Der Markt für Krypto-Anlagen hat sich von der Krise erholt, der Preis des Bitcoins bricht Rekorde. Hat sich die Anlageklasse etabliert? Können es sich Banken leisten, noch abseitszustehen? Drei Branchenexperten stellen sich den Fragen der NZZ.
Die Zulassung neuer Fonds auf den Bitcoin in den USA hat hohe Wellen geschlagen. Milliarden sind in die neuen ETF geflossen. Ist das der Durchbruch für den Krypto-Markt?
Désirée Velleuer: Es ist ein grosser Schritt für die traditionelle Finanzbranche, dass sie diese Bitcoin-ETF-Produkte nun akzeptiert. Das gibt wichtigen Investoren wie amerikanischen Pensionskassen neue Möglichkeiten zu investieren. Wenn wir den Kursanstieg des Bitcoins ansehen, sind die Zuflüsse auf jeden Fall beträchtlich. Wie oft bei solchen Rallys kommt zuerst Bitcoin, dann folgt Ether, dann die anderen Coins.
Mathias Imbach: Diese ETF waren kein einfacher Schritt. Aber nun haben viele Millionen Menschen mehr von Bitcoin gehört und sprechen ihre Kundenberater darauf an. Daraus entsteht noch mehr Interesse für die Blockchain-Technologie, auf der die Kryptowährungen beruhen. Die Bitcoin-ETF, später die Ethereum-ETF sind wie Staubsauger, die die Krypto-Nachfrage der Banken aufsaugen. Es ist eine neue Dynamik entstanden.
Stephan Zwahlen: Es ist ein symbolträchtiger Schritt auf dem Weg zur Etablierung der Anlageklasse. Die US-Aufsichtsbehörde war wie ein Damoklesschwert über der Akzeptanz von Krypto. Dass der wichtigste Finanzregulator der Welt einen Schritt in Richtung Öffnung gemacht hat, wurde aufmerksam verfolgt. Es wird dazu führen, dass die Einstiegshürden, in die Anlageklasse zu investieren, deutlich tiefer werden. Wir erwarten, dass das die Attraktivität von Krypto weiter vorantreiben wird.
Die US-Börsenaufsichtsbehörde SEC hat der Zulassung nur sehr widerwillig zugestimmt.
Velleuer: Spannend ist, dass wir in der Schweiz schon lange Zugang zu solchen Bitcoin- oder Ethereum-Produkten haben, sogar über die Banken. Neu ist nur, dass etwa Pensionskassen die Rechtssicherheit haben, dass sie investieren dürfen. Zudem sind die Kosten der ETF niedrig: 0,2 Prozent pro Jahr für so ein Produkt ist sehr kompetitiv.
Imbach: Die SEC hat mit ihrem Widerstand gerade das Gegenteil bewirkt. In den Niederlanden und anderen Ländern gibt es schon lange Bitcoin-ETF. Dass das jetzt so hochgeschaukelt wurde, hat erst den grossen Andrang und den Nachfrageschub bewirkt. Hätte die SEC den ETF wie jedes andere Produkt behandelt, wäre das vermutlich nicht so ein grosses Thema geworden.
Hat der Bitcoin-ETF auch für die Schweiz Auswirkungen? Was ändert sich hier konkret?
Velleuer: Der ETF führt auch hier zu einem enormen Investitionsdruck. Family-Offices, Asset-Manager und auch Banken müssen sich mit dem Thema auseinandersetzen. Sie brauchen Analysten, die Kunden informieren können. Es gibt auch Druck von der Kundenseite für mehr Akzeptanz gegenüber Krypto oder zur Risikostreuung im Portfolio.
