Wer wenig Geld auf der hohen Kante hat, kann für den Kauf von Wohneigentum sein Vorsorgeguthaben in der Pensionskasse und der Säule 3a vorbeziehen. Antworten auf neun wichtige Fragen rund um die staatliche Wohneigentumsförderung.
Die Schweiz ist in Europa ein Sonderfall: Der Anteil der Wohneigentümer in der Bevölkerung steigt nicht, sondern schrumpft sogar leicht. Während 2015 noch 38 Prozent der Bevölkerung in den eigenen vier Wänden lebten, sank der Anteil bis zum Jahr 2021 auf 36 Prozent. Das zeigt das neuste Immo-Monitoring des Immobilienberaters Wüest Partner. Das Paradoxe dabei: Wohneigentum wäre eigentlich sehr gefragt – laut einer Umfrage derselben Firma spielen bei den 30- bis 50-Jährigen rund die Hälfte der Haushalte im Mietverhältnis mit dem Gedanken, Wohneigentum zu kaufen.
Für die meisten Kaufwilligen bleibt der Traum vom Eigenheim aber ein Luftschloss. Sie haben zu wenig Einkommen und Vermögen, um eine Hypothek von einem Finanzinstitut zu erhalten. Kreditgeber fordern neben der Tragbarkeit von Zinsen und Unterhalt in der Regel einen Fünftel an Eigenmitteln für einen Hauskredit. Dabei muss ein Zehntel des Immobilienpreises in Form von flüssigen Mitteln, Spargeldern, Wertschriften, Erbvorbezügen oder Guthaben aus der freiwilligen, gebundenen Säule 3a bereitgestellt werden.
Mindestens 10 Prozent des Kaufpreises müssen aus Eigenkapital bestehen, das nicht aus der Pensionskasse stammt. Experten reden von «hartem» Eigenkapital. Fakt ist: Die Altersguthaben auf dem Freizügigkeitskonto, in der Pensionskasse oder auf einem Konto der Säule 3a sind meist das grösste Vermögen. Da liegt es nahe, diese eigentlich für den Lebensabend gedachten Gelder in Wohneigentum zu investieren.
Der Vorbezug von Vorsorgegeldern braucht Vorlauf
Florian Schubiger ist Mitgründer der Hypotheken-Vergleichsplattform Hypotheke.ch in Zürich. Er mahnt, dass man sich beim Kauf von Wohneigentum bewusst sein müsse, dass der Bezug von Vorsorgegeldern im Rahmen der Wohneigentumsförderung (WEF) eine gewisse Zeit dauern könne. «Man muss einen Verkäufer allenfalls zum richtigen Zeitpunkt darüber informieren. Will ein Verkäufer rasch verkaufen, sollte die Zeitdauer für einen WEF-Vorbezug vorher mit der Pensionskasse abgeklärt werden.»
Bei Ehepaaren mit zwei Pensionskassen sei es wichtig zu prüfen, wer von beiden einen WEF-Bezug tätigen sollte. Alle Handlungen in Bezug auf WEF-Bezüge und -Rückzahlungen sollten aufeinander abgestimmt werden. Dafür müsse man die wichtigsten Regeln sowie die Vor- und Nachteile eines WEF-Bezugs kennen.
1. Was versteht man unter der staatlichen Wohneigentumsförderung?
Um den Kauf oder die Erstellung von selbstgenutztem Wohneigentum zu fördern, hat der Gesetzgeber vorgesehen, dass die Vorsorgeeinrichtungen für diesen Zweck Mittel oder Sicherheiten zur Verfügung stellen können. Die Wohneigentumsförderung (WEF) hat das staatspolitische Ziel, dass sich mehr Leute mithilfe von Vorsorgeguthaben ein Eigenheim leisten können. Im Rahmen der WEF darf man fehlende Eigenmittel aus der gebundenen Vorsorge beziehen oder verpfänden. Viele Details regelt die Verordnung über die Wohneigentumsförderung mit Mitteln der beruflichen Vorsorge vom 3. Oktober 1994.
