Seit Jahren klagen niedergelassene Ärzte über gesetzliche Schranken, die den Fachkräftemangel verstärken. Nun plant Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach verschiedene Massnahmen. Er spricht weiterhin von einem «Notstand».
Das deutsche Gesundheitswesen kränkelt, Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach sprach sogar von einer «Notsituation». Eine Ursache: In den vergangenen zehn Jahren wurden 50 000 Ärzte zu wenig ausgebildet. Tatsächlich ist der Ärztemangel seit Jahren akut.
«Wir werden einen Mangel an Hausärzten haben, das kann man sich noch gar nicht richtig vorstellen», sagte Lauterbach in der ARD. Mit einem neuen Gesetz will der Sozialdemokrat auf die Forderungen der Ärzte eingehen. Den Patienten verspricht er schnellere Termine und weniger Wartezeit in den Arztpraxen.
Schon jetzt ist klar: Ohne ausländisches Personal wäre die Gesundheitsversorgung in Deutschland nicht bloss gefährdet, sie wäre unmöglich. In den letzten zehn Jahren hat sich der Anteil ausländischer Ärzte auf über 60 000 verdoppelt. Zu spüren bekommen diesen Fachkräftemangel zuerst Patienten abseits der städtischen Zentren oder in sozial schwächeren Regionen.
Bürokratie und Budgets verringern die Attraktivität
Niedergelassene Ärzte klagen seit einigen Jahren über zu viel Bürokratie und weitere Probleme, die den Fachkräftemangel verstärken. In der Altjahreswoche riefen Ärzteverbände bundesweit dazu auf, die Praxen zum Jahresende zu schliessen. Sie protestierten gegen die Bürokratisierung, gestiegene Kosten und die Sparpolitik von Gesundheitsminister Lauterbach.
Da niedergelassene Ärzte ihre Praxen als Unternehmen führen, sind sie mit einem grossen bürokratischen Aufwand konfrontiert, den Fachärzte in Kliniken so nicht kennen. Deshalb ist es für Ärzte, die ihre Ausbildung abschliessen, attraktiver, in einer Klinik in München, Frankfurt oder Hamburg zu arbeiten, anstatt eine Hausarztpraxis in Niedersachsen, Thüringen oder im Saarland zu übernehmen. Verstärkt wird diese Tendenz durch die Budgetierung im Gesundheitswesen.
Ein gesetzlich verankertes Budget gibt den niedergelassenen Ärzten vor, wie viele Kosten ihnen vergütet werden. Dieser Betrag ist begrenzt. Ist er aufgebraucht, erhalten sie kein Geld mehr – egal, ob sie mehr Patienten versorgt haben.
Die Kampagne «Praxis in Not», die den Streik in der Altjahreswoche mitgetragen hat, schrieb deshalb: «Nur etwa 80 Prozent aller erbrachten Leistungen werden von den gesetzlichen Krankenversicherungen überhaupt bezahlt.»
Lauterbach kritisierte den Zeitpunkt des Streiks, der mitten in einer «riesigen Krankheitswelle» stattfinde. Die Forderung der Praxen nach mehr Geld lehnte er aber ab. Der Minister verwies darauf, dass die Praxen, abgesehen von der Schweiz, nirgends in Europa so gut verdienten.
Keine Budgetierung, aber auch keine neuen Studienplätze
Im Januar kam es schliesslich zu einem Krisengipfel zwischen Gesundheitsminister, Vertretern der Ärzteschaft und den gesetzlichen Kassen. Dort ging Lauterbach auf die Kritik der Ärzteschaft ein und versprach Verbesserungen.
Laut dem neuen Gesetzentwurf soll die Budgetierung für Hausärzte nun gestrichen werden. So sah es bereits der Koalitionsvertrag der Ampelregierung vor. Um die Hausarztpraxen finanziell weiter zu entlasten, erhalten sie künftig zudem eine «Versorgungspauschale» für chronisch kranke Patienten. Der Bundestag muss jetzt über den Gesetzentwurf beraten.
Lauterbach sagte, Deutschland werde wegen des Ärztemangels in eine «ganz schwierige Versorgungssituation» kommen. Ein zentraler Grund dafür ist die zu geringe Zahl der Studienplätze. Seit Jahren gibt es Forderungen, diese Zahl zu erhöhen. Doch laut dem Gesundheitsminister sperren sich die Länder gegen diesen Ausbau. Sie müssten zusätzliche Studienplätze finanzieren.
In den vergangenen Wochen brachte Lauterbach mehrfach einen weiteren Vorschlag ein, um die Versorgungssituation zu entschärfen. Er wollte in Umgebungen mit einer hohen Zahl sozial benachteiligter Menschen sogenannte Gesundheitskioske einrichten. Diese sollten Patienten präventiv beraten sowie kleinere Krankheiten und Verletzungen behandeln. Im aktuellen Gesetzesentwurf fehlt dieser Vorschlag nun.
Vor allem die FDP hatte sich dagegen gewehrt. Kritik gab es aber auch von Verbänden der niedergelassenen Ärzte. Lauterbach sagte, er habe Tempo machen müssen, zu einem späteren Zeitpunkt will er aber weiter über die Gesundheitskioske verhandeln.