Er war der letzte noch Fliegende seiner Art in der Schweiz: Aber auch der Hawker Hunter «Papyrus» wird nie mehr abheben. Nur im Ausland fliegen noch wenige Exemplare.
Dieses ehemalige Schweizer Militärflugzeug ist ein echter Blickfang: Statt dass der Jet die sonst übliche unauffällige Tarnbemalung hat, erregt er in Weiss mit schwarzen Aufschriften sofort überall Aufmerksamkeit. Rund zwei Jahrzehnte leistete der Hawker Hunter J-4015 Dienst in der Schweizer Luftwaffe, um dann zur zweiten Karriere abzuheben: Noch einmal 22 Jahre diente er nun in seiner neuen Lackierung als «Papyrus-Hunter» dazu, um als auffälliger Demonstrator bei in- und ausländischen Airshows Furore zu machen.
Mitte Februar hat der Halter, der Hunterverein Obersimmental, das Aus für den Flugbetrieb des letzten noch flugfähigen Hunter in der Schweiz verkündet. Damit endet nicht nur die mehr als 60-jährige Betriebszeit dieses Jets in der Schweiz, sondern eine ganze Ära der eidgenössischen Aviatik.
Wie aber gelangte der britische Hunter einst überhaupt in die neutrale Schweiz? Die Luftwaffe hatte bereits Erfahrung mit britischen Kampfjets, denn De Havilland Vampire und Venom fliegen seit den 1950er Jahren in der Schweiz. Die eidgenössische Eigenentwicklung eines Kampfflugzeugs, der P-16, erwies sich Mitte der 1950er Jahre als unausgereift und floppte.
Deshalb entschlossen sich Militär und Parlament im Januar 1958, anstelle des P-16 ein zu dieser Zeit bereits ausgereiftes britisches Kampfflugzeug anzuschaffen. Das war der britische Hawker Hunter. Sein weitverbreitetes Avon-Triebwerk fand sich auch in Passagierjets wie der De Havilland Comet oder der französischen Sud Aviation Caravelle.
100 Einsitzer der Baureihe Mk.58 kamen in einer ersten Tranche in die Schweiz. Später folgten in zwei weiteren Bestellungen 52 Einsitzer als Version Mk.58A sowie 8 Mk.68-Doppelsitzer. Bereits 1958 hoben die ersten Hunter der eidgenössischen Flugwaffe ab, zunächst als Jäger, später auch als Jagdbomber und Erdkampfflugzeug.
1976 wurden die letzten Exemplare geliefert. Erstaunliche 36 Jahre lang flogen Hunter in der Schweizer Luftwaffe, auch in der Kunstflugstaffel Patrouille Suisse. 1994 wurden die letzten Exemplare ausgemustert und durch F-5E Tiger II ersetzt.
Zweite Karriere als Oldtimer-Flugzeug
Damit war die helvetische Karriere des Hunter noch lange nicht beendet – im Gegenteil. Mitte der 1990er Jahre begann der zweite Frühling der Maschine. Militärpiloten und Hunter-Mechaniker schlossen sich zu Vereinen oder Interessengruppen in der ganzen Schweiz zusammen, um möglichst viele dieser Maschinen zivil registriert weiterbetreiben zu können. Denn über Jahrzehnte hinweg war in der Schweiz echte Begeisterung für diesen Flugzeugtyp entstanden. Einige der demilitarisierten Hunter gingen daher vor fast 30 Jahren an Fliegerklubs, Privatpersonen oder Museen.
Damals gründeten sich fast zeitgleich der Hunterverein Obersimmental, die Amici dell’Hunter in St. Stephan, der Hunterverein Mollis oder auch das Swisshunter-Team am Bodensee-Flughafen St. Gallen-Altenrhein. Diesen und weiteren eidgenössischen Gruppierungen gelang es jeweils, einen oder gleich mehrere Hunter zu erwerben und die ehemaligen Militärflugzeuge mit viel Aufwand und Engagement flugfähig zu erhalten.
Auf den doppelsitzigen Hunter-Versionen boten die Vereine in den vergangenen Jahrzehnten bis 2022 ein- oder zweimal im Jahr für zahlungskräftige Interessenten halb- oder einstündige Mitflüge im Cockpit an, um die Kosten des Unterhalts der Jets zu minimieren. Die Warteliste für diese Flüge war trotz hohem Preis lang, denn viele Schweizer wollten sich mit einem derartigen Militärjet-Mitflug einen Lebenstraum verwirklichen.