2. Für welche Zwecke ist ein WEF-Vorbezug möglich?
Der Vorbezug kann für den Erwerb oder die Erstellung von Wohneigentum genutzt werden. Zudem darf man die Gelder für die Rückzahlung eines Hypothekardarlehens auf Wohneigentum, für den Erwerb von Beteiligungen an Wohneigentum (Genossenschaften) oder die Finanzierung von Renovationen oder wertvermehrenden Investitionen einsetzen. Zulässige Formen des Wohneigentums sind auch Immobilien im Baurecht. Für Ferienimmobilien oder Zweitwohnsitze ist ein Vorbezug ausgeschlossen – wie auch für den Kauf eines Wohnmobils, eines Boots oder einer Geschäftsliegenschaft.
Sven Pfammatter, Bereichsleiter beim VZ Vermögenszentrum in Zürich, sagt: «Auch eine Photovoltaikanlage, die mehr Strom als nur für den Eigenbedarf produziert, darf nicht mit einem WEF-Vorbezug finanziert werden. Das gilt auch für Investitionen in die Gartenanlage. Die Kriterien sind einfach zusammengefasst: Eigengebrauch, für Wohnraum, keine Luxusbauten.»
3. Was sind die Bedingungen beim WEF-Vorbezug?
Um den Kauf von Wohneigentum zu finanzieren, kann man sein Vorsorgeguthaben teilweise oder vollständig beziehen. Bis zum Alter 50 darf man das gesamte Sparkapital bei der Pensionskasse beziehen. Ab dem Alter 50 maximal die Hälfte des angesparten Vorsorgekapitals oder den Betrag, der beim Alter 50 vorhanden war, falls dieser höher ist. Ein WEF-Bezug ist in der Regel nur bis drei Jahre vor dem Pensionierungszeitpunkt möglich. Die maximale Bezugshöhe steht in der Regel auf dem jährlich zugestellten Pensionskassenausweis. Beim Pensionskassengeld müssen mindestens 20 000 Franken bezogen werden – für eine einzige, selbstbewohnte Immobilie.
Dieser Mindestbetrag gilt nicht für den Erwerb von Anteilscheinen für Wohnbaugenossenschaften und von ähnlichen Beteiligungen sowie für Ansprüche gegenüber Freizügigkeitseinrichtungen. Bei der Säule 3a gibt es keinen Mindestbetrag. Ein WEF-Vorbezug kann nur alle fünf Jahre geltend gemacht werden.
4. Soll man für den Erwerb von Wohneigentum zuerst PK-Geld oder Säule-3a-Guthaben beziehen?
Florian Schubiger von Hypotheke.ch in Zürich antwortet auf diese Frage: «Für die meisten gilt, dass sie zuerst immer die Säule 3a einsetzen sollten und erst dann die Pensionskasse. Der Grund: Damit verbaut man sich keine Einkäufe in die zweite Säule zum Zweck der Steueroptimierung. Viele sind sich nicht bewusst, dass man zuerst den gesamten WEF-Bezug in die Pensionskasse zurückzahlen muss, um überhaupt wieder abzugsfähige Einkäufe in die zweite Säule zu tätigen.»
5. In welchen Fällen ergibt ein Bezug mehr Sinn als eine Verpfändung des Pensionskassenguthabens?
Statt das Pensionskassengeld zu beziehen, kann man es auch verpfänden. Der Vorteil: Das angesparte Altersguthaben bleibt in der Pensionskasse, und die Renten- und Versicherungsleistungen bleiben gleich. Das verpfändete Altersguthaben dient der Bank als Sicherheit im Fall der Zahlungsunfähigkeit des Hypothekarkunden. Der Nachteil: Eigenheimkäufer haben so weniger Eigenkapital und benötigen eine grössere Hypothek. Und das kostet Geld. Pfammatter sagt zum Bezug: «Ein Bezug ist zwingend, wenn nur auf diese Weise die Tragbarkeit einer Hypothek für die Bank gegeben ist.» Schubiger sagt: «In den meisten Fällen ist eine Verpfändung sinnvoller als ein Bezug.»