Zwahlen: Eine Studie kommt zu dem Schluss, dass besonders Kleinanleger den kurzfristigen Kursanstieg im Bitcoin ausgelöst haben, den wir jetzt sehen. Nun werden nach und nach auch die grossen, institutionellen Investoren einsteigen. Die Anlageklasse hat sich in den letzten zwei Jahren weiterentwickelt. Die grossen Schwankungen und auch der Gleichschritt mit den traditionellen Kapitalmärkten sind zurückgekommen. Irgendwann wird es ein Risiko sein, die Anlageklasse der digitalen Vermögenswerte auszuklammern.
Wie kann es ein Risiko sein, nicht in Krypto investiert zu sein?
Zwahlen: Es ist das Risiko, das man eingeht, wenn man nicht dabei ist.
Imbach: Es ist heute immer mehr akzeptiert, dass es auch ein Risiko sein kann, als Finanzdienstleister kein Krypto anbieten zu können. Das hören wir in den Gesprächen mit institutionellen Kunden, aber auch mit Banken und Geschäftsleitungen, die sich fragen, ob sie eine eigene Krypto-Infrastruktur aufbauen wollen. Das ist eine neue Denkweise, die es vor zwei Jahren noch nicht gab.
Zwahlen: Wenn wir mit den Enkeln unserer Kundinnen und Kunden sprechen, gibt es immer wieder zwei zentrale Themen: digitale Vermögenswerte und Nachhaltigkeit. Können wir nicht zeigen, dass wir uns ernsthaft damit befassen, laufen klassische Banken Gefahr, ins Hintertreffen zu geraten. Ein Grossteil der vermögenden Leute ist heute fortgeschrittenen Alters. Sie fordern Innovation und Veränderung nicht mit der gleichen Vehemenz ein wie die erbenden Generationen. An der Universität St. Gallen habe ich Studierende gefragt, wer schon in Krypto investiert habe. Praktisch alle bejahten. Doch wer hat das über eine Bank gemacht? Niemand. Das sind eindrückliche Erkenntnisse, die zeigen, dass sich die Branche dringend mit Krypto befassen muss.
Weshalb machen Jüngere einen Bogen um die klassischen Banken?
Zwahlen: Die jüngere Generation hat einen anderen Zugang zur Technologie und wickelt Krypto-Geschäfte oft direkt ab. Auch unsere traditionellen Kunden interessieren sich je länger, je mehr für das Thema, aber sie haben das technologische Know-how nicht in der Tiefe. Sie suchen sich eine Institution, die stabil ist, der sie vertrauen können. Noch vertrauen sie einer Person mehr als der Technologie. Doch das könnte sich mit den kommenden Generationen ändern.
Imbach: Ein weiterer Punkt ist die fehlende Infrastruktur bei den Banken, um Zugang zu Krypto-Anlagen zu gewähren. Postfinance ist mit einem Angebot in den Markt getreten. Nun haben 2,5 Millionen Menschen in der Schweiz über wenige Klicks Zugang zu Krypto, die Anzahl Transaktionen ist eindrücklich. Je mehr Banken das nun anbieten, desto mehr werden Digital Natives, die ihr Lohnkonto dort haben, ihre Krypto-Geschäfte über ihre Bank abwickeln und nicht über unregulierte Börsen oder in Eigenregie.
Kantonalbanken haben erklärt, Bitcoin und Co. anbieten zu wollen. Privatbanken haben Berührungsängste.
Zwahlen: Es gibt auch Ausnahmen. Unsere Privatbank sieht sich zwischen dem traditionellen System und der digitalen Welt. Wir sind überzeugt, dass digitale Vermögenswerte Teil einer professionellen Vermögensverwaltung sind. Traditionelle Privatkunden wollen wir an diese neuartigen Investitionen heranführen. Firmenkunden hingegen suchen Zugang zum Bankensystem. Das sind oft sehr vermögende junge Personen, die grosse Vermögen angehäuft haben und ihre Bitcoins in Schweizerfranken oder Euro wandeln und anschliessend diversifiziert anlegen möchten.
Hat der Zusammenbruch der bekannten Krypto-Börse FTX Ende 2022 etwas verändert?
