Kokain, Ketamin, Ecstasy und Cannabis: Französische Drogenhändler vertrieben in Verbier Substanzen in einer Menge, die das Wallis noch nicht gesehen hat. Das Problem betrifft auch andere Tourismus-Hotspots.
Im Val de Bagnes im Unterwallis findet man Pulver auf und neben der Piste. Im bekannten Touristenort Verbier komme das Kokain wie aus der Schneekanone geschossen, sagte ein Partygänger in einem Artikel des Portals Heidi.news von Anfang Jahr.
Heidi.news hatte in einer Serie eingehend über den weitverbreiteten Drogenkonsum und -handel in den Skidestinationen berichtet. Mit im Spiel: reiche Touristen und strampelnde Gastarbeiter, die ihr Salär mit dealen aufbessern. Aber auch viele Einheimische, die in den Strudel von Après-Ski und Kater geraten.
Nun zeigt auch die jüngste Erfolgsmeldung der Walliser Polizei, wie hoch der Drogenkonsum in den Touristen-Hotspots ist. Im Rahmen einer Fahndung verhaftete sie 15 mutmassliche Dealer, die mindestens zehn Kilogramm Kokain im Wert von mehr als einer Million Franken verkauft haben sollen.
Wie ein Uber-Dienst
Die minuziöse Operation der Polizei dauerte fast ein Jahr und ihre Resultate sind beachtlich. Für den Kanton handle es sich um den bisher grössten Schlag gegen die Drogenkriminalität, sagte der Polizeikommandant Christian Varone zu SRF.
Die mutmasslichen Dealer sind alle französische Staatsbürger. Sie vertrieben die Drogen im Stil eines Uber-Kurierdienstes – direkt zum eigenen Kundenstamm. Dabei gingen aber alle 15 Verdächtigen eigenständig vor, ohne Verbindungen zueinander. Das erschwerte die Ermittlungen laut Kathleen Pralong-Cornaille, Sprecherin der Kantonspolizei Wallis. Denn habe man es mit einem organisierten Handel zu tun, könne man diesen einfacher zerschlagen.
Diese Fahndung war aufgrund der Einzeltäter komplexer. Involviert waren rund vierzig Sicherheitskräfte aus Frankreich sowie den Kantonen Waadt und Neuenburg. Die Verdächtigen hatten teilweise ihren Wohnsitz verlegt. Ihnen drohen nun Freiheitsstrafen von mehreren Jahren, den Ausländern zudem Landesverweise von mindestens fünf Jahren.
Die Polizei entdeckte in ihren Autos und Wohnungen mehrere hundert Gramm Kokain, drei Kilogramm Cannabis sowie Hunderte von Ecstasy- und Ketamin-Pillen. Zudem stellte sie mehrere zehntausend Franken Bargeld sicher. Verhaftet wurden auch rund zwanzig Kunden der Dealer. Diese hätten die Ware zum Teil weiterverkauft. Unter ihnen waren weitere französische Staatsbürger, aber auch Einheimische.
Fahndung nahm immer grösseres Ausmass an
Singulär am Fall ist auch dies: Noch nie wurden so viele Personen verhaftet, die im Zusammenhang mit dem Drogenhandel in einem einzigen Walliser Gebiet standen. Das Ergebnis war für die Ermittler gewissermassen auch überraschend. Gestartet war die Fahndung mit Hinweisen von Informanten. «Das hat uns die Ermittlungen überhaupt erst ermöglicht», sagte Polizeisprecherin Pralong-Cornaille. «Wir hatten zu Beginn keine Ahnung, dass wir in der Region auf so viele Dealer stossen würden.» Je weiter die Ermittlungen voranschritten, desto mehr Drogenhändlern sei die Polizei auf die Spur gekommen.
Die Walliser Kantonspolizei betont, dass Verbier kein Hotspot für Drogenkriminalität sei. Laut Pralong-Cornaille sind Drogen überall im Kanton zu finden. In den Städten, in den Dörfern und in den beliebten Skigebieten.
Das steht im Einklang zur landesweiten Entwicklung. Die Schweiz ist ein zahlungskräftiger Marktplatz. Zudem ist Kokain günstiger, verfügbarer, reiner geworden. Laut Sucht Schweiz stieg der Konsum von 2012 bis 2022 von 0,7 auf 1 Prozent der Bevölkerung. 6,2 Prozent der Schweizerinnen und Schweizer ab 15 Jahren geben an, die Substanz bereits ausprobiert zu haben. Das Pulver lässt sich auf der Strasse oder diskret über Social-Media-Kanäle bestellen. Es kommt per Post oder Kurier an. Die Sucht betrifft alle Schichten.
Geld, Leute, Party, Drogen
Und doch ist Verbier, einer der bekanntesten Wintersportorte weltweit, ein besonderer Fall. Hier kommt vieles zusammen. «Wo es Geld, viele Leute und Partystimmung gibt, da gibt es auch mehr Drogenhandel», sagt Pralong-Cornaille von der Kantonspolizei.
Verbier ist beliebt bei zahlungskräftigen und feierfreudigen jungen englischen oder russischen Gästen. Bekannt ist das Problem auch in Crans-Montana, Zermatt und Saas-Fee, den anderen touristischen Hotspots des Kantons. Auch dort herrscht im Winter in Bars und Klubs ein wildes Treiben. Diese Destinationen waren in den vergangenen Jahren ebenso Schauplatz mehrerer Ermittlungen und Verhaftungen.
Skilehrer, Saisonniers, Einheimische und Feriengäste: All ihnen kann es passieren, dass ihre Lebensläufe mit dem weissen Pulver in Berührung kommen, als Konsument, als Dealer. Die einen donnern ihren Urlaub mit unerlaubten Mitteln auf, die anderen versuchen den kargen Lohn im gleichzeitig kostspieligen Ferienort aufzupolieren.
Der erstaunliche Fund von Verbier mit 15 unabhängigen Dealern bestätigte auch dies. Es handelte sich dabei in allen Fällen um Saisonniers, die etwa in Bars, Restaurant, Skischulen oder Hotels arbeiten.