrennung der oberen Schichten der Hornhaut», sagt Pascal Hasler, Vizepräsident der Schweizerischen Ophthalmologischen Gesellschaft. «Die Schmerzen sind zwar enorm, aber sie klingen nach einigen Stunden wieder ab.» Wenn das UV-Licht nicht nur vom Himmel herab strahle, sondern zusätzlich von Wasser oder Schnee reflektiert werde, steige die Wahrscheinlichkeit, solch einen Sonnenbrand auf der Hornhaut zu bekommen. Unter Bergsteigern oder Skifahrern ist das Phänomen auch bekannt als Schneeblindheit.
UV-Strahlung hat auch langfristige Schäden zur Folge. Am Augenlid und an der Bindehaut können Tumoren entstehen, die in einem Zusammenhang mit dem Sonnenlicht stehen. Hier ist es wie beim Hautkrebs: Wer sich jahrelang ungeschützt der Sonne aussetzt, hat ein erhöhtes Risiko zu erkranken.
Zudem tritt eine Wucherung der Bindehaut häufiger bei Menschen auf, die der Sonne oft und lange ausgesetzt sind. Sie heisst im Fachjargon Pterygium und wird auch als Flügelfell bezeichnet. Das Bindehautgewebe wächst dabei in Form eines Dreiecks auf die Hornhaut. Die Wucherung ist gutartig, geht aber mit unangenehmen Symptomen einher, zum Beispiel mit trockenen Augen, Rötungen, Juckreiz, aber auch mit starken Sehbeeinträchtigungen.
Auch die Entstehung von grauem Star steht in einem Zusammenhang mit UV-Licht. Ludwig M. Heindl, Professor an der Universitäts-Augenklinik Köln, schränkt jedoch ein: «Der graue Star ist eine sehr häufige Erkrankung des Alters, früher oder später bekommt ihn praktisch jeder.» Das heisst auch: Mithilfe einer Sonnenbrille kann man ihn letztlich nicht verhindern. Der Augenarzt Pascal Hasler ergänzt: «Wer viel Sonnenstrahlung abbekommt, hat den grauen Star allenfalls etwas früher. Das hat man zum Beispiel bei Seefahrern beobachtet.»
Kinder haben eine klare Linse, die noch nicht so viel UV-Strahlung abhält wie die Augenlinse von Erwachsenen. Im Laufe der Jugend beginnt sich die Linse zu trüben, etwa ab dem 20. Lebensjahr lässt sie keine gesundheitlich relevanten Mengen an UV-Strahlung mehr bis zur Netzhaut durch.
Ludwig M. Heindl hält einen konsequenten Sonnenschutz der Augen in den ersten zehn Lebensjahren für besonders wichtig: «Damit an der Netzhaut, an unserer Stelle des schärfsten Sehens, keine Schäden entstehen.» Trügen Kinder keine Sonnenbrille, könne sich das womöglich Jahrzehnte später bemerkbar machen: «Altersbedingte Erkrankungen der Netzhaut könnten dadurch früher auftreten», sagt Heindl. «Allerdings gibt es nur wenig Forschung dazu.»
Tatsächlich haben viele Brillen und sogar Kontaktlinsen UV-Filter. Die Brillen schützen das Auge inklusive der Bindehaut und des Augenlids vor der Strahlung. Allerdings gelangt bei manchen Modellen trotzdem noch viel Strahlung an das und in das Auge. Je kleiner die Gläser und je schmaler die Fassung, desto mehr Strahlung erreicht das Auge über die Seiten. Sonnenbrillen haben in der Regel grosse Gläser und oft einen breiten Rahmen, um das Auge vor seitlich einfallendem Licht abzuschirmen.
Kontaktlinsen mit UV-Schutz schützen zwar die Hornhaut, allerdings weder die Bindehaut noch das Augenlid. Deshalb raten die Augenärzte Ludwig M. Heindl und Pascal Hasler Kontaktlinsenträgern zu einer zusätzlichen Sonnenbrille bei starker Sonnenstrahlung.
Sonnenbrillen müssen UV-Licht bis zu einer Wellenlänge von 400 Nanometern komplett herausfiltern, das besagt eine EU-Norm. Dass sie diese Norm erfüllen, ist ersichtlich am CE-Zeichen, das meist auf dem Rahmen der Brille aufgedruckt ist. Diese Regelung gilt für Sonnenbrillen vom Optiker ebenso wie für Brillen aus dem Supermarkt in Europa. Die eine schützt also nicht besser vor UV-Licht als die andere.
Wer eine Sonnenbrille am Strand im aussereuropäischen Ausland kauft, sollte skeptisch bleiben und nachfragen: Filtert die Brille tatsächlich UV-Licht heraus? Die Tönung der Gläser schützt nämlich nicht vor Strahlung. Im Gegenteil: Fehlt der Brille der UV-Filter, ist man der Strahlung besonders stark ausgesetzt. Denn durch die Tönung fühlt man sich nicht geblendet und schützt das Auge weniger stark durch Blinzeln oder Zusammenkneifen – ausserdem weitet sich die Pupille und nimmt mehr Strahlung auf. Das ist besonders kritisch bei Kindern. Solche Brillen sind also kein Schutz für die Augen, sondern sogar eine Gefahr.
Darüber hinaus sollte man beim Kauf auf die Fassung achten. Das Licht erreicht das Auge nämlich aus den unterschiedlichsten Winkeln, vor allem wenn es von Wasser und Schnee, aber auch von Gras, Asphalt oder Sand reflektiert wird. Eine gut schützende Sonnenbrille hat daher grosse Gläser und eine Fassung mit breiten Bügeln, die auch seitlich einfallendes Licht abblocken.
Immer wieder wird diskutiert, ob Sonnenbrillen zusätzlich zum UV-Licht auch Blaulicht herausfiltern sollten. Es ist das energiereichste sichtbare Licht und steht im Verdacht, dem Auge zu schaden. Allerdings zeigt die bisherige Forschung nicht, dass Blaulichtfilter das Auge vor Erkrankungen bewahren. Pascal Hasler hält solche Filter deshalb vorerst nicht für nötig. Auch für Ludwig M. Heindl ist der Blaulichtfilter «kein absolutes Muss». Es brauche aber mehr Forschung dazu.
Manche Sonnenbrillen sind grau gefärbt, andere braun, rot oder blau. Manche lassen die Welt nur einen Hauch dunkler erscheinen, andere lassen kaum Licht hindurch, es gibt fünf Kategorien von «sehr wenig Blendschutz» bis «sehr hohem Blendschutz».
Grundsätzlich gilt: Die Tönung hat mit dem UV-Schutz nichts zu tun. «Man sollte sie so auswählen, dass man sich wohl damit fühlt», sagt Pascal Hasler. Trotz Tönung sollten aber Farben korrekt erkennbar sein – damit man im Strassenverkehr alle Schilder und Ampelanzeigen richtig erkennen kann. Am besten eignen sich braun oder grau getönte Gläser. Für den Strassenverkehr ungeeignet sind Sonnenbrillen mit dem höchsten Blendschutz, das sind sehr dunkel getönte Gläser, die nur wenig Licht durchlassen und einen starken seitlichen Schutz haben, um etwa im Hochgebirge oder in der Wüste vor der besonders starken Strahlung zu schützen.
Für Pascal Hasler und Ludwig M. Heindl gehört die Sonnenbrille zum Schutz vor UV-Strahlung unbedingt dazu. Wann man sie aufsetzen sollte? Beide Fachleute empfehlen, sie immer dann zu tragen, wenn auch auf der Haut ein Sonnenbrand droht.
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