Die norwegische Dynastie ist jung und auf das Wohlwollen des Volkes angewiesen. In absehbarer Zeit wird der greise König sterben. Keine gute Konstellation, den Skandal um den Vergewaltigungsprozess gegen Kronprinzessin Mette-Marits Sohn Marius Høiby aufzufangen.
Vor Jahren blieb ein Antrag auf Abschaffung der Monarchie im norwegischen Parlament chancenlos. Die Zukunft sei vielversprechend, so freute sich damals der Poet Jan Erik Vold, denn die Königskinder hätten «spannende Partner» gefunden – wie der Kronprinz die alleinerziehende Mutter Mette-Marit.
Bei der Heirat war der Sohn Marius 4. Heute ist er 28 Jahre alt. Jetzt erhebt die Staatsanwaltschaft Anklage gegen den jungen Mann. Sie legt ihm 32 Straftaten zur Last, namentlich die Vergewaltigung von vier Frauen. Rechtsexperten rechnen mit einer Strafe von mehr als fünf Jahren Haft.
Marius Borg Høiby bekennt sich «nicht schuldig». Høiby sei das erste Mitglied einer Königsfamilie, das sich vor Gericht verantworten müsse, sagt der schwedische Historiker Herman Lindqvist dem Stockholmer «Expressen». Üblicherweise könnten sich die Royals freikaufen, oder die Sache werde unter den Teppich gekehrt. Høibys Prozess soll im Januar 2026 beginnen.
Junge Dynastie
Die norwegische Dynastie ist jung. Im 19. Jahrhundert war das Land in einer Union an Schweden gebunden. König und Aussenministerium waren Ausdruck der schwedischen Hegemonie. Deshalb hatte der Unabhängigkeitskampf einen republikanischen Akzent. In Bjørnstjerne Bjørnsons Stück «Der König» (1877) richtet sich ein Monarch selbst, als er erkennt, dass die Monarchie nicht reformierbar ist. Dennoch entschieden sich die Norweger 1905 in einer Volksabstimmung für die Monarchie, nachdem die Union geplatzt war. Sie machten einen dänischen Prinzen zum König. Ihm empfahl Bjørnson, «bescheiden mit dem republikanischen Volk zu leben».
Royale Bescheidenheit inszenierte der Hof 1973 während der Ölkrise mit einem Pressefoto, das damals für einen Schnappschuss gehalten wurde: Der König in Anorak und Schirmmütze hält im Gewimmel der Holmenkollen-Bahn dem Schaffner einen Zehn-Kronen-Schein hin. «Für Sie ist bereits bezahlt, Majestät», sagte der und setzte den Kontrollgang fort. «Ein legendäres Bild, das selbst Marxisten-Leninisten zu Royalisten machte», befindet ein Geschichtsbuch.
Das Leben eines Playboys
Zu diesem Inbegriff norwegischen Selbstverständnisses setzt die Causa Høiby einen schrillen Kontrast. Die Königsfamilie ist klein, was sie verletzlich macht. Der Adel wurde bereits 1821 abgeschafft. Im kleinen royalen Kosmos nimmt Høiby eine prekäre Rolle ein. Er ist Teil der Königsfamilie und lebt in der Residenz des Kronprinzen, gehört aber nicht zum Königshaus. Der Historiker Lindqvist nennt ihn deshalb eine tragische Figur, die scheitern musste. Doch die Welt stand Høiby offen. Das Studium in den USA schmiss er nach einigen Wochen. Ohne Ausbildung und Beruf führt er das Leben eines Playboys. Da stellt sich auch die Frage nach der Verantwortung des Kronprinzenpaars.
Macht besitzt der norwegische König nicht, er ist aber so etwas wie das Symbol des Landes und lebt vom Vertrauen der Bürger. Respekt erwarb sich das Königshaus im Zweiten Weltkrieg.
Was würde es mit der Dynastie machen, wenn ein Mitglied der Familie als Sexualstraftäter hinter Schloss und Riegel verschwinden sollte? Noch haben die Königlichen keine Sprache gefunden, um des Problems Herr zu werden. Der 88 Jahre alte König wirkt gebrechlich, der Kronprinz zeigt sich schmallippig, Mette-Marit leidet an einer Lungenkrankheit. Probleme gebe es in jeder Familie, sagte der König letztes Jahr, als Prinzessin Märtha Louise wegen allerlei Skandalen im Brennpunkt der Öffentlichkeit stand. Vor der Causa Høiby indes versagt dieses Narrativ.