Trumps ehemaliger Anwalt weiss vermutlich mehr über Trumps Geschäftspraktiken als irgendwer sonst. Diese Woche tritt er im New Yorker Schweigegeld-Prozess in den Zeugenstand. Die Frage ist, ob die Geschworenen dem «Mann fürs Grobe» glauben werden.
Michael Cohen kennt Trumps krumme Deals und dubiose Machenschaften. Über zehn Jahre lang war er einer der engsten Mitarbeiter des ehemaligen Präsidenten. Er war nicht nur dessen Anwalt – er war sein «Fixer», sein «Ausräumer». «Trumps Pitbull» wurde er genannt, aber auch «Trumps sechstes Kind», so nahe war er ihm und so ergeben – wie einem bewunderten Papa.
Einschüchterung, Drohung und Geld
Er würde sich vor Trump stellen, um eine Kugel abzufangen, sagte er. Vor brachialen Drohungen schreckte er nicht zurück, wenn jemand seinem Herrn schaden wollte. 2015 rief er einen Journalisten an, der einen Artikel über Trumps angebliche Vergewaltigung seiner Ex-Frau Ivana publizieren wollte. «Ich warne dich, sei vorsichtig», drohte er ihm. «Denn was ich dir antun werde, ist verdammt eklig. Verstanden?»
Eine seiner Aufgaben war es, der Pornodarstellerin Stormy Daniels 130 000 Dollar zu bezahlen. Denn es war ihm zu Ohren gekommen, dass sie ihre angebliche Affäre mit Trump aus dem Jahr 2006 an die Medien verkaufen wollte, und dies ausgerechnet im Wahlkampf von 2016. Mit dem Geld sollte sie zum Schweigen gebracht werden. Es war ein Routine-Job für Cohen, ähnliche Deals hatte er schon früher eingefädelt. Aber die Sache mit dem Schweigegeld ging schief; es war der Anfang von Cohens Abstieg.
Trump zahlte ihm das Geld angeblich erst zurück, als er Präsident geworden war, und verbuchte es als «Anwaltskosten». Tatsächlich, so die Argumentation der Staatsanwaltschaft, die Trump nun den Prozess macht, handelte es sich um Wahlkampfgelder; mit der Bezahlung sollte der Schaden abgewiesen werden, der ihm als Präsidentschaftskandidaten durch den Sexskandal erwachsen wäre.
Im April 2018 durchsuchten Bundesbeamte Cohens Büro und Hotelzimmer in Manhattan und beschlagnahmten Dokumente, Computer und Telefone. Cohen war ins Visier des FBI-Sonderermittlers Robert Mueller geraten, der untersuchte, ob der Wahlkampf von Moskau beeinflusst worden war. Im August 2018 bekannte sich Cohen vor Gericht der illegalen Wahlkampffinanzierung und des Steuerbetrugs schuldig. Er verlor seine Anwaltslizenz und wurde zu einer dreijährigen Gefängnisstrafe verurteilt, die zum Teil in Hausarrest umgewandelt wurde.
Cohen bewegte sich oft am Rande der Legalität
Es war ein jäher Sturz. Zugleich wurde Cohen vom Steigbügelhalter Trumps zu dessen gefährlichem Feind. Im Buch «Disloyal» von 2020 bezeichnete er Trump als Hochstapler, Betrüger und Lügner. Er bestätigte, dass Trump und sein Team während des Wahlkampfs Kontakte zu Russland hatten, zum Beispiel im Zusammenhang mit dem geplanten Trump Tower Moskau. Er breitete aus, wie Trump das diktatorische Gebaren Putins bewunderte, und bezichtigte ihn des Rassismus. «Nennen Sie mir ein einziges Land, das von einer schwarzen Person regiert wird und das kein Scheissland ist», so wird Trump zitiert. «Sie sind alle fürs Klo.»
Kein Wunder, versuchte Trump, Cohens Aussage vor Gericht mit allen Mitteln zu verhindern. So verklagte er ihn letztes Jahr auf 500 Millionen Dollar wegen Verletzung der Geheimhaltungspflicht. Vermutlich hat Cohen noch nicht alles ausgeplaudert, was er über Trump weiss.
Aber auch Cohens eigener Werdegang ist voller dunkler Stellen. Wie Trump stammt er aus New York, allerdings aus einer osteuropäisch-jüdischen Familie. Seinem Vater war während des Zweiten Weltkriegs die Flucht aus Polen in die USA gelungen, wo er sich zum Chirurgen ausbilden liess. Cohen, 1966 geboren, erlangte 1992 das Anwaltspatent.
