Nur wenige Wochen nach der Lieferung hat die Ukraine einen ihrer wenigen F-16-Kampfjets verloren. Die Umstände des Absturzes werfen schwierige Fragen auf.
Nach mehrtägigem Schweigen hat die Militärführung in Kiew am Donnerstagabend bestätigt, dass die Ukraine erstmals eines ihrer F-16-Kampfflugzeuge verloren hat. Die Maschine sei aus ungeklärten Gründen bei einem Kampfeinsatz am Montag abgestürzt, der Pilot ums Leben gekommen. Die Luftwaffe gab kurz danach den Namen des Todesopfers bekannt. Es handelt sich um Olexi Mes, einen der berühmtesten Piloten des Landes und einen der ganz wenigen, die die Zusatzausbildung für den amerikanischen Flugzeugtyp bereits durchlaufen hatten.
Der Verlust ist für die Ukraine ein schwerer Schlag. Jahrelang hatte das Land sehnlichst auf die Lieferung westlicher Kampfflugzeuge gewartet, weil die eigene Luftwaffe überaltert und von den russischen Invasoren weitgehend zerstört worden war. Als vor einem Monat endlich die ersten F-16 geliefert wurden, war in der Bevölkerung die Freude gross und ebenso die Erwartung, dass die Ukraine nun wirksam gegen russische Luftangriffe vorgehen könne. Doch eingetroffen ist bisher nur eine kleine Zahl; inoffiziell ist die Rede von sechs Stück. Insgesamt sind mehr als 80 F-16 versprochen, von Dänemark, den Niederlanden, Norwegen und Belgien.
Doppelt schwerer Verlust
Nicht nur die Zahl der verfügbaren Flugzeuge ist knapp, sondern vor allem auch jene der Piloten. Es fehlt im Westen an Kapazitäten, um die auf sowjetischen MiG-29 oder Su-27 ausgebildeten Kampfjetpiloten umzuschulen. Entsprechend wird die kleine F-16-Luftwaffe der Ukrainer gleich doppelt getroffen. Ein schwerer Dämpfer ist zudem, dass sich der tragische Vorfall offenbar schon beim ersten Kampfeinsatz ereignet hat.
Am Montag hatte Russland eine aussergewöhnlich heftige Serie von Luftangriffen auf die Ukraine und deren Energie-Infrastruktur lanciert, gemessen an der Zahl der angreifenden Flugkörper die grösste seit zweieinhalb Jahren. Nach offiziellen Angaben kamen dabei an einem einzigen Tag 127 Raketen und Marschflugkörper sowie 109 Kamikaze-Drohnen zum Einsatz. Erstmals nutzte die Ukraine bei der Verteidigung nicht nur ihre bodengestützte Flugabwehr, sondern auch die neu gelieferten F-16. Vor seinem Absturz gelang es dem Piloten nach Angaben Kiews noch, drei Marschflugkörper und eine Drohne abzuschiessen.
Die Militärbehörden haben bisher keine Absturzursache bekanntgegeben – diese werde noch untersucht. Ein Abschuss durch russische Raketen gilt offenbar als unwahrscheinlich. Im Vordergrund stehen die Möglichkeiten eines technischen Versagens, eines Pilotenfehlers oder eines irrtümlichen Abschusses durch die eigene Flugabwehr. Letzteres vermutet die ukrainische Parlamentsabgeordnete und Militärpolitikerin Marjana Besuhla, die sich auf eigene Quellen beruft. Sie spricht von einem Abschuss durch eine Patriot-Flugabwehrrakete, als Folge einer mangelhaften Koordination innerhalb der Luftverteidigung. Dies würde den Vorfall noch gravierender machen, weil sich damit die Frage stellte, wie sorgfältig die Integration der F-16 vorbereitet wurde.
Pionierhafter Einsatz für amerikanische Hilfe
Der umgekommene Pilot Olexi Mes mit dem Kampfnamen «Moonfish» genoss bereits zu Lebzeiten einen legendären Ruf. Dank seinen guten Englischkenntnissen wurde er früh für die F-16-Ausbildung ausgewählt. 2022 reiste er zusammen mit einem weiteren prominenten Piloten, Andri Pilschtschikow alias «Juice», nach Washington, um im Kongress für die Lieferung westlicher Kampfflugzeuge zu werben. Amerikanische Abgeordnete zeigten sich von den beiden höchst beeindruckt.
«Juice» kam bereits im vergangenen Jahr bei einem Absturz ums Leben, nun hat das Land auch Mes verloren. Das Begräbnis fand am Donnerstag in der Westukraine statt, zwei MiG-Kampfflugzeuge flogen dabei durch die Luft, um dem F-16-Pionier die letzte Ehre zu erweisen.








