Vor zwanzig Jahren kam der Designer zu Porsche. Seitdem hat er die Optik der Fahrzeuge und der Marke ständig weiterentwickelt. Ein Rückblick.
Von Saab zu Porsche. Von extrovertierten Limousinen zu klassischen Sportwagen. Was für ein Schritt. Genau den geht Michael Mauer vor zwanzig Jahren, als er 2004 Porsche-Design-Chef wird. «Vorbehalte gab es hinter vorgehaltener Hand bestimmt, ob ich der Richtige bin – aber mich hat Wendelin Wiedeking engagiert», sagt Michael Mauer. Die Stimme des damaligen Porsche-Chefs hatte Gewicht. Und seine Wahl war damals wie heute richtig.
Seit zwanzig Jahren zeichnet Michael Mauer nun für das Design von Porsche-Automobilen verantwortlich. Damit ist er einer der am längsten amtierenden Designer bei einer Marke in der Branche und einer der einflussreichsten Automobildesigner der Gegenwart. Zeit für einen Rückblick.
Der heute 62-jährige Michael Mauer studierte Automobildesign an der Fachhochschule Pforzheim, entwickelte anschliessend bei Mercedes (SLK, SL, A-Klasse) und Smart elegante Karosserien, bevor er 2000 zu Saab (9-3 und 9X) wechselte. Seit 2004 ist Michael Mauer Leiter der Design-Abteilung der Porsche AG, neudeutsch «Head of Style Porsche». Zwischen 2016 und 2020 wurde er zusätzlich Leiter Design der Volkswagen AG, wurde dann vom VW-Chef Herbert Diess abgesetzt. Seit 2023 hat Mauer diesen Posten erneut inne.
Michael Mauer konzentriert sich auf die strategische Ausrichtung der Marke Porsche und die Weiterentwicklung der Design-Philosophie. Als Chefdesigner des VW-Konzerns unterstützt er die Positionierung der jeweiligen Marke in der Frage, wie sie sich optisch ausdrückt. Dafür macht er sich permanent Skizzen und diskutiert die Ideen mit seinem Team. «Es sind visuelle Gedächtnisstützen, Ideen, die ich festhalte», erzählt er. Ganz altmodisch mit Stift in einem A-5-Block. Ein Designer also mit sehr vielen Aufgaben, aber einer, der sich nicht so wichtig nimmt und entspannt über seine Arbeit spricht. Das Laute liegt ihm ebenso wenig wie «lautes» Design.
Der Neunelfer war sein erster Meilenstein
Zu seinen ersten Porsche-Kreationen zählten der 911 GT3 der Baureihe 997 von 2004 und die dazugehörigen RS-Modelle, parallel entwickelte er mit seinem Team den ersten Viertürer-Porsche, den Panamera. Mauer musste dabei einen typischen Porsche-Sportwagen in eine neue Fahrzeugkarosserie übertragen. «Das war eine besondere Herausforderung; aber neue Aufgaben zu analysieren und Lösungen zu entwickeln, ist Teil des Jobs eines Designers», sagt Michael Mauer bescheiden.
Beim Panamera mit seinem Frontmotor setzte Porsche auf die traditionell geschwungene Karosseriegestaltung des 911, auch die breiten Schultern über den Hinterrädern waren vom Elfer inspiriert. Wichtig seien bei jedem Porsche-Modell die Emotionen, erklärt Mauer. «Neben der Optik gehören dazu auch Haptik und Akustik wie von Schaltern, Knöpfen oder Türtafeln. Ein Porsche soll eben alle Sinne ansprechen.» Das sei schon immer so gewesen.
Die Philosophie von Porsche-Design basiere auf der langen Markengeschichte, die vom Underdog, von Rennwagen und von Sportwagen mit Heckantrieb erzählt. Fahrzeuge aus Stuttgart Zuffenhausen seien stets anders als die der Wettbewerber, nicht nur technisch, sondern auch optisch, erläutert der Design-Chef. «Porsche zeichnet sich durch zurückhaltendes, reduziertes und puristisches Design aus, das sich ständig weiterentwickelt, weniger durch aggressive Details.»
Dafür entscheidend sei die richtige Design-Strategie. «Die soll wie ein Kompass sein, nur die Richtung grob vorgeben und nicht die exakten Koordinaten wie bei einem Navigationssystem», erklärt Michael Mauer. «Das wäre der Untergang jeglicher Kreativität.»
Dabei zählt der 911 zur Essenz der Marke. «Alles leitet sich von ihm ab», sagt Michael Mauer. Seiner Meinung nach benötigen Marken mit einer starken Geschichte eine kontinuierliche Evolution, keine Revolution. «Der Nachfolger eines 911 baut immer auf dem Vorgänger auf und darf bisherige Kunden nicht abschrecken», sagt der Designer. Gleichzeitig muss ein neuer 911 auch als neues Modell erkannt werden.
Diese Philosophie der konsequenten Weiterentwicklung lässt sich unter anderem an den Scheinwerfern und dem Leuchtenband am Heck erkennen: Bei früheren Elfer-Modellen sitzt zwischen den Rückleuchten über die gesamte Breite ein schmaler Reflektor, bei aktuellen Modellen beleuchtet Porsche dieses Rückleuchtenband von innen.