Zwahlen: Nach FTX wurden viele aufgeschreckt. Auch viele, die das Krypto-Wissen eigentlich hätten. Ihnen wurde die Bedeutung von Gegenparteirisiko und Stabilität bewusst. Im Nachgang des Zusammenbruchs hatten wir stark zunehmendes Kundeninteresse.
Velleuer: Die einen nahmen es selbst in die Hand und halten Coins nur noch in eigenen Wallets. Die anderen zog es in Richtung der regulierten Banken. Auch unsere Investoren wurden verunsichert. So halten wir alle Vermögenswerte unseres Fonds bei in der Schweiz regulierten Anbietern. Früher konnte man mit Krypto-Futures handeln und hatte Zugang zu vielen kleineren Tokens. Jetzt nicht mehr, aber Sicherheit geht vor.
Verstehen Anleger denn wirklich, wie Bitcoin oder Ethereum funktionieren, wenn sie investieren?
Velleuer: Verstehen die Leute das Internet? Trotzdem investieren viele in Tech-Titel. Viele unserer Kunden investieren, damit sie sich stärker mit dem Thema auseinandersetzen. Klar, auch für mich, die sich jeden Tag mit Krypto auseinandersetzt, ist es schwierig, am Puls der Entwicklungen zu bleiben.
Was kommt jetzt nach dem Bitcoin-ETF? Wird es immer mehr Krypto-Angebote für «normale Leute» geben?
Imbach: Der Einstieg erfolgt meist über Bitcoin. Nach einiger Zeit realisieren die Anleger, dass es ein ganzes Krypto-Ökosystem gibt. Dann schauen sie sich beispielsweise Ethereum an, die zweitgrösste Kryptowährung, die durch die mögliche Lancierung eines ETF im Mai Schub bekommen könnte. Dann sehen sie, dass es im Sektor auch Themen wie Gaming, dezentrales Finanzwesen oder Metaversum gibt. Aber den Anfang machen meist Bitcoin oder Ethereum.
Velleuer: Je mehr neue ETF kommen, desto mehr werden sich die Leute damit auseinandersetzen. In der Breite ist das Thema aber noch nicht angekommen. Unser Fonds ist nach sechs Jahren 100 Millionen US-Dollar gross, das ist sehr klein im Vergleich zu regulären Aktienfonds.
Zwahlen: Wir befinden uns in der Frühphase der Entwicklung. Die Blockchain-Technologie ist zwar schon heute überall im Einsatz. Doch irgendwann wird das im Hintergrund ablaufen, die Menschen werden es gar nicht mehr merken. Heute sind noch viele skeptisch, und man hat den Anspruch, alles zu verstehen. Der Aufbau des nötigen Fachwissens bei Investoren und Banken ist der Schlüssel für die weitere Verbreitung von Krypto.
Was sind dabei die grössten Hindernisse?
Zwahlen: Die intellektuelle Herausforderung liegt darin, dass wir vor allem gewohnt sind, den Institutionen zu vertrauen, die hinter dem Vermögen stehen. Beim Bitcoin vertraut man dem Kollektiv der Nutzer. Daran ist man als Investor oder als Individuum nicht gewöhnt. Aber gerade in der Schweiz haben wir durchaus Verständnis dafür: In einem föderalen System vertraut man nicht einfach einem Zentralstaat. Das Vertrauen in eine dezentrale Struktur ist in der Schweizer Demokratie verankert.
Wie geht es jetzt weiter? Mit dem Bitcoin-Halving im April – einer künstlichen Angebotsverknappung der Kryptowährung – kommt ein vielbeachtetes Ereignis.
Velleuer: Wir sind in einem Bullenmarkt. Das Halving ist nicht mehr so relevant. Die Kombination von Bitcoin-ETF und dem Halving gibt aber einen explosiven Mix. Die Hausse wird mit Ether, dann mit anderen Coins weitergehen. Ein Bullenmarkt bedeutet aber auch, dass Korrekturen von 20 Prozent an der Tagesordnung sein können.
