Am Montag begann der Strafprozess in New York gegen Donald Trump mit der Selektion der Geschworenen. Aus Hunderten von Kandidaten werden mithilfe von 42 Fragen zwölf Juroren bestimmt. Aber lässt sich in der Hochburg der Demokraten wirklich eine faire Jury finden?
Donald Trump hat sich seine Meinung zum ersten Strafprozess in der Geschichte der USA gegen einen ehemaligen Präsidenten bereits gemacht. Als er am Montag den Gerichtssaal in Manhattan betrat, bezeichnete er das Verfahren gegen ihn als «politische Verfolgung» und einen «Angriff auf Amerika». Präsident Joe Biden ziehe dabei die Fäden im Hintergrund, um seinem politischen Konkurrenten zu schaden.
Im Vorfeld zweifelte Trump auch die Integrität des zuständigen Richters Juan Merchan, des anklagenden Bezirksstaatsanwalts Alvin Bragg und der künftigen Geschworenen an. Der ehemalige Präsident kritisierte, dass Merchans Tochter für ein PR-Unternehmen arbeite, das demokratische Politiker berate. Merchan sei «korrupt», meinte Trump. Bragg, der als Demokrat in sein Amt gewählt wurde, beschimpfte er unter anderem als «Tier». Gleichzeitig erachtete Trump die Auswahl einer unparteiischen Jury in New York als unmöglich. Biden gewann 2020 in Manhattan knapp 85 Prozent der Stimmen.
Zwei Wochen für Hunderte von Kandidaten
Umso aufmerksamer wird nun zu Prozessbeginn die Selektion der Geschworenen verfolgt. Die zwölf Auserkorenen entscheiden letztlich darüber, ob Trump 2016 mit der mutmasslichen Vertuschung von Schweigegeldzahlungen an die Pornodarstellerin Stormy Daniels ein Verbrechen begangen hat. Gemäss der Anklage erhielt Daniels von Trump insgesamt 130 000 Dollar, damit sie vor der damaligen Präsidentschaftswahl der Presse nichts über seinen mutmasslichen Seitensprung mit ihr im Jahr 2006 erzählt. Danach fälschte er angeblich seine Geschäftsbücher, um die Transaktion und die Verletzung von Gesetzen zur Wahlkampffinanzierung zu verheimlichen. Eine Verurteilung könnte für Trump eine Gefängnisstrafe von bis zu 20 Jahren bedeuten. Wahrscheinlicher scheint indes eine Bewährungsstrafe zu sein.
Gewöhnlich ist die Auswahl der Geschworenen bei Prozessen eine kurze Angelegenheit. Doch Beobachter rechnen nun mit bis zu zwei Wochen allein für diesen Schritt. Jeden Tag sollen rund 500 Kandidaten geprüft werden, wobei jeweils etwa hundert von ihnen den Verhandlungssaal betreten. Ihnen wird die Anklage kurz erläutert. Wer selbst überzeugt ist, dass er kein unparteiisches Urteil über Trump fällen kann, darf gehen. Bereits diese Massnahme ist ungewöhnlich. Normalerweise müssen die Kandidaten in einer Befragung ihre Gründe erklären. Doch um die schwierige Auswahl zu beschleunigen, verzichtete Richter Merchan auf diese Prozedur.
Wer von den möglichen Geschworenen noch übrig bleibt, muss danach insgesamt 42 Fragen beantworten. Dabei geht es neben dem Bildungsstand oder der beruflichen Tätigkeit auch um politische Anhaltspunkte: Welche Medien lesen Sie? Haben Sie jemals an einer Trump-Rally teilgenommen? Haben Sie Gefühle oder Meinungen dazu, wie Trump in diesem Gerichtsfall behandelt wird?
Die Anklage und die Verteidigung kann danach alle Kandidaten zu ihren Antworten befragen. Beide Parteien können zehn Personen ohne die Angabe von Gründen ablehnen. Die Identität und die Adresse aller Geschworenen werden am Ende vor der Öffentlichkeit geheim bleiben, um sie vor möglichen Bedrohungen durch Trump-Anhänger zu beschützen.
Vorteil Trump: Eine Verurteilung verlangt Einstimmigkeit
Obwohl die Mehrheit der New Yorker die Demokraten wählt, verfügt Trump bei der Zusammenstellung der Jury letztlich über einen wichtigen, aber leicht zu übersehenden Vorteil. Denn für einen Schuldspruch müssen die Geschworenen eine einstimmige Entscheidung treffen. Für die Verteidigung könnte es also reichen, wenn sich am Ende ein einziger Trump-Sympathisant unter den zwölf Juroren befinden würde. Die Anklage ihrerseits wird für einen Erfolg alle Geschworenen von ihrer Beweisführung überzeugen müssen.
Auch Richter Merchan bewies am ersten Verhandlungstag, dass es sich hier nicht um einen unfairen Schauprozess handelt. Zwar lehnte er einerseits den Antrag der Verteidigung ab, sich von dem Fall zurückzuziehen. Andererseits untersagte er es der Anklage, die Vorwürfe sexueller Übergriffe gegen Trump, die verschiedene Frauen 2016 nach der Veröffentlichung der berüchtigten «Access-Hollywood-Aufnahme» vorbrachten, in ihrer Beweisführung zu erwähnen. Es handle sich hierbei nur um «Gerüchte» und «Hörensagen», erklärte Merchan.
Die «Washington Post» hatte die Aufnahme kurz vor der Präsidentschaftswahl veröffentlicht. Trump brüstet sich darin damit, dass Frauen alles mit sich machen liessen, weil er eine bekannte Persönlichkeit sei. Er könne sie ungefragt küssen und ihnen zwischen die Beine greifen. Gemäss der Anklage war dieser Skandal der entscheidende Grund dafür, warum Trump das Schweigegeld an Daniels bezahlte, um eine weitere unangenehme Enthüllung zu verhindern. Anstatt der Aufnahme darf den Geschworenen nun aber bloss eine Abschrift von Trumps Aussagen darin präsentiert werden.
Angesichts der persönlichen Geschichten, die diesem Strafprozess zugrunde liegen, scheint klar: Unabhängig davon, wie die Geschworenen am Ende urteilen werden, für Trump und auch seine Ehefrau Melania muss es schmerzhaft sein, mit diesen Vorwürfen aus der entfernteren Vergangenheit nochmals konfrontiert zu werden. Ob der Prozess die Wahl im Herbst jedoch beeinflussen kann, ist fraglich. In einer kürzlichen Umfrage sagten 82 Prozent der republikanischen Wähler, dass eine Verurteilung in New York keinen Einfluss auf ihre Unterstützung für Trump habe oder sie gar noch darin bestärke.