Design entwickelt sich nicht nur beim Auto kontinuierlich weiter. Flächen werden straffer, aus einer weichen Form entsteht eine härtere Kante. Einige Designentwicklungen sind auch mit der Entwicklung der Fertigungstechnik zu erklären: Moderne Produktionsanlagen können Bleche kantiger und exakter biegen als noch in den 1960er Jahren, was den Designern bei der Gestaltung schärferer Kanten und präziserer Formen hilft.
Doch Formen und Kanten allein machen noch kein gutes Design aus. Bei einer Neuentwicklung stehe am Anfang die Frage, wohin sich das Modell weiterentwickeln solle, erklärt Michael Mauer. «Dazu zählen auch technische Vorgaben, vorgegebene Proportionen und das Package.» Gemeint ist dabei, wie sich alle Komponenten unter der Karosserie möglichst funktional und platzsparend einbauen lassen.
Etwa 150 Mitarbeiter, darunter 50 Designer für Interieur und Exterieur, arbeiten an neuen Vorschlägen. «Ich übernehme zwar die Verantwortung für das fertige Design, der kreative Prozess findet aber gemeinsam im Team statt», sagt er.
Das ist keine leichte Aufgabe, bedenkt man, dass vom Design eines Autos häufig der Erfolg abhängt und damit viele tausend Arbeitsplätze. Designer wie er müssen mutig sein und zum Teil provozieren – ein schmaler Grat. Trotz Analysen und Kundenbefragungen: Viele Entscheidungen fallen aus dem Bauch heraus und basieren auf purer Intuition.
Der Übergang zum Elektrozeitalter ist knifflig
Beim neuen elektrischen Macan liegt der Wert darauf, an den erfolgreichen Vorgänger zu erinnern, er stellt die Porsche-Designsprache nicht infrage. Es ist das erste Modell, das Porsche aus einer bestehenden, etablierten Produktidentität heraus elektrifiziert. «Trotz dem neuen Antrieb und neuen Freiheiten ist der neue Macan aber wieder als Macan erkennbar», sagt er. Das sei wichtig.
Mit ganz neuen Modellreihen wie dem ebenfalls elektrischen Taycan kann der Designer hingegen optisch weiter springen. Der Taycan sah bei seiner Einführung völlig anders als bisherige Modelle der Marke aus, war aber anhand von typischen Merkmalen wie der Front oder dem ausfahrbaren Heckspoiler klar als Porsche zu erkennen.
Jede Individualität hat aber auch ihre Grenzen. Als globaler Hersteller müssen Designer den Geschmack und die Erwartungen globaler Kunden treffen. Für den asiatischen Markt sei beispielsweise eine umfangreichere Benutzerschnittstelle mit einem grossen Infotainment-Angebot wichtig. «Dennoch wollen wir keine riesigen Displays, die das ganze Armaturenbrett dominieren. Wir wollen uns hier bewusst differenzieren und Lösungen schaffen, die zur Marke passen», erklärt Michael Mauer.
Um dieses Ziel zu erreichen, kombinieren die Designer beispielsweise analoge und digitale Anzeigen. Grenzen verwischen, Elemente werden zu Hybriden, eine klare Trennung löst sich auf. «Kontraste sind nötig», sagt er. «Ein interner Vorschlag darf nicht auf Anhieb gefallen, sonst wirkt er in ein paar Jahren beliebig. Und beliebiges Design geht in der Masse unter.»
Gleichzeitig dürfen Gestalter Trends nicht aus dem Auge verlieren und müssen die richtige Balance finden. Dinge permanent zu hinterfragen, gehöre zum Design-Prozess dazu – auch in Zukunft.
Da liegt im Fahrzeugdesign seiner Meinung nach die grösste Herausforderung bei der Gesetzgebung, wie den Vorschriften zum Fussgängerschutz. «Designer planen ein paar Jahre im Voraus und müssen berücksichtigen, was der Gesetzgeber noch ändern könnte», sagt er. So könne ein besserer Fussgängerschutz unter Umständen eine längere oder höhere Front bedeuten – und damit eine neue Optik.
Die Batterie als gestalterischer Imperativ
Dazu kommt die Entwicklung der Akkus. «Für Sportwagenhersteller ist der Akku mit seiner Grösse und seinem Gewicht eine echte Herausforderung», sagt der Chefdesigner. «Beim flachen Taycan haben wir das aber ganz gut gelöst.» Generell mag er die kleinen, sportlichen und reduzierten Fahrzeuge wie einen Boxster Spyder RS, der ihn an den historischen 550 Spyder erinnert. Das sei die Richtung, die auch Kunden gerne wahrnähmen.
Künftig werden sich die Marken des Konzerns optisch weiter differenzieren, zu sehen beispielsweise an der Marke Cupra. Auch der neue VW ID.2 gehe in diese Richtung und werde die Markenwerte von VW deutlich herausarbeiten. Derzeit seien viele Konzepte in der Pipeline. «Für uns Designer ist es schwer zu ertragen, dass wir stets abwarten müssen, bis neue Autos endlich auf die Strasse kommen», sagt er.
Auch wenn Michael Mauer noch nicht verrät, woran er derzeit arbeitet: Auf das nächste neue Porsche-Modell freut er sich, ebenso wie auf den schon bekannten Nachfolger der 718-Modelle Cayman und Boxster. Als reine Elektrosportwagen, mit einem modernen Design, das dem Aussehen eines Porsche vollkommen entspricht.