Die Stimmbevölkerung soll 2 Milliarden Franken für Fernwärme bewilligen.
Mit dem Vorsatz, die Stadt bis 2040 klimaneutral zu machen, hat sich Zürich ein ambitioniertes Ziel gesetzt. Um es zu erreichen, setzt der Stadtrat unter anderem auf erneuerbare Energieträger.
Vor allem das Heizen schlägt sich auf die Energiebilanz nieder. Gut die Hälfte des ganzen CO2-Ausstosses der Stadt Zürich sei darauf zurückzuführen, sagte Stadtrat Michael Baumer (FDP), Vorsteher des Departements Industrielle Betriebe am Donnerstag an einer Medienkonferenz.
Momentan sind etwa 30 Prozent des Stadtgebiets durch Fernwärmenetze erschlossen. Es ist ein Flickenteppich. Das liegt daran, dass Zürichs thermische Netze ursprünglich von unterschiedlichen Organisationen gebaut wurden: vom Elektrizitätswerk EWZ, von Entsorgung und Recycling Zürich (ERZ) und von Energie 360° AG. Seit Anfang Jahr sind die Wärmeverbünde beim EWZ zentralisiert.
Bis 2040 wolle die Stadt die bestehenden Fernwärmenetze miteinander verbinden und ergänzen, sagte Baumer. Technisch solle die Stadt über ein grosses Fernwärmenetz verfügen. Ziel ist es, auf 60 Prozent des Stadtgebiets einen Zugang zu einem thermischen Netz zu ermöglichen.
Lokale und umweltfreundliche Energie – nicht nur für das Netto-Null-Ziel, sondern auch, um die Versorgungssicherheit zu gewährleisten, betonte Baumer.
Die Wärme beziehen die jetzt noch einzelnen Netze aus unterschiedlichen Quellen: Das grosse Fernwärmenetz in Zürich Nord beispielsweise ist an die Kehrichtverbrennungsanlage Hagenholz angeschlossen.
4000 Quadratmeter Technik
Der Energieverbund Cool City, der dereinst den Kreis 1 links der Limmat versorgen soll, wird seine Energie aus dem Zürichsee beziehen. Von der Arbeit an diesem Fernwärmenetz zeugt momentan eine Baustelle an der Talstrasse, unweit vom Paradeplatz. Mittels Microtunneling entsteht in 10 Metern Tiefe eine Verbindung vom Basteiplatz bis zum Bürkliplatz. Sie wird dereinst den bestehenden Seewasserverbund Fraumünster mit dem Cool-City-Netz verbinden.
Beim Baur au Lac am Bürkliplatz ist eine Seewasserzentrale geplant, um das Wasser anzupumpen. Von dort wird es in 20 Metern Tiefe via Basteiplatz zur Energiezentrale Selnau geführt. Der Bau dieser Leitung beginnt 2027. Ab 2031 wird Cool City schrittweise das Verbundgebiet mit Wärme versorgen.
4000 Quadratmeter Technik benötigt die ganze Infrastruktur für den Cool-City-Wärmeverbund insgesamt.
Zusätzliche Energieerzeugungsanlagen und Energiespeicher
Um den Ausbau der Stadtzürcher Fernwärme zu finanzieren, beantragt der Stadtrat den Stimmberechtigten einen Rahmenkredit von 2,26 Milliarden Franken. Mit Rahmenkrediten habe die Stadt im Zusammenhang mit dem Fernwärmeausbau gute Erfahrungen gemacht, sagte Baumer. So müsse nicht jedes Teilprojekt der Stimmbevölkerung unterbreitet werden, sondern der Stadtrat könne die Gelder dafür innerhalb des Rahmenkredits selber sprechen.
Schon zweimal hat die Stadtzürcher Stimmbevölkerung über Kredite abgestimmt, um den Ausbau der Fernwärmeversorgung zu finanzieren: 2021 wurden 330 Millionen Franken bewilligt, im Jahr darauf 573 Millionen Franken.
Der jetzt beantragte Rahmenkredit löse die bisherigen ab, schreibt der Stadtrat. Wenn die Stadt wie geplant im November über 2,26 Milliarden Franken abstimmt, sind in dem Betrag auch die beiden bereits bewilligten Summen mit einberechnet.
Dass mehr Geld benötigt werde, habe nicht nur mit dem räumlichen Ausbau der Fernwärmenetze zu tun – allein dafür ist rund 1 Milliarde Franken vorgesehen –, sondern auch damit, dass ein Ökologisierungsgrad von 100 Prozent angestrebt werde, sagte Baumer. Das heisst, bestehende und künftige Fernwärmenetze sollen so konzipiert sein, dass die Wärme komplett fossilfrei erzeugt werden kann.
Gegenwärtig liege der Ökologisierungsgrad bei über 70 Prozent, sagte Baumer. Dies, weil in Spitzenzeiten – also zum Beispiel früh am Morgen oder im Winter – fossile Energieträger eingesetzt würden, um die Versorgung zu gewährleisten. Seien die einzelnen Verbünde zusammengeschlossen, könnten sie sich gegenseitig aushelfen.
Zudem ist vorgesehen, zusätzliche Energieerzeugungsanlagen und Energiespeicher zu erstellen. Der Stadtrat rechnet hier mit Kosten von 578 Millionen Franken.
Solche Energiespeicher sind im Stadtbild alles andere als unauffällig. Sie seien mit grossen Boilern vergleichbar, sagte Christoph Deiss. Er ist Leiter der Abteilung Energielösungen beim EWZ. Etwa bei der Kehrichtverbrennungsanlage Hagenholz seien solche Speicher vorgesehen. Voraussichtlich würden sie über 40 Meter hoch und wiesen einen Durchmesser von mindestens 15 Metern auf. Statt die Abwärme aus der Verbrennungsanlage als Abluft abzuführen, wird sie genutzt, um das Wasser in der Speicheranlage zu erhitzen.
Fernwärme soll Gas ersetzen
Noch werden viele Haushalte mit Gas versorgt. Die Stadt will das Gasnetz in den nächsten Jahren schrittweise stilllegen und durch Fernwärmenetze ersetzen. Einen Anschlusszwang gibt es nicht, Hauseigentümer können auch eine andere erneuerbare Heizart wählen, beispielsweise eine Wärmepumpe.
Doch nicht überall ist es möglich, Wärmepumpen einzusetzen. Insbesondere in dicht bebauten Gebieten, wie beispielsweise in Wiedikon, fehle schlicht der Platz für eine Erdsonde, sagt Deiss. Luftwärmepumpen würden derweil zu viel Lärm verursachen.