Der Aussenseiter Lausanne hatte dem ZSC in der Belle erstaunlich wenig entgegenzusetzen. Für mehrere Zürcher Profis endet eine lange Durststrecke.
Als der Konfettiregen vorbei war, fand Marc Crawford eine Sekunde um seine Gedanken zu sortieren. Crawford, 63, der älteste Meistercoach der Schweizer Play-off-Geschichte, wurde gefragt, wo er den Triumph in seiner langen Karriere einordne. «Ganz oben», sagte Crawford, und fügte an: «Diese Jungs haben sich ganz einfach geweigert, nicht Meister zu werden. Wir haben viel durchgemacht. Der Ausfall von Malgin hat uns getroffen. Aber das Team ist aufgestanden und hat den Job gemacht.» Es wirkte so als läge ein fast väterlicher Stolz in der Stimme des Kanadiers.
Crawford hat in den letzten Wochen immer wieder versucht, der Welt halbwegs glaubhaft zu vermitteln, der ZSC habe in diesem Winter schwierige Prüfungen durchlebt. Für die Herausforderungen dieser Mannschaft, dem souveränen Qualifikationssieger mit dem luxuriösesten Kader weit und breit, werden Berufskollegen wie Luca Cereda von Ambri-Piotta oder Josh Holden im HC Davos nicht viel mehr als ein müdes Lächeln übrig haben. Aber am letzten Abend der Saison erhielt Crawford doch noch recht.
Bei einem missglückten Check verletzte sich der Topskorer Denis Malgin kurz vor dem Ende des ersten Abschnitts. Und weinte danach auf der Spielerbank bittere Tränen als er realisierte, dass er nicht weiterspielen kann. Malgin, 27, zog sich gemäss dem ZSC-Sportchef Sven Leuenberger eine Knieblessur zu. Er dürfte der Nationalmannschaft für die am 10. Mai in Prag beginnende WM nicht zur Verfügung stehen.
Die Klubikone Ari Sulander sah, wie sein Nachfolger Simon Hrubec den nächsten Shutout feierte
Es ist ein Albtraum, im wichtigsten Spiel der Saison den wichtigsten Spieler zu verlieren. Nicht einmal der ZSC kann seinen Erstliniencenter einfach so ersetzen. Doch Malgins Teamkollegen bewiesen Charakter –und der schwedische Stürmer Jesper Frödén sprang als Torschütze in die Bresche. Frödén erzielte gegen den tapferen, aber auffallend nervös wirkenden Lausanne-Torhüter Connor Hughes den Siegtreffer. Zuvor hatte der NHL-erprobte Angreifer zwölf Spiele in Folge nicht getroffen.
Frödén erlöste den Zürcher Anhang – und auch Malgin, der zur moralischen Unterstützung auf die Spielerbank zurückkehrte. «Ich habe versucht, alles für das Team zu geben. Es hat leider nicht sollen sein, dass ich nochmals spielen konnte. Ich habe alles probiert die Jungs auf der Bank zu motivieren. Ich bin den Jungs sehr dankbar, wir sind eine Einheit. Wir haben den Titel verdient. Zürich hat den Titel verdient. Für die Stadt, für die Fans», sagte Malgin.
Der ZSC bot seinem Anhang im ausverkauften Stadion sehr viel, punkto Unterhaltung setzen die Zürcher Massstäbe. Ari Sulander wurde in der zweiten Pause interviewt, die grosse Torhüterlegende, die inzwischen nahe dem Polarkreis als Tierbestatter arbeitet. Sulander flog extra für die Partie ein – und wurde Zeuge davon, wie sich sein Nachfolger Simon Hrubec zum fünften Shutout in diesem Play-off hexte.
Hrubec wurde am Dienstag wenig gefordert, Lausanne enttäuschte in der bedeutendsten Partie der Klubgeschichte auf der ganzen Linie. Der Ausfall Malgins bedeutete ein goldene Gelegenheit, doch der Überraschungsfinalist stand für diese Herausforderung in zu grossen Schuhen.
Auch Denis Hollenstein ist endlich am Ziel
Der ZSC dagegen hielt dem Druck stand. Für den Klub war es Meistertitel Nummer 10, für zahlreiche Spieler aber eine Premiere. Sven Andrighetto, Yannick Weber und Denis Hollenstein beispielsweise hatten in ihrer langen, beeindruckenden Karriere keine Titel feiern können. Letzterer verliess 2018 seinen Herzensklub Kloten, weil er Meister werden wollte. Er musste 34 werden, um das Ziel zu erreichen. Hollenstein war der erste ZSC-Profi, der den Meisterpokal gen Himmel stemmte; ein Privileg, welches eigentlich dem Captain vorbehalten ist. Doch Patrick Geering liess seinem Weggefährten den Vortritt; dieser stiess einen Schrei der Erlösung aus. Die Szenerie hatte etwas Rührendes. «Ich habe so viele Jahre auf das hier hingearbeitet. Jetzt hat es endlich geklappt», sagte ein entrückter Hollenstein.
Die Spieler versorgten sich während der Interviews gegenseitig mit Bier. Es war erst der Anfang einer langen, wilden Zürcher Partynacht.