6. Was sind die Steuerfolgen eines WEF-Vorbezugs?
Ein WEF-Bezug wird genau gleich besteuert wie eine Kapitalauszahlung aus der Pensionskasse zum Pensionierungszeitpunkt. Wer Geld aus der gebundenen Vorsorge bezieht, muss eine kantonal unterschiedlich hohe Kapitalauszahlungssteuer zahlen. Die Steuersätze der Kantone liegen in der Regel bei drei bis gut zehn Prozent – je nachdem, wie viel Geld bezogen wird. Wer das Geld in mehreren Tranchen bezieht, zahlt wegen des progressiven Steuertarifs in einigen Kantonen meist weniger. Die Berechnung der Steuerhöhe wird separat vom übrigen Einkommen vorgenommen.
7. Was sind die Folgen eines WEF-Vorbezugs für meinen Alters-Sparbatzen?
Ein Vorbezug von Alterskapital reduziert die künftigen Zinsgutschriften. Die Altersrente fällt daher tiefer aus. Das ist nicht unbedingt ein Nachteil, denn das Leben im Eigenheim verringert auch die Wohnkosten bis zum Lebensende. Und die Wertsteigerung der Immobilie ist häufig höher als der Zins auf dem Altersguthaben der Pensionskasse. Gut zu wissen: Nach einem Bezug aus der Pensionskasse sind steuerwirksame Pensionskasseneinkäufe erst wieder erlaubt, wenn der WEF-Vorbezug komplett zurückgezahlt ist.
Nachteilig kann ein Vorbezug von Pensionskassengeld im Falle einer späteren Invalidität sein. Denn es gibt Pensionskassen, welche die Invaliditätsrenten nicht vom versicherten Lohn aus berechnen, sondern vom Altersguthaben. Und wenn es sinkt, wird die Rente kleiner. Ob dies der Fall ist, kann man im Pensionskassenreglement nachschauen. Sinkt die Invalidenrente, sollte man für den Fall des Kapitalbezugs den Abschluss einer Erwerbsausfallversicherung bei Invalidität prüfen. Eine solche Risikoversicherung ist relativ preiswert.
8. Muss man einen WEF-Vorbezug jemals wieder zurückzahlen?
Ja, wird die mit WEF-Kapital finanzierte Liegenschaft wieder verkauft, muss das Kapital an die Pensionskasse zurückgezahlt werden. Die Ausnahme: Man kauft in einer gewissen Frist eine neue Liegenschaft im Rahmen der Wohneigentumsförderung. Die Übertragung des Wohneigentums an einen vorsorgerechtlich Begünstigten – wie beispielsweise an ein minderjähriges Kind, an den Ehegatten oder an den Ex-Ehegatten – löst dagegen keine Rückzahlungspflicht aus. Zurückgezahlt werden muss der bezogene Betrag nicht nur beim Verkauf an eine nicht begünstigte Person, sondern auch, wenn Rechte an diesem Wohneigentum eingeräumt werden, die wirtschaftlich einer Veräusserung gleichkommen – wie beispielsweise bei der Errichtung einer Nutzniessung.
9. Darf man WEF-Vorbezüge freiwillig zurückzahlen?
Ja, die freiwillige Rückzahlung des WEF-Vorbezugs ist möglich, solange die versicherte Person noch keinen reglementarischen Anspruch auf Altersleistungen erlangt oder noch keine Willenserklärung für eine vorzeitige Pensionierung abgegeben hat. Der Mindestbetrag für eine Rückzahlung liegt bei 10 000 Franken. Pfammatter sagt dazu: «Es ist sinnvoll, wenn jemand im Alter eine höhere Rente will. Zudem können Rückzahlungen Sinn ergeben, wenn man die Pensionskasse wieder für steuerbegünstigte Einkäufe nutzen will.» Führe eine Rückzahlung zu Liquiditätsproblemen, solle man aber besser darauf verzichten. Freiwillige Einkäufe verbessern generell die Leistungen im Alter und je nach Pensionskasse auch die Leistungen bei Invalidität oder Tod. Freiwillige Einkäufe empfehlen sich vor allem ab dem 50. Altersjahr.