Imbach: Die Angebotsreduktion durch das Halving ist vor allem psychologischer Natur und stützt den Bullenmarkt. Zudem ist in vielen Demokratien ein Wahljahr, Politiker tendieren dann dazu, Geld auszugeben, viel Liquidität wird in den Markt gelangen. Hinzu kommt ein positives Makroszenario, bei dem viele später im Jahr von sinkenden Zinsen ausgehen. Das gibt einen sehr guten Mix für risikoreiche Anlagen wie Bitcoin und Co.
Das Umfeld ist also so günstig wie noch nie. Was ist eine vernünftige Allokation?
Velleuer: Immer mehr Anleger trauen sich nun, einen kleinen Teil ihres Vermögens in Krypto anzulegen. Vielleicht 1 bis 3 Prozent je nach Risikotoleranz. Das ist sehr wenig. Die grossen Kursschwankungen von Krypto haben da noch keinen Einfluss auf das Gesamtportfolio.
Zwahlen: Wir haben einen konservativen Ansatz und empfehlen den Kunden, sich bei digitalen Vermögenswerten ebenfalls auf 1 bis 3 Prozent ihres Gesamtportfolios zu beschränken. Auch sind wir der Ansicht, dass man diese Position nicht auf einmal aufbauen sollte, sondern in vielleicht drei Schritten. Grundsätzlich raten wir Kunden nicht, den Markt zu timen, sondern sich für ein langfristiges Engagement zu entscheiden.
Ein gravierender Nachteil von Kryptowährungen ist, dass sie für kriminelle Geschäfte und Geldwäscherei genutzt werden können. Zudem gilt Bitcoin als Stromfresser. Muss man das einfach in Kauf nehmen?
Imbach: Klar ist der Mechanismus, um Bitcoin zu gewinnen, nicht energieeffizient. Das ist ein Fakt. Allerdings wird dieser Effekt überschätzt, da für das Gewinnen von Bitcoin auch Energie genutzt werden kann, die sonst einfach verpuffen würde. Es ist ja schwierig, Strom zu speichern. Zudem hat Ethereum mit seiner Umstellung auf ein anderes Verfahren gezeigt, dass sich auf diese Art 99,9 Prozent Energie sparen lassen. Die Branche hat das Energieproblem gelöst, neue Projekte verwenden nun dieses Verfahren.
Zwahlen: Ich bin überzeugt, dass es rasch zu weiteren technologischen Optimierungen kommen wird. Die Fürsprecher digitaler Vermögenswerte stammen meist aus einer Generation, die den Klimawandel sehr ernst nimmt. Ich glaube, dass Kryptowährungen und Nachhaltigkeit zusammenkommen werden.
Und die Geldwäscherei?
Imbach: Wie andere Vermögenswerte kann auch Bitcoin für Geldwäscherei verwendet werden. Allerdings ist das generell einfacher nachzuweisen, da Transaktionen ja lückenlos nachverfolgt werden können bis zurück an ihren Anfang – das ist bei herkömmlichen Banküberweisungen nicht möglich, bei Bargeld erst recht nicht: Dieses ist daher beispielsweise im Drogenhandel ein zentrales Zahlungsmittel.
Zwahlen: Es wird gerne pauschalisierend gesagt, digitale Vermögenswerte seien Instrumente für Geldwäscherei und müssten deshalb verboten werden. Gleichzeitig fordert niemand, Bargeld abzuschaffen, obwohl dieses auch für kriminelle Machenschaften verwendet wird.
Sie reden das Problem klein.
Zwahlen: Wir können das gut abschätzen, da wir nun fünf Jahre Erfahrung mit Kunden haben, die Krypto-Anlagen auf eigenen Wallets, einer Art digitales Portemonnaie, halten und bei uns einliefern oder in Franken tauschen wollen. Wir sind an der Schnittstelle zwischen digitaler Welt und herkömmlichem System. Dort ist das Geldwäscherei-Risiko besonders hoch. Wir haben in den vergangenen Jahren deshalb einen gründlichen Prüfprozess entwickelt.
