Der Energiekonzern hat entschieden, die beiden Reaktoren des Kernkraftwerks Beznau bis 2033 stillzulegen. Die Schweiz verliert damit eine stabile Stromquelle – und muss laut dem CEO Christoph Brand die Suche nach Alternativen beschleunigen.
Kernkraftwerke sind gross, bedrohlich und umstritten. Gleichzeitig erzeugen sie auf wenig Fläche viel Strom: Die Atomkraftwerke (AKW) in Beznau, Gösgen und Leibstadt lieferten im vergangenen Jahr knapp einen Drittel des schweizweit erzeugten Stroms.
Doch die Anlagen währen nicht ewig. Schrittweise sollen sie stillgelegt werden. Die Schweiz wird die dadurch entstandene Stromlücke füllen müssen, und die Suche nach Lösungen hat nun neue Dringlichkeit bekommen.
Einer der drei Standorte hat am Donnerstag ein konkretes Ablaufdatum erhalten. Die Axpo will das Kernkraftwerk Beznau bis 2033 nach 64 Jahren Betriebszeit stilllegen. Block 2 des Kernkraftwerks solle noch bis 2032 und Block 1 noch bis 2033 am Netz bleiben, hat der Stromkonzern mitgeteilt.
Dieser Entscheid sei aufgrund von technischen, organisatorischen, regulatorischen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten gefallen. In allen Überlegungen stand laut Axpo der Aspekt der Sicherheit an oberster Stelle. Um den Betrieb bis 2033 weiterzuführen, wird die Axpo weitere 350 Millionen Franken in das Kraftwerk investieren.
Das AKW in Beznau produziert pro Jahr 6 Terawattstunden Strom. Dies entspricht dem Verbrauch von 1,3 Millionen Vierpersonenhaushalten und knapp 10 Prozent des gesamten Stromverbrauchs der Schweiz im vergangenen Jahr.
Vorwiegend positive Reaktionen zum Entscheid
Jahrzehntelang hat das AKW in Beznau die Schweiz mit Strom versorgt. Der AKW-Block 1 wurde 1969 in Betrieb genommen. 1971 folgte dann Beznau 2. Es ist das älteste Kernkraftwerk der Welt, das noch am Netz ist. Mit der Stilllegung im Jahr 2033 erreicht es eine Lebensdauer von 64 Jahren – etwas mehr als die 60 Jahre, mit denen der Bund für Beznau bisher gerechnet hat.
Der Axpo-CEO Christoph Brand erklärte am Donnerstag, dass der Konzern damit an die Grenze des Machbaren gehe– ein längerer Weiterbetrieb von Beznau sei technisch ausgeschlossen, selbst wenn man es politisch und wirtschaftlich gewollt hätte. Er sagt: «Die vier zusätzlichen Jahre geben der Schweiz Zeit, sich beim Ausbau mit anderen Energiequellen zu beeilen», sagt Brand. Das betont auch das Bundesamt für Energie (BFE): «Die Energietransition braucht Zeit. Dass Beznau nun ein paar Jahre länger Strom liefern wird, verschafft die Sicherheit, diesen Weg konsequent weiterzuverfolgen.»
Der FDP-Nationalrat Christian Wasserfallen sieht es anders. Er bezeichnet den Entscheid als einen «Abbau der gesicherten Stromproduktion in der Schweiz», der sich nach Stilllegung von Beznau in den Wintermonaten bemerkbar machen werde.
Die atomkritische Schweizerische Energie-Stiftung hingegen begrüsst, dass das Atomkraftwerk in Beznau nun ein klares Auslaufdatum hat. Der Geschäftsführer Nils Epprecht sagt: «Der beschleunigte Ausbau der Erneuerbaren ermöglicht es, den Atomausstieg fortzusetzen. Angesichts der Risiken, die von Atomkraftwerken ausgehen, ist dies ein guter Entscheid für die Schweiz.»