Schon als Student importierte er teure Autos und fuhr selbst einen Porsche. Er heiratete die Tochter eines wohlhabenden ukrainischen Geschäftsmannes, der 1993 wegen Betrugs verurteilt wurde. Nach der Hochzeit stieg Cohen in New York zusammen mit ukrainisch- und russischstämmigen Geschäftsleuten ins lukrative, aber dubiose Taxilizenzen-Gewerbe ein.
Auch versuchte er, Investoren für Geldanlagen in der Ukraine zu gewinnen und – erfolglos – in der Spielkasino-Industrie Fuss zu fassen. Immobiliengeschäfte in New York, mit denen er Millionen verdiente, gaben zu Spekulationen Anlass. Immer wieder wurde ihm eine Nähe zur Mafia vorgeworfen.
Loyalität und Verrat
Seine Beziehung zu Trump begann mit einem unspektakulären Auftrag. Er vertrat ihn an der Eigentümerversammlung des Trump Tower. Seine Aufgabe war es, eine Revolte gegen Trump niederzuschlagen. Das gelang ihm im wahrsten Sinne des Wortes: Am Ende gingen Trumps Leibwächter auf private Sicherheitsleute der Wohnungsbesitzer los. Offenbar war Trump von Cohens zupackendem Vorgehen beeindruckt; 2007 machte er ihn zum Vizepräsidenten der Trump Organization.
Cohen ermutigte Trump nach eigenen Worten als einer der ersten, in die Politik einzusteigen. Der Anwalt selbst träumte davon, Bürgermeister von New York zu werden, und hoffte auf Trump als Sprungbrett. Umso grösser war seine Enttäuschung, als Trump zwar Präsident wurde, ihm aber keine Stelle in Washington anbot. Loyalität war für Trump eine der höchsten Tugenden, und kaum jemand war ihm so treu ergeben gewesen wie Cohen. Aber Trump selbst zeigte Cohen gegenüber keinerlei Loyalität, als er endlich – auch mit dessen Hilfe – ganz oben angekommen war.
Diese Kränkung mag mit ein Grund gewesen sein, warum sich Cohen schliesslich so radikal von Trump abwandte. Umgekehrt heisst es, dass Trump ihm schon länger nicht mehr getraut hatte. So wurde später bekannt, dass Cohen Telefongespräche mit Trump ohne dessen Wissen aufnahm. Vielleicht macht es sich Cohen zu leicht, wenn er unaufhörlich betont, er sei Trumps hypnotischem Charisma erlegen und könne sich seine Hörigkeit inzwischen selbst nicht mehr erklären.
In Wirklichkeit benützte er Trump ebenso, wie Trump ihn benützte. Er war nicht nur ein selbstloser Diener, sondern selbst äusserst ambitioniert und rücksichtslos. Ähnlich wie Trump war er schon als Jugendlicher fasziniert von Mafiafilmen, kleidete sich wie ein Gangster, imitierte ihre Gesten und ihre Wortwahl. Später warnten Mitarbeiter Trump davor, dass der Pseudogangster Cohen ein Reputationsrisiko sei.
Der notorische Lügner
Cohen war nicht nur ein verblendeter Fan. Er bewunderte Trump mit Kalkül: Der Immobilienmogul war für ihn das Eintrittsticket für die New Yorker Oberschicht – das Reich von Macht und Rücksichtslosigkeit, wie er glaubte. Cohen selbst ist, ähnlich wie Trump, ein Egoist und Wichtigtuer. Einmal bluffte er bei einem Nachtessen in einem Restaurant, bei der Geburt seines Sohnes habe er den Doktor zur Seite geschubst und die Entbindung selbst vorgenommen. Als seine Frau widersprach, rief er: «Warst du denn überhaupt da?»
Nach Trumps Wahl zum Präsidenten versuchte Cohen, seine Nähe zu ihm, die nicht mehr existierte, in Geld umzuwandeln, indem er Geschäftsleuten gegen gutes Geld Termine mit dem Präsidenten versprach, die er dann jedoch nicht einfädeln konnte.
Cohen ist der zentrale Zeuge im Prozess gegen Trump. Aber sein wunder Punkt ist die Glaubwürdigkeit. Mit ihr steht und fällt der Prozess. Cohen hat so viel gelogen, gegenüber der Presse, gegenüber dem Kongress, vor Gericht, selbst unter Eid. Das gibt er auch selbst zu. Alles wird davon abhängen, ob ihm die Jury dieses Mal glaubt.