Wie sieht dieser aus?
Zwahlen: Vereinfacht gesagt haben wir vier Kriterien: Wir müssen die Herkunft des Vermögens zweifelsfrei abklären und Geldwäscherei ausschliessen können. Das Vermögen muss steuerlich konform sein, und die Coins, die eingeliefert werden, dürfen zuvor nie für kriminelle Machenschaften verwendet worden sein. Wir haben in den letzten fünf Jahren fast 400 Firmenkunden und zahlreiche Privatkunden aus der Blockchain-Branche gewonnen und dabei nicht mehr Hinweise auf Geldwäscherei gefunden als im traditionellen Bankgeschäft.
Wie lange wird es dauern, bis eine Mehrheit der Banken Krypto-Anlagen anbietet?
Zwahlen: Ich bin überzeugt, dass in den nächsten zwei bis drei Jahren jede Bank in der Schweiz zumindest Handel und Verwahrung von digitalen Vermögenswerten anbieten wird. Das ist ein Gebot der guten Unternehmensführung, wenn man Kunden professionell betreuen will und auch die nächsten Generationen ernst nimmt. Viele werden das nötige Know-how auch einkaufen.
Ist das fehlende Know-how der Hauptgrund dafür, dass Privatbanken und die verbleibende Grossbank so zurückhaltend sind? Nicht grundsätzliche Vorbehalte gegenüber Krypto?
Velleuer: Ich glaube, die grossen Banken haben schlicht Angst. Sie haben sich in den letzten Jahren so oft die Finger verbrannt. Aber es ist auch normal, dass kleinere Firmen schneller agieren und innovativer sind. Die Grossen können dann auch mit Übernahmen das nötige Know-how erwerben. Für uns als Vermögensverwalter ist es wertvoll, dass wir jetzt eine Schweizer Depotbank haben, welche die digitalen Vermögenswerte für uns verwahrt – das erhöht die Sicherheit für unsere Kunden massiv. Als wir vor sechs Jahren begonnen haben, gab es diese Möglichkeit noch nicht.
Imbach: Es gibt in der Schweiz heute fast keine Bank mehr, die nicht zumindest hinter verschlossenen Türen ernsthaft über das Thema nachdenkt oder bereits an der Umsetzung ist. Wir helfen mittlerweile bereits zwanzig Banken dabei, Krypto-Angebote zu entwickeln. Im Vergleich zu anderen Ländern ist die Schweiz meilenweit voraus.
Wahrscheinlich fehlt in anderen Ländern schlicht die rechtliche Klarheit, und die Banken dort dürfen noch gar keine Krypto-Werte entgegennehmen.
Imbach: Die Schweiz hat früh die Weichen richtig gestellt. In der EU wird die sogenannte Mica-Regulierung 2025 in Kraft treten. Ich freue mich zwar auf sie, aber meine Hypothese ist, dass die EU-Länder in der praktischen Umsetzung noch sehr viel lernen und adjustieren werden. Das ist ein Prozess, der in der Schweiz schon 2018 begonnen hat. Wir sind einfach weiter als die meisten anderen, und das hat primär mit der regulatorischen Klarheit zu tun.
Zwahlen: Dieser Vorsprung ist ein Segen für den Finanzplatz und die Schweizer Volkswirtschaft. Jetzt sollten das die etablierten Banken nutzen und insbesondere auch Offenheit für Kooperationen mit branchenfremden Firmen zeigen. Die Zeit, in der eine Bank die ganze Wertschöpfungskette selbst abdecken kann, ist vorbei.
Bitcoin und Ethereum kennen mittlerweile alle. Gibt es andere Coins, die Sie Ihren Kunden mit gutem Gewissen empfehlen können?