Ein besonders leidenschaftlicher Aspirant zwang sich sogar zu einer zweijährigen Abspeckkur, um dann mit seinem Wunschgewicht von 96 Kilo mitfliegen zu können. Denn um das mögliche Aussteigen per Schleudersitz im Notfall zu garantieren, ist das Gewicht eines Mitfliegers auf 100 Kilogramm begrenzt.
100 Mechanikerstunden für eine Flugstunde
Das Erhalten der mehr als ein halbes Jahrhundert alten Militärjets ist in den vergangenen Jahren allerdings immer schwieriger geworden. Zwar gibt es noch Ersatzteile, da mehr als 1900 Exemplare gebaut wurden. Heute fehlen jedoch Flugzeug- und Triebwerksmechaniker sowie Prüfer, die sich mit der altertümlichen Technik auskennen. Denn was nur wenige wissen: Für eine einzige Hunter-Flugstunde müssen heute bis zu 100 Mechanikerstunden aufgewendet werden. Das notwendige Know-how stirbt quasi mit den pensionierten Technikern aus.
Zudem sind seit 2023 auch neue Auflagen für die Wartung solcher Jet-Oldtimer in Kraft, die von einem Vereins- oder Enthusiastenflugbetrieb wohl nicht mehr zu stemmen sind. Das war auch der Grund für das Aus des letzten fliegenden Hunter in der Schweiz.
Zuvor hatte der Hunterverein Obersimmental gemeinsam mit dem Klub Amici dell’Hunter und den Betreibern der De-Havilland-Flugzeuge einen europaweit anerkannten Unterhaltsbetrieb am gleichen Flughafen aufzubauen versucht. Dies misslang. Der Co-Präsident des Huntervereins Obersimmental, Ueli Leutert, schrieb vor wenigen Tagen an die Mitglieder des Vereins: «Unsererseits wurden sehr viel Energie, Nerven als auch eine grössere Summe Geld investiert. Kurz vor dem Ziel ist das Projekt zu unserer grossen Enttäuschung kläglich gescheitert.»
In der Schweiz war der wegen seiner auffälligen Schriftzeichen-Bemalung Papyrus-Hunter genannte Einsitzer das letzte fliegende Exemplar. Er wurde mehr als 20 Jahre lang vom Hunterverein Obersimmental betrieben. Die Entstehung seiner einzigartigen Lackierung 1993 hat der einstige Kommandant der Fliegerstaffel 15 und heutige Co-Präsident des Huntervereins Obersimmental, Ueli Leutert, so beschrieben: «1993 in St. Stephan bot sich die letzte Gelegenheit, einen Hunter mit einer speziellen, der Fliegerstaffel 15 angemessenen Bemalung zu versehen. Viele Vorschläge wurden entworfen und wieder verworfen, bis sich das Design des ‹Papyrus› durchsetzte. In Anlehnung an unser Staffelabzeichen mit einem Papierflieger, gefaltet aus einer NZZ mit der Schrift ‹Times New Roman›, sollte ein Flugzeug entstehen, das im Flug wie eine fliegende Zeitung aussieht.»
Das auffällige Design wurde anschliessend mit zahlreichen Helfern in einer zehntägigen Aktion am Flugplatz Interlaken umgesetzt. Entstanden ist eine einzigartige Lackierung für den ehemaligen Militärjet.
Trotz dem Grounding der Maschine wird allerdings zumindest ein Teil des Papyrus-Hunter wohl wieder in die Luft gehen. Denn das noch voll funktionsfähige Avon-Triebwerk geht an eine englische Aviatikvereinigung, die in Grossbritannien ebenfalls Hunter betreibt und so die Turbine weiter verwenden kann. Im Gegenzug bezahlen die Briten die Kosten für den Transport des Papyrus-Hunter per Tieflader an sein neues Zuhause.
Der «Papyrus» bleibt aber in der Schweiz. Er bekommt nach dem Strassentransport vom jetzigen Standort Altenrhein ins Berner Oberland nach St. Stephan in diesem März auch ein ausgemustertes Ausstellungs-Triebwerk eingebaut. Damit stimmt das originale Erscheinungsbild wieder. Ein kleines Museum, das den Papyrus-Hunter sowie andere Exponate aus dessen Flugbetriebszeit zeigen wird, soll in nächster Zeit in St. Stephan entstehen.
Wer einen Hunter aber noch einmal fliegend sehen will, kann dies sowohl in Europa als auch in Nordamerika erleben: In Grossbritannien und in den Niederlanden werden von Vereinen noch Hunter im Flugbetrieb eingesetzt, ebenso in Kanada. Darunter sind gleich mehrere ehemalige Schweizer Jets dieses Typs.