Für Andreas Pautz, Professor für Nuklearingenieurwesen an der ETH Lausanne und Leiter des Bereichs Nuklearenergie am Paul-Scherrer-Institut (PSI), kommt die baldige Stilllegung von Beznau nicht ganz unerwartet. Es sei bekannt, dass der Stahl des Druckbehälters – die einzige Komponente eines AKW, die sich nicht ersetzen lässt – immer spröder wird. Die Möglichkeiten zur Laufzeitverlängerung seien damit begrenzt gewesen.
Die Schweiz läuft mittelfristig auf eine Versorgungslücke zu
Die verbleibenden beiden Kernkraftwerke in der Schweiz sind jünger als jenes in Beznau: Gösgen ist seit 1979, Leibstadt seit 1984 in Betrieb. Die Haupteigentümer Axpo und Alpiq prüfen derzeit, ob bei ihnen eine Weiterführung über 60 Jahre hinaus möglich wäre. Der SVP-Nationalrat Christian Imark sagt gar, bei beiden AKW sei eine Laufzeit von 100 Jahren möglich.
In jedem Fall sind für eine Weiterführung der alten Kernkraftwerke Investitionen in Instandhaltung, Erneuerung und Modernisierung nötig. Im Fall von Leibstadt rechnet die Axpo bis 2032 mit weiteren Investitionen von gegen 1 Milliarde Franken.
Christoph Brand will sich noch nicht festlegen, wann in Gösgen und Leibstadt Schluss sein soll. Sicher ist jedoch: Mit der Atomkraft würde die Schweiz eine konstante Stromquelle verlieren. Brand warnt davor, dass die Schweiz mittelfristig auf eine Versorgungslücke in den Wintermonaten zuläuft. Denn anders, als der Bund in der Energiestrategie angenommen hatte, werde die Schweiz 2050 laut Brand nicht weniger, sondern mehr Strom verbrauchen. Die wegfallenden Atomkraftwerke müssen damit nicht nur ersetzt, sondern gar überkompensiert werden.
Die Axpo rechnet mit verschiedenen Szenarien, in denen der Ausbau von erneuerbaren Energiequellen in unterschiedlicher Geschwindigkeit vollzogen wird. Im Szenario «weiter wie bisher» fehlen der Schweiz 2050 ohne Atomkraftwerke im Winterhalbjahr 16 Terawattstunden Strom, fast ein Drittel des gesamten Bedarfs in dieser Zeit. Um die Stromlücke abzudecken, müsste die Schweiz grosse Strommengen importieren.
Alexander Keberle vom Dachverband Economiesuisse bezeichnet die Ankündigung zur Stilllegung von Beznau als einen Weckruf: «Den Unternehmen und wohl auch der Mehrheit der Bevölkerung ist am Ende egal, ob der Strom von Windrädern, Solarpanels, Staumauern, AKW oder einem Hamster im Rad stammt – solange er sicher, sauber und nicht zu teuer ist. Wir müssen dringend vorwärtsmachen.»
Christoph Brand sagt: «Die Uhr tickt: Was bauen wir jetzt?»
Der schleichende Bedeutungsverlust der Axpo
Für die Axpo ist der Wegfall der Atomkraftwerke ein betriebswirtschaftliches Risiko. Der Konzern deckt heute 40 Prozent des Schweizer Strombedarfs. Ohne Kernkraft und mit tieferer Beteiligung bei den Wasserkraftanlagen, die über den sogenannten Heimfall immer häufiger in den Besitz von Kantonen und Gemeinden in Berggebieten übergehen, bleibt der Axpo in wenigen Jahren nur noch ein Bruchteil davon übrig.
Brand ist guter Dinge, dass die Axpo den Rückgang mit anderen Geschäften kompensieren kann. Der Energiekonzern finanziert den Ausbau von erneuerbaren Energiequellen auch im Ausland, er hat zum Beispiel Windparks in Frankreich, Spanien oder Italien. Und am meisten Geld verdient das Unternehmen ohnehin mit dem Handelsgeschäft, also dem Verkauf von Strom an Grosskunden an der Börse.
Die Axpo scheint ohne die Schweiz bestehen zu können. Offen ist hingegen, ob die Schweiz ohne die Kraftwerke der Axpo bestehen kann.