Velleuer: Wir sind derzeit vor allem von Projekten im Bereich «dezentrales Finanzsystem» angetan. Denn diese erzielen bereits Cashflows, was eine Bewertung enorm erleichtert. Wir können deshalb teilweise die gleichen Methoden wie bei der herkömmlichen Aktienanalyse einsetzen – zum Beispiel Kurs-Gewinn-Verhältnisse. In unserem Fonds haben wir zum Beispiel grössere Positionen an Maker oder Chainlink. Daneben halten wir eine Reihe von kleineren Tokens, die wir aber als Einzelanlagen nicht empfehlen würde, da sie zu stark schwanken.
Imbach: Es gibt zwei wichtige Voraussetzungen, wenn Kunden in ein breiteres Portfolio von Tokens investieren möchten: Dass sie verstehen, dass es sich bei diesen oft um Wagniskapitalanlagen handelt, die während 24 Stunden an sieben Tagen zum Teil massive Kursausschläge zeigen. Und dass es viele Herausforderungen mit sich bringt, solche Tokens zu handeln: Man muss bereit sein, diese mehrere Jahre zu halten. Für die meisten Kunden ist die Anlage in ganze Sektoren sinnvoller, also etwa in das dezentrale Finanzwesen, das Metaversum oder Gaming – für diese Themen bieten wir Indizes an.
Nun ein Blick in die Kristallkugel: Der Bitcoin-Preis hat kürzlich einen neuen Rekordstand erreicht. Wo steht der Bitcoin-Preis Ende Jahr?
Velleuer: Unser fairer Wert für Bitcoin liegt bei 50 000 Dollar per Ende Jahr, also tiefer als das heutige Niveau. Aber wir haben in den vergangenen Zyklen oft die Erfahrung gemacht, dass der Preis massiv überschiesst.
Imbach: Ich mache aus Prinzip keine Preisvorhersagen, das habe ich in den letzten zehn Jahren in diesem Ökosystem gelernt.
Zwahlen: Ich glaube auch, eine so kurzfristige Prognose wäre nicht seriös, aber ich bin für Kryptowährungen weiterhin sehr optimistisch.
Mathias Imbach
Mathias Imbach, 41, ist Group CEO der Sygnum Bank, die auf digitale Vermögenswerte spezialisiert ist und die er 2018 mitgegründet hat. Zuvor leitete er RNT Associates, die persönliche Anlageplattform des indischen Unternehmers Ratan N. Tata. Imbach begann seine Karriere als Berater bei Bain & Company im Jahre 2009 und begleitete etliche Tech-, Family-Office- und Private-Equity-Projekte. Er hat an der London School of Economics Wirtschaft studiert und an der Universität St. Gallen doktoriert.
Désirée Velleuer
Velleuer, 39, ist CEO und Mitgründerin von Crypto Consulting, einem auf digitale Anlagen ausgelegten Vermögensverwalter aus Zürich. Der Krypto-Fonds, den Velleuer betreut, wurde 2018 lanciert. Bevor sie sich mit digitalen Anlagen befasste, war sie Fondsmanagerin eines europäischen Aktienfonds bei GAM. Velleuer startete ihre Karriere bei der Credit Suisse im Private Banking und im Asset-Management. Sie hat an der Universität St. Gallen Banking und Finanzwesen studiert.
Stephan Zwahlen
Stephan Zwahlen, 45, ist seit 2016 CEO der Zürcher Privatbank Maerki Baumann. Dort bekleidete er ab 2005 Funktionen im Projektmanagement, in der Unternehmensentwicklung und wurde Mitglied der Geschäftsleitung, zuständig für Anlagelösungen. Er arbeitete auch im internationalen Mandatgeschäft der UBS. Zwahlen ist die treibende Kraft hinter der Krypto-Strategie von Maerki Baumann. Er hat an der Universität St. Gallen Finanzwissenschaften studiert und dort doktoriert.