Die Forderung von Mitte-links in Zürich ist ein Einschnitt in die Eigentumsfreiheit – und das ohne Grund.
Wer gerade eine Wohnung sucht, wird nicht selten mit dem Satz bedacht: «Ach, du Arme!» Vor allem in den Städten sind so wenige Wohnungen ausgeschrieben wie selten zuvor, die Mieten steigen schneller als die Löhne, selbst der Mittelstand ächzt mittlerweile. Familien müssen in zu kleinen Wohnungen bleiben, mancher muss aus der Stadt wegziehen. Sich ein Haus oder eine Wohnung gar zu kaufen, das kann sich kaum jemand mehr leisten. Und das Problem beschäftigt – das zeigen allein die fünf (!) Initiativen, die im Kanton Zürich zum Thema hängig sind.
Eine davon, die Vorkaufsrecht-Initiative, greift als Mittel der Wahl zu dem, was bereits in der Stadt Zürich die Go-to-Strategie ist und schon dort nicht funktioniert: mehr Staatseingriff. Gemeinden sollen nicht mehr nur selber Immobilien kaufen dürfen. Nein, sie sollen das Recht erhalten, eine Immobilie oder ein Grundstück selbst dann zu kaufen, wenn zwei Private sich bereits einig geworden sind.
Damit greift die Linke in ein Recht ein, das den liberalen Staat prägt: die Eigentumsfreiheit. Mit dem, was mir gehört, darf ich machen, was ich will. Und in diesem Kontext: Ich darf verkaufen, an wen ich will. Dem Staat die Macht zu geben, sich in solche privaten Entscheidungen einzumischen – das ist ein gravierender Einschnitt.
Nun ist es natürlich so, dass der Staat diese Freiheit in manchen Fällen trotzdem beschneidet und das auch gerechtfertigt ist. Berühmt sind Beispiele, wo Private enteignet wurden, damit eine Autobahn gebaut werden konnte. Das Recht des Einzelnen wurde beschnitten, weil das öffentliche Interesse überwog.
Nur: Im Falle des Autobahnausbaus war der Einschnitt nötig, um das Ziel zu erreichen. Im Falle der Wohnungsknappheit ist der Eingriff nicht nötig. Mehr noch: Er ist kontraproduktiv.
Denn das Vorkaufsrecht sorgt für Rechtsunsicherheit und verlängert Bewilligungsfristen. Dadurch wird das Bauen im Kanton noch abschreckender. An einem Ort, wo die Gemeinde jederzeit dazwischengrätschen kann, will ich weder kaufen noch bauen. Dann weiche ich lieber an einen Ort aus, wo das Bauen einfacher ist – notabene die meisten Orte in der Schweiz, denn ein Vorkaufsrecht kennen bis jetzt nur die Kantone Waadt und Genf.
Verschlechtern sich die Bedingungen für das Bauen, sorgt das schliesslich dafür, dass die Vorkaufsrecht-Initiative ebenjenes Problem vergrössert, das sie zu lösen vorgibt. Denn was der Kanton braucht, sind nicht nur genossenschaftliche oder staatliche Wohnungen. Sondern erst einmal vor allem: sehr viel mehr Wohnungen. Beim heute prognostizierten Bevölkerungswachstum wird es allein in der Stadt Zürich jährlich 2000 neue Wohnungen brauchen. Um das zu erreichen, helfen nur drei Dinge: bauen, bauen, bauen.
Diesem Ziel kommt immerhin der Gegenvorschlag zur Initiative näher. Der Regierungsrat will den Kredit für Darlehen für gemeinnützigen Wohnungsbau verdoppeln, von heute 180 Millionen auf 360 Millionen – und so Anreize setzen, damit Private bauen.
Die eleganteste Lösung ist der Gegenvorschlag zwar nicht. Rein technisch betrachtet hat die Erhöhung des Rahmenkredits wenig mit dem Vorkaufsrecht zu tun, die Erhöhung der Darlehen hätte die Regierung auch separat vorlegen können. Den Wählern gegenüber, die beide Vorschläge unterstützen, wäre dieses Vorgehen fairer gewesen.
Doch inhaltlich ist die Richtung des Gegenvorschlags vertretbar, auch wenn er allein das Problem der Wohnungsknappheit nicht lösen wird. Denn 180 Millionen Franken sind zwar viel Geld, im Kontext des ganzen Immobilienmarkts ist es aber eine kleine Summe. Sie wird den Markt nicht fundamental verändern. Dazu braucht es vielmehr ein grösseres Angebot. Um das zu erreichen, sind bessere Bedingungen nötig, um zu bauen: kürzere Bewilligungsfristen, weniger Einsprachemöglichkeiten, weniger Vorschriften. Ein Vorkaufsrecht, das ohne Grund in die Freiheiten jedes Einzelnen eingreift, ist hingegen nutzlos.