Zu den kulinarischsten Städten der Welt gehört unzweifelhaft Barcelona. Unzählige Gourmetrestaurants, Weinbars und andere Lokale probieren hier Küchenstile und Kombinationen aus, die anderswo kaum denkbar wären, vermitteln aber vor allem Spass. Wenn doch nur die Reservierung manchmal einfacher zu handhaben wäre!
Touristen sind in Barcelona bisweilen eine Plage. Kein Wunder, dass sich die empfehlenswerten Restaurants schützen. In manchen muss man ewig im Voraus reservieren, in anderen bekommt man als Einheimischer eher einen Platz, und wieder andere machen sich von vornherein so unattraktiv, dass sowieso nur die Alteingesessenen hineingehen. Oder die, die in deren Schlepptau sind. So ging es mir vor wenigen Tagen im Stammlokal eines in Barcelona lebenden Kollegen: Es handelte sich um eine wunderbar authentische Mischung aus Restaurant und Cocktailbar, nur 200 Meter vom Hotel Monument entfernt, in dem ich abgestiegen war. Ich musste versprechen, den Namen dieser Location nicht zu verraten, in der ich einen Sidecar trank, einen Cocktail-Klassiker aus einer längst vergangenen Epoche, und hausgemachte Kartoffelchips vertilgte.
Anschliessend machte ich mich auf ins nächstgelegene Drei-Sterne-Restaurant, das «Lasarte». Wer dort keinen Tisch mehr bekäme, müsste allerdings nur durch die Stadt streifen und sich inspirieren lassen. Irgendwo fände man, notfalls früh am Abend oder ganz spät, immer einen Platz. Und dass man richtig schlecht ässe, wäre eher unwahrscheinlich.
1. «Lasarte»
Paolo Casagrande ist unter den vier (!) Drei-Sterne-Köchen der Stadt der ruhigste. Und sein Restaurant ist das wohl grosszügigste unter den Prestigelokalen Kataloniens. Die Tische stehen in gehörigem Abstand, der Service unter Leitung von Joan Carles Ibáñez und Antonio Coelho ist zuvorkommend bis zum Exzess, und der vom legendären Basken Martín Berasategui beeinflusste Küchenchef schickt Gerichte, die in der Spitze zum Besten gehören, was in Barcelona angerichtet wird.
Fenchel und Seegurke mit Beluga-Kaviar habe ich gerade gegessen, die Kombination aus Carabineros und Avocado mit Tomate und Minze genossen und die Krustentier-Ravioli mit Champagner gewürdigt. Ausgezeichnete, nicht ganz billige Weinkarte – und im gleichen Haus eines der Top-Hotels von Barcelona. Mit einem exzellenten Frühstück!
2. «Disfrutar»
Über kein Restaurant Spaniens wird gerade so viel geredet wie über diesen Betrieb, dem ebenfalls drei Sterne zuteilwurden. Oriol Castro, einer der Protagonisten, gehört zu den Köchen, die viel zu erzählen haben über eine besonders legere Form der Top-Gastronomie, über neue Techniken und Zutaten. Hier wird über etliche Gänge, über kleine und grössere Happen hinweg entwickelt und experimentiert – natürlich gern mit Fisch und Garnelen des benachbarten Meeres, aber auch mit der Neuinterpretation spanischer Klassiker. So wird die Gilda etwa, der Anchovi-Peperoni-Olive-Snack, vom Kopf auf die Füsse gestellt, hier wird Ceviche neu gedacht. Spannende Weinbegleitung, faire Preise. Einen Tisch zu bekommen, ist leider ausgesprochen schwierig.
3. «Hofmann»
Die Köchin Mey Hofmann ist eine katalanische Legende, schliesslich lehrte sie Kochkunst schon, als kaum jemand in Barcelona an Hochküche dachte. Das gleichnamige Restaurant bewahrt ihr Andenken und lässt den Besucher eine Zeitreise durch die Entwicklung der spanischen Küchen der vergangenen drei Jahrzehnte antreten. Die Einflüsse der französischen Klassik, die Ideen Ferran Adriàs, die Stile der neuen baskischen Küche: All das ist hier zu finden, wird weiterentwickelt, in ein spannendes Menu verpackt und zu einem sehr fairen Preis serviert. Und erst die Desserts, deren Herstellung in der angeschlossenen Schule gelehrt wird . . .
4. «Compartir»
Der kleine Bruder des Restaurants Disfrutar zeigt ebenfalls den ganzen Ideenreichtum des Kochteams um Oriol Castro. Ein Team, das ziemlich gut die Bedürfnisse der Gäste auslotet. Ausgehungerte Gourmets kommen hier auf ihre Kosten, aber auch alle, die nur einen netten Abend verbringen wollen, dürften sich wohlfühlen bei Austern mit Knoblauchcrème, den Sardinen mit Kokos und einer luxuriös-verschwenderischen Kombination aus Hummer, Schweinebauch und Mango. Warum ist da zuvor niemand draufgekommen? Tolle offene Weine und perfekt gemixte Cocktails – auch die gehören schliesslich zur kulinarischen Entspannung dazu.
5. «Slow & Low»
So etwas wie hier lässt sich wohl nur in Barcelona machen. Frank Beltri und Nicolás de la Vega, Geschäftspartner und Küchenchefs, mischen fröhlich spanische Traditionen und neue Ideen. Die Zutaten – Artischocken, rote Garnelen, Saucen und vieles mehr – entstammen der katalanischen Küche, der mexikanischen Sphäre oder asiatischen Traditionen. Und immer wieder erkennt man den Willen zu Überraschung und Verfremdung, ohne dass es anstrengend würde, schmeckt Schaum und Eisiges, Knuspriges und Weiches im Wechsel. Dass man hier mit einigen Tagen Vorlauf oft noch einen Platz bekommt – am schönsten sitzt man an der Theke –, gehört zu den angenehmsten Eigenschaften des Lokals.